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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
in staatsrechtlicher Beziehung stehen, allen andern Staaten gegen-
über Ausland sind und durch das Mutterland völkerrechtlich ver-
treten werden. An diesem Verhältnis ändert auch die weitest-
gehende, den Kolonieen eingeräumte Autonomie nichts.

G. Meyer, Die staatsrechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete.
1888.

3. Den Luftraum oberhalb der durch die Staatsgrenzen um-
schriebenen Erdoberfläche, soweit er thatsächlich beherrscht werden
kann, sei es durch Feuerwaffen, sei es durch Luftballons.

Sehr bestritten; wichtig für die Rechtstellung der Neutralen
im Kriege.

4. Uneingeschränkt den Erdraum unter der durch die Staats-
grenze umschriebenen Erdoberfläche.

Wichtig für unterirdische Anlagen aller Art: Bergwerke,
Eisenbahn-Tunnels, telegraphische Leitungen u. s. w.

5. Die Gebietshoheit erstreckt sich dagegen nicht auf die soge-
nannten Interessensphären (oder das Hinterland). In diesem Gebiet
hat der Staat nicht die Staatsgewalt, sondern zunächst nur ein aus-
schliessliches Okkupationsrecht, sowie das Recht, die Ausübung fremder
Staatsgewalten auszuschliessen.

Despagnet, R. G. I 103.

Adam, L. A. VI 284.

Die Abgrenzung der Interessensphären, wie sie zwischen
den verschiedenen Kolonialmächten durch zahlreiche Verträge im
letzten Jahrzehnt, insbesondere zur friedlichen Aufteilung von
Afrika, vorgenommen worden ist und immer noch vorgenommen
wird, bedeutet zunächst nur die vertragsmässige Einräumung eines
ausschliesslichen Okkupationsrechtes; sie berechtigt und bindet da-
her unmittelbar nur die vertragschliessenden Teile. Aber der Ver-
zicht des zunächst an Erwerbungen interessierten Vertragsgegners
und die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung der übrigen
Mächte, denen von dem Vertrage Mitteilung gemacht worden ist,
muss wohl weitergehend als die Einräumung eines absoluten auch
gegen jeden Dritten wirkenden Rechts gedeutet werden (unten
§ 20 II).


I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
in staatsrechtlicher Beziehung stehen, allen andern Staaten gegen-
über Ausland sind und durch das Mutterland völkerrechtlich ver-
treten werden. An diesem Verhältnis ändert auch die weitest-
gehende, den Kolonieen eingeräumte Autonomie nichts.

G. Meyer, Die staatsrechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete.
1888.

3. Den Luftraum oberhalb der durch die Staatsgrenzen um-
schriebenen Erdoberfläche, soweit er thatsächlich beherrscht werden
kann, sei es durch Feuerwaffen, sei es durch Luftballons.

Sehr bestritten; wichtig für die Rechtstellung der Neutralen
im Kriege.

4. Uneingeschränkt den Erdraum unter der durch die Staats-
grenze umschriebenen Erdoberfläche.

Wichtig für unterirdische Anlagen aller Art: Bergwerke,
Eisenbahn-Tunnels, telegraphische Leitungen u. s. w.

5. Die Gebietshoheit erstreckt sich dagegen nicht auf die soge-
nannten Interessensphären (oder das Hinterland). In diesem Gebiet
hat der Staat nicht die Staatsgewalt, sondern zunächst nur ein aus-
schlieſsliches Okkupationsrecht, sowie das Recht, die Ausübung fremder
Staatsgewalten auszuschlieſsen.

Despagnet, R. G. I 103.

Adam, L. A. VI 284.

Die Abgrenzung der Interessensphären, wie sie zwischen
den verschiedenen Kolonialmächten durch zahlreiche Verträge im
letzten Jahrzehnt, insbesondere zur friedlichen Aufteilung von
Afrika, vorgenommen worden ist und immer noch vorgenommen
wird, bedeutet zunächst nur die vertragsmäſsige Einräumung eines
ausschlieſslichen Okkupationsrechtes; sie berechtigt und bindet da-
her unmittelbar nur die vertragschlieſsenden Teile. Aber der Ver-
zicht des zunächst an Erwerbungen interessierten Vertragsgegners
und die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung der übrigen
Mächte, denen von dem Vertrage Mitteilung gemacht worden ist,
muſs wohl weitergehend als die Einräumung eines absoluten auch
gegen jeden Dritten wirkenden Rechts gedeutet werden (unten
§ 20 II).


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[48/0070] I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung. in staatsrechtlicher Beziehung stehen, allen andern Staaten gegen- über Ausland sind und durch das Mutterland völkerrechtlich ver- treten werden. An diesem Verhältnis ändert auch die weitest- gehende, den Kolonieen eingeräumte Autonomie nichts. G. Meyer, Die staatsrechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete. 1888. 3. Den Luftraum oberhalb der durch die Staatsgrenzen um- schriebenen Erdoberfläche, soweit er thatsächlich beherrscht werden kann, sei es durch Feuerwaffen, sei es durch Luftballons. Sehr bestritten; wichtig für die Rechtstellung der Neutralen im Kriege. 4. Uneingeschränkt den Erdraum unter der durch die Staats- grenze umschriebenen Erdoberfläche. Wichtig für unterirdische Anlagen aller Art: Bergwerke, Eisenbahn-Tunnels, telegraphische Leitungen u. s. w. 5. Die Gebietshoheit erstreckt sich dagegen nicht auf die soge- nannten Interessensphären (oder das Hinterland). In diesem Gebiet hat der Staat nicht die Staatsgewalt, sondern zunächst nur ein aus- schlieſsliches Okkupationsrecht, sowie das Recht, die Ausübung fremder Staatsgewalten auszuschlieſsen. Despagnet, R. G. I 103. Adam, L. A. VI 284. Die Abgrenzung der Interessensphären, wie sie zwischen den verschiedenen Kolonialmächten durch zahlreiche Verträge im letzten Jahrzehnt, insbesondere zur friedlichen Aufteilung von Afrika, vorgenommen worden ist und immer noch vorgenommen wird, bedeutet zunächst nur die vertragsmäſsige Einräumung eines ausschlieſslichen Okkupationsrechtes; sie berechtigt und bindet da- her unmittelbar nur die vertragschlieſsenden Teile. Aber der Ver- zicht des zunächst an Erwerbungen interessierten Vertragsgegners und die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung der übrigen Mächte, denen von dem Vertrage Mitteilung gemacht worden ist, muſs wohl weitergehend als die Einräumung eines absoluten auch gegen jeden Dritten wirkenden Rechts gedeutet werden (unten § 20 II).

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/70>, abgerufen am 19.04.2024.