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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Tägliche Bewegung der Erde.
setzung der Luft aus den Polar- in die Aequatorialgegenden geht
nur sehr langsam und allmählig vor sich, so daß die sie unmit-
telbar berührende Oberfläche der Erde Zeit genug hat, auf diese
Luftschichten zu wirken, und ihnen, durch die Reibung derselben
mit der Erde, nach und nach die Geschwindigkeit der letzteren zu
ertheilen. Die Folge davon ist, daß jene langsameren Luftschich-
ten, wenn sie an den beiden Gränzen der heißen Zone ankommen,
und sich dem Aequator nähern, allmählig immer eine größere
östliche Geschwindigkeit erhalten, und sich mit der Erde selbst
in's Gleichgewicht setzen werden, um so mehr da die Parallelkreise
also auch ihre Geschwindigkeiten, in der Nähe des Aequators sich
nur sehr wenig ändern. Daraus folgt: daß dieses Gleichge-
wicht der Geschwindigkeit der von den Polen zu dem Aequator
strömenden Luftschichten, mit der Geschwindigkeit der Erde selbst
schon vor der Ankunft jener Schichten am Aequator sich herge-
stellt haben wird, und daß daher jene beständigen Ostwinde nur
an den beiden Gränzen der heißen Zone herrschen, und in der Mitte
derselben, am Aequator selbst, nicht mehr fühlbar seyn werden,
wie es der Erfahrung vollkommen gemäß ist.

Im Gegentheile werden diejenigen wärmeren Luftschichten
der heißen Zone, die sich ihrer geringen Dichtigkeit wegen erheben,
und dann, wie wir oben gesehen haben, zu beiden Seiten gegen
die Pole hin abfließen, wenn sie mit ihrer ursprünglich größeren
östlichen Geschwindigkeit an der Oberfläche der Erde ankommen,
der Erde gegen Ost voreilen, und uns daher auf der Nordseite
des Aequators als ein Südwestwind, auf der Südseite desselben
aber als ein Nordwestwind fühlbar werden, wodurch der Ursprung
der so häufigen West- und Südwestwinde erklärt wird, die in
ganz Europa und in den nördlichen Theilen des atlantischen
Meeres beinahe das ganze Jahr durch herrschen, so wie alle diese
Erscheinungen zugleich als Beweise der Rotation der Erde ange-
sehen werden können.

§. 36. (Rotation anderer Himmelskörper). Endlich wird es
auch hier, wie bei der Untersuchung der Kugelgestalt der Erde,
erlaubt seyn, diese Erde nicht bloß als unseren Wohnort, sondern
als einen derjenigen großen Körper zu betrachten, die in so großer
Anzahl unseren nächtlichen Himmel schmücken. Wir kennen schon

Tägliche Bewegung der Erde.
ſetzung der Luft aus den Polar- in die Aequatorialgegenden geht
nur ſehr langſam und allmählig vor ſich, ſo daß die ſie unmit-
telbar berührende Oberfläche der Erde Zeit genug hat, auf dieſe
Luftſchichten zu wirken, und ihnen, durch die Reibung derſelben
mit der Erde, nach und nach die Geſchwindigkeit der letzteren zu
ertheilen. Die Folge davon iſt, daß jene langſameren Luftſchich-
ten, wenn ſie an den beiden Gränzen der heißen Zone ankommen,
und ſich dem Aequator nähern, allmählig immer eine größere
öſtliche Geſchwindigkeit erhalten, und ſich mit der Erde ſelbſt
in’s Gleichgewicht ſetzen werden, um ſo mehr da die Parallelkreiſe
alſo auch ihre Geſchwindigkeiten, in der Nähe des Aequators ſich
nur ſehr wenig ändern. Daraus folgt: daß dieſes Gleichge-
wicht der Geſchwindigkeit der von den Polen zu dem Aequator
ſtrömenden Luftſchichten, mit der Geſchwindigkeit der Erde ſelbſt
ſchon vor der Ankunft jener Schichten am Aequator ſich herge-
ſtellt haben wird, und daß daher jene beſtändigen Oſtwinde nur
an den beiden Gränzen der heißen Zone herrſchen, und in der Mitte
derſelben, am Aequator ſelbſt, nicht mehr fühlbar ſeyn werden,
wie es der Erfahrung vollkommen gemäß iſt.

Im Gegentheile werden diejenigen wärmeren Luftſchichten
der heißen Zone, die ſich ihrer geringen Dichtigkeit wegen erheben,
und dann, wie wir oben geſehen haben, zu beiden Seiten gegen
die Pole hin abfließen, wenn ſie mit ihrer urſprünglich größeren
öſtlichen Geſchwindigkeit an der Oberfläche der Erde ankommen,
der Erde gegen Oſt voreilen, und uns daher auf der Nordſeite
des Aequators als ein Südweſtwind, auf der Südſeite deſſelben
aber als ein Nordweſtwind fühlbar werden, wodurch der Urſprung
der ſo häufigen Weſt- und Südweſtwinde erklärt wird, die in
ganz Europa und in den nördlichen Theilen des atlantiſchen
Meeres beinahe das ganze Jahr durch herrſchen, ſo wie alle dieſe
Erſcheinungen zugleich als Beweiſe der Rotation der Erde ange-
ſehen werden können.

§. 36. (Rotation anderer Himmelskörper). Endlich wird es
auch hier, wie bei der Unterſuchung der Kugelgeſtalt der Erde,
erlaubt ſeyn, dieſe Erde nicht bloß als unſeren Wohnort, ſondern
als einen derjenigen großen Körper zu betrachten, die in ſo großer
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[90/0102] Tägliche Bewegung der Erde. ſetzung der Luft aus den Polar- in die Aequatorialgegenden geht nur ſehr langſam und allmählig vor ſich, ſo daß die ſie unmit- telbar berührende Oberfläche der Erde Zeit genug hat, auf dieſe Luftſchichten zu wirken, und ihnen, durch die Reibung derſelben mit der Erde, nach und nach die Geſchwindigkeit der letzteren zu ertheilen. Die Folge davon iſt, daß jene langſameren Luftſchich- ten, wenn ſie an den beiden Gränzen der heißen Zone ankommen, und ſich dem Aequator nähern, allmählig immer eine größere öſtliche Geſchwindigkeit erhalten, und ſich mit der Erde ſelbſt in’s Gleichgewicht ſetzen werden, um ſo mehr da die Parallelkreiſe alſo auch ihre Geſchwindigkeiten, in der Nähe des Aequators ſich nur ſehr wenig ändern. Daraus folgt: daß dieſes Gleichge- wicht der Geſchwindigkeit der von den Polen zu dem Aequator ſtrömenden Luftſchichten, mit der Geſchwindigkeit der Erde ſelbſt ſchon vor der Ankunft jener Schichten am Aequator ſich herge- ſtellt haben wird, und daß daher jene beſtändigen Oſtwinde nur an den beiden Gränzen der heißen Zone herrſchen, und in der Mitte derſelben, am Aequator ſelbſt, nicht mehr fühlbar ſeyn werden, wie es der Erfahrung vollkommen gemäß iſt. Im Gegentheile werden diejenigen wärmeren Luftſchichten der heißen Zone, die ſich ihrer geringen Dichtigkeit wegen erheben, und dann, wie wir oben geſehen haben, zu beiden Seiten gegen die Pole hin abfließen, wenn ſie mit ihrer urſprünglich größeren öſtlichen Geſchwindigkeit an der Oberfläche der Erde ankommen, der Erde gegen Oſt voreilen, und uns daher auf der Nordſeite des Aequators als ein Südweſtwind, auf der Südſeite deſſelben aber als ein Nordweſtwind fühlbar werden, wodurch der Urſprung der ſo häufigen Weſt- und Südweſtwinde erklärt wird, die in ganz Europa und in den nördlichen Theilen des atlantiſchen Meeres beinahe das ganze Jahr durch herrſchen, ſo wie alle dieſe Erſcheinungen zugleich als Beweiſe der Rotation der Erde ange- ſehen werden können. §. 36. (Rotation anderer Himmelskörper). Endlich wird es auch hier, wie bei der Unterſuchung der Kugelgeſtalt der Erde, erlaubt ſeyn, dieſe Erde nicht bloß als unſeren Wohnort, ſondern als einen derjenigen großen Körper zu betrachten, die in ſo großer Anzahl unſeren nächtlichen Himmel ſchmücken. Wir kennen ſchon

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/102>, abgerufen am 29.03.2024.