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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 27. Die Binnenschiffahrt u. d. internationalen Ströme u. Kanäle.

Solche besondere Vereinbarungen sind getroffen worden: für
den Rhein und seine Nebenflüsse, für die Maas, Schelde, Elbe
(Aufhebung des Elbzolles durch den norddeutsch-österreichischen Ver-
trag vom 22. Juni 1870, R. G. Bl. 1870 S. 417), die Weser, Oder,
Weichsel, den Niemen, Pruth, Po (der, obwohl zum italienischen
Strom geworden, doch unter den Rechtsregeln der internationalen
Ströme geblieben ist), den Duero, Tajo und ganz besonders für
die Donau; ferner für verschiedene nord- und südamerikanische
Ströme, so insbesondere für den Rio de la Plata (Vertrag zwischen
Argentinien, Grossbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten
vom 10. Juli 1853), während die übrigen amerikanischen Ver-
einbarungen sich meist mit der Wahrung der Rechte der Uferstaaten
begnügen; endlich in jüngster Zeit auch für den Kongo und den
Niger. Ergänzend greifen Verträge über die Schiffahrt auf den
Binnenseeen ein; ein Beispiel bieten die Bestimmungen des
Züricher Friedens vom 11. November 1859 über den Gardasee.

Die Durchführung des Grundsatzes setzt besondere Vereinbarungen
für die einzelnen Ströme voraus, die daher auch "konventionelle"
Ströme genannt werden. Der Inhalt dieser Vereinbarungen geht im
allgemeinen dahin:

1. Die Gebietshoheit der Uferstaaten bleibt bestehen. Diese
haben für die Erhaltung des Fahrwassers, des Leinpfades u. s. w., über-
haupt der Schiffbarkeit des Stromes, zu sorgen und die Schiffahrts-
ordnungen festzustellen.
2. Die Schiffahrt steht den Schiffen aller Flaggen (nicht nur
der Uferstaaten) offen. Abgaben dürfen nur insoweit erhoben werden,
als sie Gegenleistungen für die zur Erhaltung der Schiffbarkeit oder
zur Erleichterung des Verkehrs gemachten Aufwendungen sind.
3. Mehrfach sind neben der Kommission der Uferstaaten allge-
meine, sogenannte "europäische" Kommissionen eingesetzt worden,
um gegenüber den Uferstaaten im allgemeinen Interesse über die
Durchführung der Schiffahrtsfreiheit zu wachen.
4. Dazu tritt mehr und mehr die sogenannte "Neutralisierung"
der Ströme selbst, der zur Erhaltung der Schiffbarkeit errichteten
Anstalten und der überwachenden Kommissionsmitglieder.

§ 27. Die Binnenschiffahrt u. d. internationalen Ströme u. Kanäle.

Solche besondere Vereinbarungen sind getroffen worden: für
den Rhein und seine Nebenflüsse, für die Maas, Schelde, Elbe
(Aufhebung des Elbzolles durch den norddeutsch-österreichischen Ver-
trag vom 22. Juni 1870, R. G. Bl. 1870 S. 417), die Weser, Oder,
Weichsel, den Niemen, Pruth, Po (der, obwohl zum italienischen
Strom geworden, doch unter den Rechtsregeln der internationalen
Ströme geblieben ist), den Duero, Tajo und ganz besonders für
die Donau; ferner für verschiedene nord- und südamerikanische
Ströme, so insbesondere für den Rio de la Plata (Vertrag zwischen
Argentinien, Groſsbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten
vom 10. Juli 1853), während die übrigen amerikanischen Ver-
einbarungen sich meist mit der Wahrung der Rechte der Uferstaaten
begnügen; endlich in jüngster Zeit auch für den Kongo und den
Niger. Ergänzend greifen Verträge über die Schiffahrt auf den
Binnenseeen ein; ein Beispiel bieten die Bestimmungen des
Züricher Friedens vom 11. November 1859 über den Gardasee.

Die Durchführung des Grundsatzes setzt besondere Vereinbarungen
für die einzelnen Ströme voraus, die daher auch „konventionelle“
Ströme genannt werden. Der Inhalt dieser Vereinbarungen geht im
allgemeinen dahin:

1. Die Gebietshoheit der Uferstaaten bleibt bestehen. Diese
haben für die Erhaltung des Fahrwassers, des Leinpfades u. s. w., über-
haupt der Schiffbarkeit des Stromes, zu sorgen und die Schiffahrts-
ordnungen festzustellen.
2. Die Schiffahrt steht den Schiffen aller Flaggen (nicht nur
der Uferstaaten) offen. Abgaben dürfen nur insoweit erhoben werden,
als sie Gegenleistungen für die zur Erhaltung der Schiffbarkeit oder
zur Erleichterung des Verkehrs gemachten Aufwendungen sind.
3. Mehrfach sind neben der Kommission der Uferstaaten allge-
meine, sogenannte „europäische“ Kommissionen eingesetzt worden,
um gegenüber den Uferstaaten im allgemeinen Interesse über die
Durchführung der Schiffahrtsfreiheit zu wachen.
4. Dazu tritt mehr und mehr die sogenannte „Neutralisierung“
der Ströme selbst, der zur Erhaltung der Schiffbarkeit errichteten
Anstalten und der überwachenden Kommissionsmitglieder.

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[149/0171] § 27. Die Binnenschiffahrt u. d. internationalen Ströme u. Kanäle. Solche besondere Vereinbarungen sind getroffen worden: für den Rhein und seine Nebenflüsse, für die Maas, Schelde, Elbe (Aufhebung des Elbzolles durch den norddeutsch-österreichischen Ver- trag vom 22. Juni 1870, R. G. Bl. 1870 S. 417), die Weser, Oder, Weichsel, den Niemen, Pruth, Po (der, obwohl zum italienischen Strom geworden, doch unter den Rechtsregeln der internationalen Ströme geblieben ist), den Duero, Tajo und ganz besonders für die Donau; ferner für verschiedene nord- und südamerikanische Ströme, so insbesondere für den Rio de la Plata (Vertrag zwischen Argentinien, Groſsbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten vom 10. Juli 1853), während die übrigen amerikanischen Ver- einbarungen sich meist mit der Wahrung der Rechte der Uferstaaten begnügen; endlich in jüngster Zeit auch für den Kongo und den Niger. Ergänzend greifen Verträge über die Schiffahrt auf den Binnenseeen ein; ein Beispiel bieten die Bestimmungen des Züricher Friedens vom 11. November 1859 über den Gardasee. Die Durchführung des Grundsatzes setzt besondere Vereinbarungen für die einzelnen Ströme voraus, die daher auch „konventionelle“ Ströme genannt werden. Der Inhalt dieser Vereinbarungen geht im allgemeinen dahin: 1. Die Gebietshoheit der Uferstaaten bleibt bestehen. Diese haben für die Erhaltung des Fahrwassers, des Leinpfades u. s. w., über- haupt der Schiffbarkeit des Stromes, zu sorgen und die Schiffahrts- ordnungen festzustellen. 2. Die Schiffahrt steht den Schiffen aller Flaggen (nicht nur der Uferstaaten) offen. Abgaben dürfen nur insoweit erhoben werden, als sie Gegenleistungen für die zur Erhaltung der Schiffbarkeit oder zur Erleichterung des Verkehrs gemachten Aufwendungen sind. 3. Mehrfach sind neben der Kommission der Uferstaaten allge- meine, sogenannte „europäische“ Kommissionen eingesetzt worden, um gegenüber den Uferstaaten im allgemeinen Interesse über die Durchführung der Schiffahrtsfreiheit zu wachen. 4. Dazu tritt mehr und mehr die sogenannte „Neutralisierung“ der Ströme selbst, der zur Erhaltung der Schiffbarkeit errichteten Anstalten und der überwachenden Kommissionsmitglieder.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/171>, abgerufen am 28.03.2024.