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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet.
strich vom Tanganyika- bis zum Albert-Eduard-See pachtweise an
England überlassen, mit Erfolg protestiert. Der Artikel wurde
bedingungslos zurückgezogen.

Vgl. R. G. I 374; die Aktenstücke in N. R. G. 2. Ser. XX 805, XXI
531, 676.

II.

Mit der Herrschaft über das Gebiet wird auch die Herrschaft
über die zur Zeit des Erwerbes auf dem Gebiete ansässigen Staats-
angehörigen erworben.

Stoerk, Option und Plebiszit bei Eroberungen und Gebietszessionen.
1879.

Freudenthal, Die Volksabstimmung bei Gebietsabtretungen und Er-
oberungen. 1891.

Heilborn, System 112.

1. Die Staatsgewalt des erwerbenden Staates ergreift dagegen
nicht diejenigen Staatsangehörigen, die bereits vor dem Erwerb die
Staatsangehörigkeit überhaupt oder (durch Aufgabe des Wohnsitzes) die
Zugehörigkeit zu dem Gebiete aufgegeben haben.

2. Der Erwerb des Gebietes ist nicht bedingt durch die Zustim-
mung seiner Bewohner (Plebiszit).

Das Plebiszit, ein Lieblingsgedanke Napoleons III. und Ca-
vours
, wurde, in Bezug auf europäisches Gebiet, angewandt 1860
bei der Abtretung von Savoyen und Nizza an Frankreich auf Grund
des Turiner Vertrags vom 24. März 1860; 1860 bis 1870 bei den
neuen Eroberungen Italiens (2. Oktober 1870 in Rom); 1863 bei
der Einverleibung der Ionischen Inseln in Griechenland. Durch
den Prager Frieden vom 23. August 1866 übertrug Österreich auf
Frankreichs Wunsch seine Rechte an Schleswig-Holstein an Preussen
mit der Massgabe, dass "die Bevölkerung der nördlichen Distrikte
Schleswigs, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch zu er-
kennen gäbe, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark
abgetreten werden sollte". Diese Vereinbarung, aus der nur
Österreich, keine dritte Macht, ein Recht ableiten konnte, wurde
durch Vertrag zwischen Österreich und Preussen vom 11. Oktober
1878 aufgehoben.

Über die Abtretung von Savoyen vgl. Grivaz, R. G. III 445 und Bur-
geois
, R. G. III 673.


§ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet.
strich vom Tanganyika- bis zum Albert-Eduard-See pachtweise an
England überlassen, mit Erfolg protestiert. Der Artikel wurde
bedingungslos zurückgezogen.

Vgl. R. G. I 374; die Aktenstücke in N. R. G. 2. Ser. XX 805, XXI
531, 676.

II.

Mit der Herrschaft über das Gebiet wird auch die Herrschaft
über die zur Zeit des Erwerbes auf dem Gebiete ansässigen Staats-
angehörigen erworben.

Stoerk, Option und Plebiszit bei Eroberungen und Gebietszessionen.
1879.

Freudenthal, Die Volksabstimmung bei Gebietsabtretungen und Er-
oberungen. 1891.

Heilborn, System 112.

1. Die Staatsgewalt des erwerbenden Staates ergreift dagegen
nicht diejenigen Staatsangehörigen, die bereits vor dem Erwerb die
Staatsangehörigkeit überhaupt oder (durch Aufgabe des Wohnsitzes) die
Zugehörigkeit zu dem Gebiete aufgegeben haben.

2. Der Erwerb des Gebietes ist nicht bedingt durch die Zustim-
mung seiner Bewohner (Plebiszit).

Das Plebiszit, ein Lieblingsgedanke Napoleons III. und Ca-
vours
, wurde, in Bezug auf europäisches Gebiet, angewandt 1860
bei der Abtretung von Savoyen und Nizza an Frankreich auf Grund
des Turiner Vertrags vom 24. März 1860; 1860 bis 1870 bei den
neuen Eroberungen Italiens (2. Oktober 1870 in Rom); 1863 bei
der Einverleibung der Ionischen Inseln in Griechenland. Durch
den Prager Frieden vom 23. August 1866 übertrug Österreich auf
Frankreichs Wunsch seine Rechte an Schleswig-Holstein an Preuſsen
mit der Maſsgabe, daſs „die Bevölkerung der nördlichen Distrikte
Schleswigs, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch zu er-
kennen gäbe, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark
abgetreten werden sollte“. Diese Vereinbarung, aus der nur
Österreich, keine dritte Macht, ein Recht ableiten konnte, wurde
durch Vertrag zwischen Österreich und Preuſsen vom 11. Oktober
1878 aufgehoben.

Über die Abtretung von Savoyen vgl. Grivaz, R. G. III 445 und Bur-
geois
, R. G. III 673.


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[57/0079] § 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet. strich vom Tanganyika- bis zum Albert-Eduard-See pachtweise an England überlassen, mit Erfolg protestiert. Der Artikel wurde bedingungslos zurückgezogen. Vgl. R. G. I 374; die Aktenstücke in N. R. G. 2. Ser. XX 805, XXI 531, 676. II. Mit der Herrschaft über das Gebiet wird auch die Herrschaft über die zur Zeit des Erwerbes auf dem Gebiete ansässigen Staats- angehörigen erworben. Stoerk, Option und Plebiszit bei Eroberungen und Gebietszessionen. 1879. Freudenthal, Die Volksabstimmung bei Gebietsabtretungen und Er- oberungen. 1891. Heilborn, System 112. 1. Die Staatsgewalt des erwerbenden Staates ergreift dagegen nicht diejenigen Staatsangehörigen, die bereits vor dem Erwerb die Staatsangehörigkeit überhaupt oder (durch Aufgabe des Wohnsitzes) die Zugehörigkeit zu dem Gebiete aufgegeben haben. 2. Der Erwerb des Gebietes ist nicht bedingt durch die Zustim- mung seiner Bewohner (Plebiszit). Das Plebiszit, ein Lieblingsgedanke Napoleons III. und Ca- vours, wurde, in Bezug auf europäisches Gebiet, angewandt 1860 bei der Abtretung von Savoyen und Nizza an Frankreich auf Grund des Turiner Vertrags vom 24. März 1860; 1860 bis 1870 bei den neuen Eroberungen Italiens (2. Oktober 1870 in Rom); 1863 bei der Einverleibung der Ionischen Inseln in Griechenland. Durch den Prager Frieden vom 23. August 1866 übertrug Österreich auf Frankreichs Wunsch seine Rechte an Schleswig-Holstein an Preuſsen mit der Maſsgabe, daſs „die Bevölkerung der nördlichen Distrikte Schleswigs, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch zu er- kennen gäbe, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark abgetreten werden sollte“. Diese Vereinbarung, aus der nur Österreich, keine dritte Macht, ein Recht ableiten konnte, wurde durch Vertrag zwischen Österreich und Preuſsen vom 11. Oktober 1878 aufgehoben. Über die Abtretung von Savoyen vgl. Grivaz, R. G. III 445 und Bur- geois, R. G. III 673.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/79>, abgerufen am 29.03.2024.