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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
Staatsverträge einzelner Staaten das Embargo ausgeschlossen oder
beschränkt (oben S. 134). -- Über Repressalien im Kriege unten § 40 III.

3. Eine nichtkriegerische Gewaltsmassregel ist ferner die fried-
liche Blokade (der blocus pacifique), die seit den ersten Jahrzehnten
dieses Jahrhunderts von den grösseren Seemächten wiederholt ange-
wendet worden ist, um kleinere Staaten zur Einhaltung ihrer Ver-
pflichtungen anzuhalten.

Besonders die Türkei (zuerst 1827) sowie Griechenland sind
wiederholt von den Grossmächten blokiert worden. Viel besprochen
wurde die Blokade Formosas durch Frankreich 1885. Ganz eigen-
artig war die Blokierung Kretas 1897. Der Begriff, die Voraus-
setzungen und die Wirkung der friedlichen Blokade sind dieselben
wie die der kriegerischen Blokade (darüber unten § 42 II).

Die Wirkung der Blokade kann aber auch (wie das 1886
bei der Blokierung Griechenlands durch Deutschland, Österreich
Italien, Russland und England der Fall war) darauf beschränkt
werden, dass nur den Schiffen des blokierten Staates der Seeverkehr
untersagt wird, während er für die Schiffe der neutralen Mächte
frei bleibt. Dann erscheint die Blokade als ein Anwendungsfall
der nichtkriegerischen Intervention.

Die rechtliche Zulässigkeit der Blokade ist in der Litteratur
wiederholt (auch von Blumerincq und Ullmann), aber bisher
ohne Erfolg, bestritten worden.

Vgl. die Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht 1887.

Godey, La mer cotiere 1896.

Falcke, Die Hauptperioden der sogenannten friedlichen Blokade (1827 bis
1850). 1891.

4. Als eine nichtkriegerische Gewaltmassregel kann auch die
Intervention dritter Mächte
(oben § 7 II) sich darstellen.

Hierher gehört insbesondere die vollständige oder teilweise
Besetzung des Gebiets des im Unrecht befindlichen Staates. Als
Beispiel diene die Okkupation von Kreta durch die Grossmächte im
Jahre 1897.

IV.

Das äusserste Mittel zur Durchsetzung eines wirklichen oder
vermeintlichen Anspruches, die ultima ratio zur Erledigung völker-
rechtlicher Streitigkeiten, bleibt auch im heutigen Völkerrecht der Krieg.


IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
Staatsverträge einzelner Staaten das Embargo ausgeschlossen oder
beschränkt (oben S. 134). — Über Repressalien im Kriege unten § 40 III.

3. Eine nichtkriegerische Gewaltsmaſsregel ist ferner die fried-
liche Blokade (der blocus pacifique), die seit den ersten Jahrzehnten
dieses Jahrhunderts von den gröſseren Seemächten wiederholt ange-
wendet worden ist, um kleinere Staaten zur Einhaltung ihrer Ver-
pflichtungen anzuhalten.

Besonders die Türkei (zuerst 1827) sowie Griechenland sind
wiederholt von den Groſsmächten blokiert worden. Viel besprochen
wurde die Blokade Formosas durch Frankreich 1885. Ganz eigen-
artig war die Blokierung Kretas 1897. Der Begriff, die Voraus-
setzungen und die Wirkung der friedlichen Blokade sind dieselben
wie die der kriegerischen Blokade (darüber unten § 42 II).

Die Wirkung der Blokade kann aber auch (wie das 1886
bei der Blokierung Griechenlands durch Deutschland, Österreich
Italien, Ruſsland und England der Fall war) darauf beschränkt
werden, daſs nur den Schiffen des blokierten Staates der Seeverkehr
untersagt wird, während er für die Schiffe der neutralen Mächte
frei bleibt. Dann erscheint die Blokade als ein Anwendungsfall
der nichtkriegerischen Intervention.

Die rechtliche Zulässigkeit der Blokade ist in der Litteratur
wiederholt (auch von Blumerincq und Ullmann), aber bisher
ohne Erfolg, bestritten worden.

Vgl. die Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht 1887.

Godey, La mer côtière 1896.

Falcke, Die Hauptperioden der sogenannten friedlichen Blokade (1827 bis
1850). 1891.

4. Als eine nichtkriegerische Gewaltmaſsregel kann auch die
Intervention dritter Mächte
(oben § 7 II) sich darstellen.

Hierher gehört insbesondere die vollständige oder teilweise
Besetzung des Gebiets des im Unrecht befindlichen Staates. Als
Beispiel diene die Okkupation von Kreta durch die Groſsmächte im
Jahre 1897.

IV.

Das äuſserste Mittel zur Durchsetzung eines wirklichen oder
vermeintlichen Anspruches, die ultima ratio zur Erledigung völker-
rechtlicher Streitigkeiten, bleibt auch im heutigen Völkerrecht der Krieg.


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[206/0228] IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung. Staatsverträge einzelner Staaten das Embargo ausgeschlossen oder beschränkt (oben S. 134). — Über Repressalien im Kriege unten § 40 III. 3. Eine nichtkriegerische Gewaltsmaſsregel ist ferner die fried- liche Blokade (der blocus pacifique), die seit den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts von den gröſseren Seemächten wiederholt ange- wendet worden ist, um kleinere Staaten zur Einhaltung ihrer Ver- pflichtungen anzuhalten. Besonders die Türkei (zuerst 1827) sowie Griechenland sind wiederholt von den Groſsmächten blokiert worden. Viel besprochen wurde die Blokade Formosas durch Frankreich 1885. Ganz eigen- artig war die Blokierung Kretas 1897. Der Begriff, die Voraus- setzungen und die Wirkung der friedlichen Blokade sind dieselben wie die der kriegerischen Blokade (darüber unten § 42 II). Die Wirkung der Blokade kann aber auch (wie das 1886 bei der Blokierung Griechenlands durch Deutschland, Österreich Italien, Ruſsland und England der Fall war) darauf beschränkt werden, daſs nur den Schiffen des blokierten Staates der Seeverkehr untersagt wird, während er für die Schiffe der neutralen Mächte frei bleibt. Dann erscheint die Blokade als ein Anwendungsfall der nichtkriegerischen Intervention. Die rechtliche Zulässigkeit der Blokade ist in der Litteratur wiederholt (auch von Blumerincq und Ullmann), aber bisher ohne Erfolg, bestritten worden. Vgl. die Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht 1887. Godey, La mer côtière 1896. Falcke, Die Hauptperioden der sogenannten friedlichen Blokade (1827 bis 1850). 1891. 4. Als eine nichtkriegerische Gewaltmaſsregel kann auch die Intervention dritter Mächte (oben § 7 II) sich darstellen. Hierher gehört insbesondere die vollständige oder teilweise Besetzung des Gebiets des im Unrecht befindlichen Staates. Als Beispiel diene die Okkupation von Kreta durch die Groſsmächte im Jahre 1897. IV. Das äuſserste Mittel zur Durchsetzung eines wirklichen oder vermeintlichen Anspruches, die ultima ratio zur Erledigung völker- rechtlicher Streitigkeiten, bleibt auch im heutigen Völkerrecht der Krieg.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/228>, abgerufen am 24.04.2024.