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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
dasselbe ist der Fall, wenn die Wegführung den Kreuzer selbst (sei
es wegen der Nähe des Feindes, sei es wegen der grossen Ent-
fernung, sei es aus andern Gründen) dringender Gefahr aussetzt.

5. Dass die Beschlagnahme gerechtfertigt gewesen sei, muss
durch ein Urteil des Prisengerichts ausgesprochen werden. Mit diesem
Urteil geht das Eigentum an Schiff und Ladung auf den Staat über,
dessen Kriegsschiff die Wegnahme bewirkt hat.

Die Ladung verfällt, soweit sie feindlich ist. Die Verwer-
tung der guten Prise erfolgt meist, nicht notwendig, durch Ver-
kauf. Schiffer und Mannschaft werden Kriegsgefangene, soweit sie
Staatsangehörige des Gegners sind; soweit dies nicht der Fall ist,
werden sie freigegeben.

Ungerechtfertigte Beschlagnahme verpflichtet den Staat, dem
das aufbringende Kriegsschiff angehört, zur Entschädigung des
Schiffes.

Die Zusammensetzung des Prisengerichts und das vor diesem
einzuschlagende Verfahren bestimmt sich durch die innere staat-
liche Gesetzgebung. Vgl. das deutsche Reichsgesetz, betreffend
die Prisengerichtsbarkeit vom 3. Mai 1884 (R. G. Bl. 1884 S. 49),
das aus nur zwei Paragraphen besteht. § 1: "Die Entscheidung über
die Rechtmässigkeit der in einem Kriege gemachten Prisen erfolgt
durch besondere Behörden (Prisengerichte)." § 2: "Der Sitz der
Prisengerichte, ihre Zusammensetzung, das Verfahren vor denselben,
sowie die Verpflichtung anderer Behörden des Reichs oder der Bundes-
staaten, in Prisensachen mitzuwirken, wird durch Kaiserliche Ver-
ordnung bestimmt." Dazu die aus Anlass der ostafrikanischen Blo-
kade zur Bekämpfung des Sklavenhandels erlassene kaiserliche Ver-
ordnung vom 15. Februar 1889 (R. G. Bl. 1889 S. 5). -- Vgl. ferner das
vom Institut für Völkerrecht ausgearbeitete und allen Regierungen
mitgeteilte Prisenreglement von 1887 (welches in der Berufungs-
instanz internationale Gerichtshöfe vorgeschlagen hat). In seiner
Jahresversammlung von 1897 hat das Institut dieses Reglement
mit den 1896 gefassten Beschlüssen über Kontrebande (unten § 43 IV)
in Einklang gebracht.


IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
dasselbe ist der Fall, wenn die Wegführung den Kreuzer selbst (sei
es wegen der Nähe des Feindes, sei es wegen der groſsen Ent-
fernung, sei es aus andern Gründen) dringender Gefahr aussetzt.

5. Daſs die Beschlagnahme gerechtfertigt gewesen sei, muſs
durch ein Urteil des Prisengerichts ausgesprochen werden. Mit diesem
Urteil geht das Eigentum an Schiff und Ladung auf den Staat über,
dessen Kriegsschiff die Wegnahme bewirkt hat.

Die Ladung verfällt, soweit sie feindlich ist. Die Verwer-
tung der guten Prise erfolgt meist, nicht notwendig, durch Ver-
kauf. Schiffer und Mannschaft werden Kriegsgefangene, soweit sie
Staatsangehörige des Gegners sind; soweit dies nicht der Fall ist,
werden sie freigegeben.

Ungerechtfertigte Beschlagnahme verpflichtet den Staat, dem
das aufbringende Kriegsschiff angehört, zur Entschädigung des
Schiffes.

Die Zusammensetzung des Prisengerichts und das vor diesem
einzuschlagende Verfahren bestimmt sich durch die innere staat-
liche Gesetzgebung. Vgl. das deutsche Reichsgesetz, betreffend
die Prisengerichtsbarkeit vom 3. Mai 1884 (R. G. Bl. 1884 S. 49),
das aus nur zwei Paragraphen besteht. § 1: „Die Entscheidung über
die Rechtmäſsigkeit der in einem Kriege gemachten Prisen erfolgt
durch besondere Behörden (Prisengerichte).“ § 2: „Der Sitz der
Prisengerichte, ihre Zusammensetzung, das Verfahren vor denselben,
sowie die Verpflichtung anderer Behörden des Reichs oder der Bundes-
staaten, in Prisensachen mitzuwirken, wird durch Kaiserliche Ver-
ordnung bestimmt.“ Dazu die aus Anlaſs der ostafrikanischen Blo-
kade zur Bekämpfung des Sklavenhandels erlassene kaiserliche Ver-
ordnung vom 15. Februar 1889 (R. G. Bl. 1889 S. 5). — Vgl. ferner das
vom Institut für Völkerrecht ausgearbeitete und allen Regierungen
mitgeteilte Prisenreglement von 1887 (welches in der Berufungs-
instanz internationale Gerichtshöfe vorgeschlagen hat). In seiner
Jahresversammlung von 1897 hat das Institut dieses Reglement
mit den 1896 gefaſsten Beschlüssen über Kontrebande (unten § 43 IV)
in Einklang gebracht.


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[238/0260] IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung. dasselbe ist der Fall, wenn die Wegführung den Kreuzer selbst (sei es wegen der Nähe des Feindes, sei es wegen der groſsen Ent- fernung, sei es aus andern Gründen) dringender Gefahr aussetzt. 5. Daſs die Beschlagnahme gerechtfertigt gewesen sei, muſs durch ein Urteil des Prisengerichts ausgesprochen werden. Mit diesem Urteil geht das Eigentum an Schiff und Ladung auf den Staat über, dessen Kriegsschiff die Wegnahme bewirkt hat. Die Ladung verfällt, soweit sie feindlich ist. Die Verwer- tung der guten Prise erfolgt meist, nicht notwendig, durch Ver- kauf. Schiffer und Mannschaft werden Kriegsgefangene, soweit sie Staatsangehörige des Gegners sind; soweit dies nicht der Fall ist, werden sie freigegeben. Ungerechtfertigte Beschlagnahme verpflichtet den Staat, dem das aufbringende Kriegsschiff angehört, zur Entschädigung des Schiffes. Die Zusammensetzung des Prisengerichts und das vor diesem einzuschlagende Verfahren bestimmt sich durch die innere staat- liche Gesetzgebung. Vgl. das deutsche Reichsgesetz, betreffend die Prisengerichtsbarkeit vom 3. Mai 1884 (R. G. Bl. 1884 S. 49), das aus nur zwei Paragraphen besteht. § 1: „Die Entscheidung über die Rechtmäſsigkeit der in einem Kriege gemachten Prisen erfolgt durch besondere Behörden (Prisengerichte).“ § 2: „Der Sitz der Prisengerichte, ihre Zusammensetzung, das Verfahren vor denselben, sowie die Verpflichtung anderer Behörden des Reichs oder der Bundes- staaten, in Prisensachen mitzuwirken, wird durch Kaiserliche Ver- ordnung bestimmt.“ Dazu die aus Anlaſs der ostafrikanischen Blo- kade zur Bekämpfung des Sklavenhandels erlassene kaiserliche Ver- ordnung vom 15. Februar 1889 (R. G. Bl. 1889 S. 5). — Vgl. ferner das vom Institut für Völkerrecht ausgearbeitete und allen Regierungen mitgeteilte Prisenreglement von 1887 (welches in der Berufungs- instanz internationale Gerichtshöfe vorgeschlagen hat). In seiner Jahresversammlung von 1897 hat das Institut dieses Reglement mit den 1896 gefaſsten Beschlüssen über Kontrebande (unten § 43 IV) in Einklang gebracht.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/260>, abgerufen am 29.03.2024.