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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 6. Die souveräne Staatsgewalt.

2. Tunis (durch den Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag
mit dem Bey vom 12. Mai 1881 und den Vertrag vom 8. Juni 1883).

Dagegen ist das bis dahin (seit dem Vertrag vom 17. De-
zember 1885) halbsouveräne Königreich Madagaskar 1896 zur
französischen Kolonie geworden (Gesetz vom 6. August 1896). --
Monaco, häufig hierhergestellt, ist unabhängig.

Vgl. R. G. II 150, III 55, IV 228; die Aktenstücke von 1894 und 1895
sind abgedruckt N. R. G. 2. Ser. XXI 755.

d) Unter der Oberherrlichkeit Englands:

1. Die eingebornen Fürsten Indiens.

2. Die drei kleinen Staaten der Insel Borneo: Nord-Borneo,
Sarawak und Brunei, seit 1888.

3. Das Sultanat von Zanzibar (deutsch-englischer Vertrag vom
7. November 1890).

Dagegen hat Afghanistan, das sich 1879 unter englische
Oberherrschaft gestellt hatte, seither durch Einwirkung Russlands
wieder eine unabhängigere Stellung gewonnen.

Bestritten ist die Stellung der südafrikanischen Republik (Trans-
vaal).
Nach dem mit England am 27. Februar 1884 geschlossenen
Vertrag hat dieses das Recht, gegen alle von der Republik mit
andern Mächten (mit Ausnahme des Oranje-Freistaates) geschlossenen
Verträge binnen 6 Monaten Einspruch zu erheben. Da die Ver-
träge aber nicht von England für die südafrikanische Republik,
sondern von dieser in eigenem Namen geschlossen werden, da mit-
hin von einer völkerrechtlichen Vertretung Transvaals durch England
nicht gesprochen werden kann, genügt diese Einschränkung nicht,
um die Republik als halbsouverän erscheinen zu lassen.

Für die gegenteilige Ansicht Rivier, I 89, 316, sowie insbesondere Heil-
born
, R. G. 3, 28, der ein ganz eigenartiges Verhältnis annimmt und
sowohl die Souveränität Transvaals, als auch die Oberherrschaft Eng-
lands bestreitet; ferner de Louter, R. J. XXVIII 117, Westlake,
R. J. XXVIII 268.

e) Unter der Oberherrlichkeit Russlands:

Die Khanate Chiwa und Buchara (seit 1873).


v. Liszt, Völkerrecht. 3
§ 6. Die souveräne Staatsgewalt.

2. Tunis (durch den Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag
mit dem Bey vom 12. Mai 1881 und den Vertrag vom 8. Juni 1883).

Dagegen ist das bis dahin (seit dem Vertrag vom 17. De-
zember 1885) halbsouveräne Königreich Madagaskar 1896 zur
französischen Kolonie geworden (Gesetz vom 6. August 1896). —
Monaco, häufig hierhergestellt, ist unabhängig.

Vgl. R. G. II 150, III 55, IV 228; die Aktenstücke von 1894 und 1895
sind abgedruckt N. R. G. 2. Ser. XXI 755.

d) Unter der Oberherrlichkeit Englands:

1. Die eingebornen Fürsten Indiens.

2. Die drei kleinen Staaten der Insel Borneo: Nord-Borneo,
Sarawak und Brunei, seit 1888.

3. Das Sultanat von Zanzibar (deutsch-englischer Vertrag vom
7. November 1890).

Dagegen hat Afghanistan, das sich 1879 unter englische
Oberherrschaft gestellt hatte, seither durch Einwirkung Ruſslands
wieder eine unabhängigere Stellung gewonnen.

Bestritten ist die Stellung der südafrikanischen Republik (Trans-
vaal).
Nach dem mit England am 27. Februar 1884 geschlossenen
Vertrag hat dieses das Recht, gegen alle von der Republik mit
andern Mächten (mit Ausnahme des Oranje-Freistaates) geschlossenen
Verträge binnen 6 Monaten Einspruch zu erheben. Da die Ver-
träge aber nicht von England für die südafrikanische Republik,
sondern von dieser in eigenem Namen geschlossen werden, da mit-
hin von einer völkerrechtlichen Vertretung Transvaals durch England
nicht gesprochen werden kann, genügt diese Einschränkung nicht,
um die Republik als halbsouverän erscheinen zu lassen.

Für die gegenteilige Ansicht Rivier, I 89, 316, sowie insbesondere Heil-
born
, R. G. 3, 28, der ein ganz eigenartiges Verhältnis annimmt und
sowohl die Souveränität Transvaals, als auch die Oberherrschaft Eng-
lands bestreitet; ferner de Louter, R. J. XXVIII 117, Westlake,
R. J. XXVIII 268.

e) Unter der Oberherrlichkeit Ruſslands:

Die Khanate Chiwa und Buchara (seit 1873).


v. Liszt, Völkerrecht. 3
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[33/0055] § 6. Die souveräne Staatsgewalt. 2. Tunis (durch den Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag mit dem Bey vom 12. Mai 1881 und den Vertrag vom 8. Juni 1883). Dagegen ist das bis dahin (seit dem Vertrag vom 17. De- zember 1885) halbsouveräne Königreich Madagaskar 1896 zur französischen Kolonie geworden (Gesetz vom 6. August 1896). — Monaco, häufig hierhergestellt, ist unabhängig. Vgl. R. G. II 150, III 55, IV 228; die Aktenstücke von 1894 und 1895 sind abgedruckt N. R. G. 2. Ser. XXI 755. d) Unter der Oberherrlichkeit Englands: 1. Die eingebornen Fürsten Indiens. 2. Die drei kleinen Staaten der Insel Borneo: Nord-Borneo, Sarawak und Brunei, seit 1888. 3. Das Sultanat von Zanzibar (deutsch-englischer Vertrag vom 7. November 1890). Dagegen hat Afghanistan, das sich 1879 unter englische Oberherrschaft gestellt hatte, seither durch Einwirkung Ruſslands wieder eine unabhängigere Stellung gewonnen. Bestritten ist die Stellung der südafrikanischen Republik (Trans- vaal). Nach dem mit England am 27. Februar 1884 geschlossenen Vertrag hat dieses das Recht, gegen alle von der Republik mit andern Mächten (mit Ausnahme des Oranje-Freistaates) geschlossenen Verträge binnen 6 Monaten Einspruch zu erheben. Da die Ver- träge aber nicht von England für die südafrikanische Republik, sondern von dieser in eigenem Namen geschlossen werden, da mit- hin von einer völkerrechtlichen Vertretung Transvaals durch England nicht gesprochen werden kann, genügt diese Einschränkung nicht, um die Republik als halbsouverän erscheinen zu lassen. Für die gegenteilige Ansicht Rivier, I 89, 316, sowie insbesondere Heil- born, R. G. 3, 28, der ein ganz eigenartiges Verhältnis annimmt und sowohl die Souveränität Transvaals, als auch die Oberherrschaft Eng- lands bestreitet; ferner de Louter, R. J. XXVIII 117, Westlake, R. J. XXVIII 268. e) Unter der Oberherrlichkeit Ruſslands: Die Khanate Chiwa und Buchara (seit 1873). v. Liszt, Völkerrecht. 3

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/55>, abgerufen am 28.03.2024.