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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 40. Die einzelnen Kriegsrechtssätze.
Vereinbarung ausgerüstete Kaper würde völkerrechtlich dennoch als
solcher, und nicht als Seeräuber zu behandeln sein (oben § 29 III);
denn für die Verletzung des Vertrages hat nicht der Kaper, sondern
die ihn verwendende Regierung aufzukommen.

Soweit dagegen staatliche Kriegsschiffe durch Beiträge einzelner
Staatsbürger erbaut und ausgerüstet werden, oder soweit Handels-
schiffe freiwillig sich vollständig in den Dienst der Kriegsmarine
ihres Staates stellen, gehören sie zur organisierten Seewehr. Die
Abgrenzung kann Schwierigkeiten bereiten. Die von Preussen 1870
(vgl. den Erlass vom 24. Juli) geplante deutsche freiwillige Flotte
hätte nicht im Widerspruch zur Pariser Deklaration gestanden;
der gegen diesen Plan von Frankreich erhobene Protest wurde auch
von den englischen Kronjuristen für unbegründet erklärt. Dasselbe
gilt von der 1878 geschaffenen russischen freiwilligen Kreuzerflotte.

Vgl. Perels, L. A. I 466.

Funck-Brentano, R. G. I 324.

Duboc, R. G. IV 402.

R. G. IV 696.

3. Neben den waffentragenden Soldaten geniessen aber auch (ab-
gesehen vom Staatsoberhaupte und seiner Familie) die zur Kriegsmacht
gehörenden und ihrer Disziplin unterworfenen, sowie die von ihr zu-
gelassenen Nichtkombattanten die Vorrechte des Soldatenstandes.

Hierher gehören die Militärbeamten mit Einschluss der Feld-
geistlichen; die zugelassenen Vertreter fremder Mächte; die Zeitungs-
korrespondenten, Lieferanten, Marketender; aber auch die bei dem
Heer dienstlich weilenden nichtmilitärischen Beamten des krieg-
führenden Staates. Sie unterliegen vorübergehender Gefangen-
nahme; der Waffengebrauch dagegen ist ihnen und gegen sie
untersagt.

4. Parlamentäre, die zur Führung von Unterhandlungen zu-
gelassen werden, sind so lange unverletzlich, als sie ihre Rechtsstel-
lung nicht missbrauchen.

5. Spione werden nach Standrecht gerichtet, feindliche Kund-
schafter nach Völkerrecht behandelt, eventuell zu Kriegsgefangenen
gemacht.


§ 40. Die einzelnen Kriegsrechtssätze.
Vereinbarung ausgerüstete Kaper würde völkerrechtlich dennoch als
solcher, und nicht als Seeräuber zu behandeln sein (oben § 29 III);
denn für die Verletzung des Vertrages hat nicht der Kaper, sondern
die ihn verwendende Regierung aufzukommen.

Soweit dagegen staatliche Kriegsschiffe durch Beiträge einzelner
Staatsbürger erbaut und ausgerüstet werden, oder soweit Handels-
schiffe freiwillig sich vollständig in den Dienst der Kriegsmarine
ihres Staates stellen, gehören sie zur organisierten Seewehr. Die
Abgrenzung kann Schwierigkeiten bereiten. Die von Preuſsen 1870
(vgl. den Erlaſs vom 24. Juli) geplante deutsche freiwillige Flotte
hätte nicht im Widerspruch zur Pariser Deklaration gestanden;
der gegen diesen Plan von Frankreich erhobene Protest wurde auch
von den englischen Kronjuristen für unbegründet erklärt. Dasselbe
gilt von der 1878 geschaffenen russischen freiwilligen Kreuzerflotte.

Vgl. Perels, L. A. I 466.

Funck-Brentano, R. G. I 324.

Duboc, R. G. IV 402.

R. G. IV 696.

3. Neben den waffentragenden Soldaten genieſsen aber auch (ab-
gesehen vom Staatsoberhaupte und seiner Familie) die zur Kriegsmacht
gehörenden und ihrer Disziplin unterworfenen, sowie die von ihr zu-
gelassenen Nichtkombattanten die Vorrechte des Soldatenstandes.

Hierher gehören die Militärbeamten mit Einschluſs der Feld-
geistlichen; die zugelassenen Vertreter fremder Mächte; die Zeitungs-
korrespondenten, Lieferanten, Marketender; aber auch die bei dem
Heer dienstlich weilenden nichtmilitärischen Beamten des krieg-
führenden Staates. Sie unterliegen vorübergehender Gefangen-
nahme; der Waffengebrauch dagegen ist ihnen und gegen sie
untersagt.

4. Parlamentäre, die zur Führung von Unterhandlungen zu-
gelassen werden, sind so lange unverletzlich, als sie ihre Rechtsstel-
lung nicht miſsbrauchen.

5. Spione werden nach Standrecht gerichtet, feindliche Kund-
schafter nach Völkerrecht behandelt, eventuell zu Kriegsgefangenen
gemacht.


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[221/0243] § 40. Die einzelnen Kriegsrechtssätze. Vereinbarung ausgerüstete Kaper würde völkerrechtlich dennoch als solcher, und nicht als Seeräuber zu behandeln sein (oben § 29 III); denn für die Verletzung des Vertrages hat nicht der Kaper, sondern die ihn verwendende Regierung aufzukommen. Soweit dagegen staatliche Kriegsschiffe durch Beiträge einzelner Staatsbürger erbaut und ausgerüstet werden, oder soweit Handels- schiffe freiwillig sich vollständig in den Dienst der Kriegsmarine ihres Staates stellen, gehören sie zur organisierten Seewehr. Die Abgrenzung kann Schwierigkeiten bereiten. Die von Preuſsen 1870 (vgl. den Erlaſs vom 24. Juli) geplante deutsche freiwillige Flotte hätte nicht im Widerspruch zur Pariser Deklaration gestanden; der gegen diesen Plan von Frankreich erhobene Protest wurde auch von den englischen Kronjuristen für unbegründet erklärt. Dasselbe gilt von der 1878 geschaffenen russischen freiwilligen Kreuzerflotte. Vgl. Perels, L. A. I 466. Funck-Brentano, R. G. I 324. Duboc, R. G. IV 402. R. G. IV 696. 3. Neben den waffentragenden Soldaten genieſsen aber auch (ab- gesehen vom Staatsoberhaupte und seiner Familie) die zur Kriegsmacht gehörenden und ihrer Disziplin unterworfenen, sowie die von ihr zu- gelassenen Nichtkombattanten die Vorrechte des Soldatenstandes. Hierher gehören die Militärbeamten mit Einschluſs der Feld- geistlichen; die zugelassenen Vertreter fremder Mächte; die Zeitungs- korrespondenten, Lieferanten, Marketender; aber auch die bei dem Heer dienstlich weilenden nichtmilitärischen Beamten des krieg- führenden Staates. Sie unterliegen vorübergehender Gefangen- nahme; der Waffengebrauch dagegen ist ihnen und gegen sie untersagt. 4. Parlamentäre, die zur Führung von Unterhandlungen zu- gelassen werden, sind so lange unverletzlich, als sie ihre Rechtsstel- lung nicht miſsbrauchen. 5. Spione werden nach Standrecht gerichtet, feindliche Kund- schafter nach Völkerrecht behandelt, eventuell zu Kriegsgefangenen gemacht.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/243>, abgerufen am 24.04.2024.