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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet.
Staates an Bord haben, ohne ihnen zur freien Verfügung gestellt
zu sein. Den Kriegsschiffen stehen die Kaperschiffe gleich, soweit
der Staat, dem sie angehören, sich der Pariser Deklaration von
1856 (unten § 40 II) über die Abschaffung der Kaper nicht an-
geschlossen hat.

§ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet.

Heimburger, Der Erwerb der Gebietshoheit. 1888.

v. Holtzendorff, Eroberung und Eroberungsrecht. 1871.

Salomon, L'occupation des territoires sans maeitre. 1889.

Adam, L. A. VI 193.

Jeze, Etude theorique et pratique sur l'occupation comme mode d'acquerir
les territoires en droit international. 1896.

Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht. 1888.

R. G. II 617 (Streit zwischen Brasilien und Grossbritannien über die Insel
Trinidad).

I. Allgemeines.

1. Der Erwerb, wie der Verlust von Staatsgebiet kann durch
natürliche Thatsachen oder durch Rechtsgeschäfte erfolgen
(unten § 20).

Beispiele für das erstere: alveus derelictus, insula in flumine
nata; Deltabildung, Abspülung und Anspülung von Erdteilen. (Über
diese vgl. d. österreichisch-preussischen Vertrag vom 9. Februar 1869.)

2. Der Erwerb kann ein selbständiger (originärer) oder abge-
leiteter (derivativer) sein.

Nur im letzteren Fall ist der erwerbende Staat Rechtsnach-
folger des abtretenden, übernimmt mithin die auf dem abgetretenen
Gebiet ruhenden Rechte und Pflichten (unten § 23). Als selbst-
ständige Erwerbsarten sind besonders zu nennen die Eroberung
(debellatio) und die Okkupation.

3. Erwerb und Abtretung von Staatsgebiet kann nur durch die
Organe des Staates erfolgen;
durch Private, insbesondere auch durch
Kolonialgesellschaften, nur im Auftrag oder mit nachfolgender (und
dann rückwirkender) Genehmigung des Staates. Die Erwerbung
durch Privatgesellschaften (englisch-deutsches System nach Bismarck)
mit nachfolgender Genehmigung bildet heute die Regel.


§ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet.
Staates an Bord haben, ohne ihnen zur freien Verfügung gestellt
zu sein. Den Kriegsschiffen stehen die Kaperschiffe gleich, soweit
der Staat, dem sie angehören, sich der Pariser Deklaration von
1856 (unten § 40 II) über die Abschaffung der Kaper nicht an-
geschlossen hat.

§ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet.

Heimburger, Der Erwerb der Gebietshoheit. 1888.

v. Holtzendorff, Eroberung und Eroberungsrecht. 1871.

Salomon, L’occupation des territoires sans maître. 1889.

Adam, L. A. VI 193.

Jèze, Etude théorique et pratique sur l’occupation comme mode d’acquérir
les territoires en droit international. 1896.

Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht. 1888.

R. G. II 617 (Streit zwischen Brasilien und Groſsbritannien über die Insel
Trinidad).

I. Allgemeines.

1. Der Erwerb, wie der Verlust von Staatsgebiet kann durch
natürliche Thatsachen oder durch Rechtsgeschäfte erfolgen
(unten § 20).

Beispiele für das erstere: alveus derelictus, insula in flumine
nata; Deltabildung, Abspülung und Anspülung von Erdteilen. (Über
diese vgl. d. österreichisch-preuſsischen Vertrag vom 9. Februar 1869.)

2. Der Erwerb kann ein selbständiger (originärer) oder abge-
leiteter (derivativer) sein.

Nur im letzteren Fall ist der erwerbende Staat Rechtsnach-
folger des abtretenden, übernimmt mithin die auf dem abgetretenen
Gebiet ruhenden Rechte und Pflichten (unten § 23). Als selbst-
ständige Erwerbsarten sind besonders zu nennen die Eroberung
(debellatio) und die Okkupation.

3. Erwerb und Abtretung von Staatsgebiet kann nur durch die
Organe des Staates erfolgen;
durch Private, insbesondere auch durch
Kolonialgesellschaften, nur im Auftrag oder mit nachfolgender (und
dann rückwirkender) Genehmigung des Staates. Die Erwerbung
durch Privatgesellschaften (englisch-deutsches System nach Bismarck)
mit nachfolgender Genehmigung bildet heute die Regel.


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[55/0077] § 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet. Staates an Bord haben, ohne ihnen zur freien Verfügung gestellt zu sein. Den Kriegsschiffen stehen die Kaperschiffe gleich, soweit der Staat, dem sie angehören, sich der Pariser Deklaration von 1856 (unten § 40 II) über die Abschaffung der Kaper nicht an- geschlossen hat. § 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet. Heimburger, Der Erwerb der Gebietshoheit. 1888. v. Holtzendorff, Eroberung und Eroberungsrecht. 1871. Salomon, L’occupation des territoires sans maître. 1889. Adam, L. A. VI 193. Jèze, Etude théorique et pratique sur l’occupation comme mode d’acquérir les territoires en droit international. 1896. Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht. 1888. R. G. II 617 (Streit zwischen Brasilien und Groſsbritannien über die Insel Trinidad). I. Allgemeines. 1. Der Erwerb, wie der Verlust von Staatsgebiet kann durch natürliche Thatsachen oder durch Rechtsgeschäfte erfolgen (unten § 20). Beispiele für das erstere: alveus derelictus, insula in flumine nata; Deltabildung, Abspülung und Anspülung von Erdteilen. (Über diese vgl. d. österreichisch-preuſsischen Vertrag vom 9. Februar 1869.) 2. Der Erwerb kann ein selbständiger (originärer) oder abge- leiteter (derivativer) sein. Nur im letzteren Fall ist der erwerbende Staat Rechtsnach- folger des abtretenden, übernimmt mithin die auf dem abgetretenen Gebiet ruhenden Rechte und Pflichten (unten § 23). Als selbst- ständige Erwerbsarten sind besonders zu nennen die Eroberung (debellatio) und die Okkupation. 3. Erwerb und Abtretung von Staatsgebiet kann nur durch die Organe des Staates erfolgen; durch Private, insbesondere auch durch Kolonialgesellschaften, nur im Auftrag oder mit nachfolgender (und dann rückwirkender) Genehmigung des Staates. Die Erwerbung durch Privatgesellschaften (englisch-deutsches System nach Bismarck) mit nachfolgender Genehmigung bildet heute die Regel.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/77>, abgerufen am 25.04.2024.