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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Der Begriff der Handlung. §. 19.
gung vorgenommen wird; Begehung der eigentlichen Hand-
lung
: wichtig für die Frage nach dem Vorliegen der Schuld
(S. unten §. 25 V).

2. Den Zeitpunkt, in welchem der Erfolg eintritt: Voll-
endung des Verbrechens.

3. Den Zeitraum zwischen den beiden Zeitpunkten, das
Abrollen des durch die körperliche Bewegung in Bewegung
gesetzten Kausalzusammenhanges: die Begehung der Handlung
im weiteren, uneigentlichen Sinne, genauer: des Deliktes.
Da aber jene Zeitpunkte keine mathematischen sind, sondern
kleinere Zeiträume, müssen wir näher abgrenzen. Der mitt-
lere Zeitraum reicht von dem letzten körperlichen Akte bis
zu dem Augenblicke, in welchem der Kausalzusammen-
hang das Objekt trifft
(die Kugel in den fremden Körper
eindringt, der beleidigende Brief von dem Adressaten gelesen
wird). Dies führt uns auf die früher ausgesetzte (vgl. oben
§. 12 V und 13 VI) Beantwortung der Frage nach dem
Ort und der Zeit der begangenen That.2

IV. Die nach dem Kausalitätsgesetze wirkenden Naturkräfte
sind das Werkzeug in der Hand des Menschen, das Mittel
zur Verwirklichung seiner Zwecke. Der Mensch handelt
(das Wort im weiteren Sinne genommen), so lange diese
Kräfte wirken; er hat gehandelt, so bald sie ihr Ziel
erreichten
. Freilich wirken die Naturkräfte vielleicht noch
in dem getroffenen Objekte fort; die tödtliche Wunde führt

2 [Spaltenumbruch] Eine der bestrittensten Fra-
gen. Aehnlich wie im Texte
Haeberlin in GA. Bd. XXV.
Lehrbb. und Kommentare des
Strafr. u. StProzeßrechts be-
handeln die Frage bei der Lehre[Spaltenumbruch] von der räumlichen und zeit-
lichen Herrschaft der Strafge-
setze, bez. vom Gerichtsstande
der begangenen That. Vgl. auch
Hälschner GS. XXX.

Der Begriff der Handlung. §. 19.
gung vorgenommen wird; Begehung der eigentlichen Hand-
lung
: wichtig für die Frage nach dem Vorliegen der Schuld
(S. unten §. 25 V).

2. Den Zeitpunkt, in welchem der Erfolg eintritt: Voll-
endung des Verbrechens.

3. Den Zeitraum zwiſchen den beiden Zeitpunkten, das
Abrollen des durch die körperliche Bewegung in Bewegung
geſetzten Kauſalzuſammenhanges: die Begehung der Handlung
im weiteren, uneigentlichen Sinne, genauer: des Deliktes.
Da aber jene Zeitpunkte keine mathematiſchen ſind, ſondern
kleinere Zeiträume, müſſen wir näher abgrenzen. Der mitt-
lere Zeitraum reicht von dem letzten körperlichen Akte bis
zu dem Augenblicke, in welchem der Kauſalzuſammen-
hang das Objekt trifft
(die Kugel in den fremden Körper
eindringt, der beleidigende Brief von dem Adreſſaten geleſen
wird). Dies führt uns auf die früher ausgeſetzte (vgl. oben
§. 12 V und 13 VI) Beantwortung der Frage nach dem
Ort und der Zeit der begangenen That.2

IV. Die nach dem Kauſalitätsgeſetze wirkenden Naturkräfte
ſind das Werkzeug in der Hand des Menſchen, das Mittel
zur Verwirklichung ſeiner Zwecke. Der Menſch handelt
(das Wort im weiteren Sinne genommen), ſo lange dieſe
Kräfte wirken; er hat gehandelt, ſo bald ſie ihr Ziel
erreichten
. Freilich wirken die Naturkräfte vielleicht noch
in dem getroffenen Objekte fort; die tödtliche Wunde führt

2 [Spaltenumbruch] Eine der beſtrittenſten Fra-
gen. Aehnlich wie im Texte
Haeberlin in GA. Bd. XXV.
Lehrbb. und Kommentare des
Strafr. u. StProzeßrechts be-
handeln die Frage bei der Lehre[Spaltenumbruch] von der räumlichen und zeit-
lichen Herrſchaft der Strafge-
ſetze, bez. vom Gerichtsſtande
der begangenen That. Vgl. auch
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[73/0099] Der Begriff der Handlung. §. 19. gung vorgenommen wird; Begehung der eigentlichen Hand- lung: wichtig für die Frage nach dem Vorliegen der Schuld (S. unten §. 25 V). 2. Den Zeitpunkt, in welchem der Erfolg eintritt: Voll- endung des Verbrechens. 3. Den Zeitraum zwiſchen den beiden Zeitpunkten, das Abrollen des durch die körperliche Bewegung in Bewegung geſetzten Kauſalzuſammenhanges: die Begehung der Handlung im weiteren, uneigentlichen Sinne, genauer: des Deliktes. Da aber jene Zeitpunkte keine mathematiſchen ſind, ſondern kleinere Zeiträume, müſſen wir näher abgrenzen. Der mitt- lere Zeitraum reicht von dem letzten körperlichen Akte bis zu dem Augenblicke, in welchem der Kauſalzuſammen- hang das Objekt trifft (die Kugel in den fremden Körper eindringt, der beleidigende Brief von dem Adreſſaten geleſen wird). Dies führt uns auf die früher ausgeſetzte (vgl. oben §. 12 V und 13 VI) Beantwortung der Frage nach dem Ort und der Zeit der begangenen That. 2 IV. Die nach dem Kauſalitätsgeſetze wirkenden Naturkräfte ſind das Werkzeug in der Hand des Menſchen, das Mittel zur Verwirklichung ſeiner Zwecke. Der Menſch handelt (das Wort im weiteren Sinne genommen), ſo lange dieſe Kräfte wirken; er hat gehandelt, ſo bald ſie ihr Ziel erreichten. Freilich wirken die Naturkräfte vielleicht noch in dem getroffenen Objekte fort; die tödtliche Wunde führt 2 Eine der beſtrittenſten Fra- gen. Aehnlich wie im Texte Haeberlin in GA. Bd. XXV. Lehrbb. und Kommentare des Strafr. u. StProzeßrechts be- handeln die Frage bei der Lehre von der räumlichen und zeit- lichen Herrſchaft der Strafge- ſetze, bez. vom Gerichtsſtande der begangenen That. Vgl. auch Hälſchner GS. XXX.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/99>, abgerufen am 28.03.2024.