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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 16. Die Organe der Völkerrechtsgemeinschaft.

gegrenzter gemeinsamer Interessen von einer grösseren oder kleineren
Staatengruppe berufen, mithin kraft internationalen Auftrags, als
wirklich internationale Ämter erscheinen.

Hierher gehören in erster Linie, ihrer zeitlichen Entstehung
nach, die Internationalen Flusskommissionen, wie sie zur Überwachung
der freien Schiffahrt auf den konventionellen Strömen
(unten § 27 II)
eingesetzt worden sind. Zu erwähnen sind in diesem Zusammen-
hange:

1. Die Europäische Donaukommission, bestehend aus Vertretern
der Grossmächte, eingesetzt 1856,
der durch den Berliner Vertrag
von 1878 die volle Unabhängigkeit von der Landesgewalt zuge-
sichert wurde. Nach der Zusatzakte zur Schiffahrtsakte für die
Donaumündungen vom 28. Mai 1881 (R. G. Bl. 1882 S. 61) ernennt
die Europäische Kommission den Schiffahrtsinspektor der unteren
Donau (Inspecteur de la navigation du Bas-Danube), der von einem
Kanzler und den Aufsehern für die verschiedenen Flusssektionen
unterstützt wird, sowie den Kapitän des Hafens von Sulina und
dessen ganzes Unterpersonal, und zwar mit Stimmenmehrheit und
ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit. Der Inspektor und
der Hafenkapitän haben die Gerichtsbarkeit erster Instanz bei allen
Übertretungen der Schiffahrtspolizei; ihr Urteil wird im Namen
der Europäischen Kommission gefällt. Alle Beamten und Arbeiter
der Europäischen Kommission haben das Recht, ein besonderes
Abzeichen zu tragen (auf blauem Feld die Buchstaben C. E. D.)
und auf allen Bauten und Schiffen der Kommission kann deren
eigene Flagge ausschliesslich geführt werden.

2. Die durch die Kongoschiffahrtsakte vom 26. Februar 1885 vor-
gesehene Internationale Kommission,
welche die Ausführung der Akte
zu überwachen hat. Diese Kommission hat das Mandat von den
sämtlichen Signatarmächten der Kongokonferenz.

3. Die Vertreter der Mächte in Egypten bilden eine besondere
Internationale Kommission, welche die Ausführung des Vertrags vom
29. Oktober 1888 über die Neutralisierung des Suezkanals zu über-
wachen hat
(unten § 27 IV).

III.

Eine ähnliche Stellung, aber mit beschränkterem Auftrag nehmen
die Internationalen Sanitätskommissionen ein.


§ 16. Die Organe der Völkerrechtsgemeinschaft.

gegrenzter gemeinsamer Interessen von einer gröſseren oder kleineren
Staatengruppe berufen, mithin kraft internationalen Auftrags, als
wirklich internationale Ämter erscheinen.

Hierher gehören in erster Linie, ihrer zeitlichen Entstehung
nach, die Internationalen Fluſskommissionen, wie sie zur Überwachung
der freien Schiffahrt auf den konventionellen Strömen
(unten § 27 II)
eingesetzt worden sind. Zu erwähnen sind in diesem Zusammen-
hange:

1. Die Europäische Donaukommission, bestehend aus Vertretern
der Groſsmächte, eingesetzt 1856,
der durch den Berliner Vertrag
von 1878 die volle Unabhängigkeit von der Landesgewalt zuge-
sichert wurde. Nach der Zusatzakte zur Schiffahrtsakte für die
Donaumündungen vom 28. Mai 1881 (R. G. Bl. 1882 S. 61) ernennt
die Europäische Kommission den Schiffahrtsinspektor der unteren
Donau (Inspecteur de la navigation du Bas-Danube), der von einem
Kanzler und den Aufsehern für die verschiedenen Fluſssektionen
unterstützt wird, sowie den Kapitän des Hafens von Sulina und
dessen ganzes Unterpersonal, und zwar mit Stimmenmehrheit und
ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit. Der Inspektor und
der Hafenkapitän haben die Gerichtsbarkeit erster Instanz bei allen
Übertretungen der Schiffahrtspolizei; ihr Urteil wird im Namen
der Europäischen Kommission gefällt. Alle Beamten und Arbeiter
der Europäischen Kommission haben das Recht, ein besonderes
Abzeichen zu tragen (auf blauem Feld die Buchstaben C. E. D.)
und auf allen Bauten und Schiffen der Kommission kann deren
eigene Flagge ausschlieſslich geführt werden.

2. Die durch die Kongoschiffahrtsakte vom 26. Februar 1885 vor-
gesehene Internationale Kommission,
welche die Ausführung der Akte
zu überwachen hat. Diese Kommission hat das Mandat von den
sämtlichen Signatarmächten der Kongokonferenz.

3. Die Vertreter der Mächte in Egypten bilden eine besondere
Internationale Kommission, welche die Ausführung des Vertrags vom
29. Oktober 1888 über die Neutralisierung des Suezkanals zu über-
wachen hat
(unten § 27 IV).

III.

Eine ähnliche Stellung, aber mit beschränkterem Auftrag nehmen
die Internationalen Sanitätskommissionen ein.


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[93/0115] § 16. Die Organe der Völkerrechtsgemeinschaft. gegrenzter gemeinsamer Interessen von einer gröſseren oder kleineren Staatengruppe berufen, mithin kraft internationalen Auftrags, als wirklich internationale Ämter erscheinen. Hierher gehören in erster Linie, ihrer zeitlichen Entstehung nach, die Internationalen Fluſskommissionen, wie sie zur Überwachung der freien Schiffahrt auf den konventionellen Strömen (unten § 27 II) eingesetzt worden sind. Zu erwähnen sind in diesem Zusammen- hange: 1. Die Europäische Donaukommission, bestehend aus Vertretern der Groſsmächte, eingesetzt 1856, der durch den Berliner Vertrag von 1878 die volle Unabhängigkeit von der Landesgewalt zuge- sichert wurde. Nach der Zusatzakte zur Schiffahrtsakte für die Donaumündungen vom 28. Mai 1881 (R. G. Bl. 1882 S. 61) ernennt die Europäische Kommission den Schiffahrtsinspektor der unteren Donau (Inspecteur de la navigation du Bas-Danube), der von einem Kanzler und den Aufsehern für die verschiedenen Fluſssektionen unterstützt wird, sowie den Kapitän des Hafens von Sulina und dessen ganzes Unterpersonal, und zwar mit Stimmenmehrheit und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit. Der Inspektor und der Hafenkapitän haben die Gerichtsbarkeit erster Instanz bei allen Übertretungen der Schiffahrtspolizei; ihr Urteil wird im Namen der Europäischen Kommission gefällt. Alle Beamten und Arbeiter der Europäischen Kommission haben das Recht, ein besonderes Abzeichen zu tragen (auf blauem Feld die Buchstaben C. E. D.) und auf allen Bauten und Schiffen der Kommission kann deren eigene Flagge ausschlieſslich geführt werden. 2. Die durch die Kongoschiffahrtsakte vom 26. Februar 1885 vor- gesehene Internationale Kommission, welche die Ausführung der Akte zu überwachen hat. Diese Kommission hat das Mandat von den sämtlichen Signatarmächten der Kongokonferenz. 3. Die Vertreter der Mächte in Egypten bilden eine besondere Internationale Kommission, welche die Ausführung des Vertrags vom 29. Oktober 1888 über die Neutralisierung des Suezkanals zu über- wachen hat (unten § 27 IV). III. Eine ähnliche Stellung, aber mit beschränkterem Auftrag nehmen die Internationalen Sanitätskommissionen ein.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/115>, abgerufen am 18.04.2024.