Handlung im weiteren Sinne. Die Vorstellung des durch die Körperbewegung hervorzurufenden Erfolges ist das we- sentliche Merkmal im Begriffe des Vorsatzes; einem Be- griffe, der mit dem des Willens nicht verwechselt werden darf.
Je nach der Verschiedenheit der durch die Handlung übertretenen Normen gestaltet sich der Erfolg äußerlich ver- schieden.
a) Bei Uebertretung der allgemeinen, das Rechtsgut un- mittelbar schützenden negativen Normen (vgl. oben §. 3 II 1) besteht der Erfolg nicht nur in dem Uebertretensein der Norm, sondern auch in der Verletzung, Gefährdung oder dem Angegriffensein des geschützten Rechtsgutes.
b) Bei den zum mittelbaren Rechtsgüterschutze dienenden Gehorsams- und Ungehorsamsnormen dagegen (vgl. oben §. 3 II 2 und 3) besteht der Erfolg der normwidrigen Handlung wesentlich nur darin, daß die Norm über- treten, ein von derselben nicht gewollter Zustand herbeige- führt ist.
Man hat nach dieser Verschiedenheit des Erfolges wohl zwischen Erfolgs- und Nichterfolgsdelikten, Rechts- und Ge- setzesverbrechen, materiellen und formellen Delikten unter- schieden. Doch haben alle diese Unterscheidungen wenig Wert.
III. Wir können demnach bei der Handlung im weiteren Sinne (der "erweiterten Handlungsreihe" nach Zitelmann) drei -- allerdings nicht immer scharf von einander zu tren- nende -- Stadien unterscheiden, von welchen jedes nach einer anderen Richtung hin von strafrechtlicher Bedeu- tung ist:
1. den Zeitpunkt, in welchem die körperliche Bewe-
Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.
Handlung im weiteren Sinne. Die Vorſtellung des durch die Körperbewegung hervorzurufenden Erfolges iſt das we- ſentliche Merkmal im Begriffe des Vorſatzes; einem Be- griffe, der mit dem des Willens nicht verwechſelt werden darf.
Je nach der Verſchiedenheit der durch die Handlung übertretenen Normen geſtaltet ſich der Erfolg äußerlich ver- ſchieden.
a) Bei Uebertretung der allgemeinen, das Rechtsgut un- mittelbar ſchützenden negativen Normen (vgl. oben §. 3 II 1) beſteht der Erfolg nicht nur in dem Uebertretenſein der Norm, ſondern auch in der Verletzung, Gefährdung oder dem Angegriffenſein des geſchützten Rechtsgutes.
b) Bei den zum mittelbaren Rechtsgüterſchutze dienenden Gehorſams- und Ungehorſamsnormen dagegen (vgl. oben §. 3 II 2 und 3) beſteht der Erfolg der normwidrigen Handlung weſentlich nur darin, daß die Norm über- treten, ein von derſelben nicht gewollter Zuſtand herbeige- führt iſt.
Man hat nach dieſer Verſchiedenheit des Erfolges wohl zwiſchen Erfolgs- und Nichterfolgsdelikten, Rechts- und Ge- ſetzesverbrechen, materiellen und formellen Delikten unter- ſchieden. Doch haben alle dieſe Unterſcheidungen wenig Wert.
III. Wir können demnach bei der Handlung im weiteren Sinne (der „erweiterten Handlungsreihe“ nach Zitelmann) drei — allerdings nicht immer ſcharf von einander zu tren- nende — Stadien unterſcheiden, von welchen jedes nach einer anderen Richtung hin von ſtrafrechtlicher Bedeu- tung iſt:
1. den Zeitpunkt, in welchem die körperliche Bewe-
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Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.
Handlung im weiteren Sinne. Die Vorſtellung des durch
die Körperbewegung hervorzurufenden Erfolges iſt das we-
ſentliche Merkmal im Begriffe des Vorſatzes; einem Be-
griffe, der mit dem des Willens nicht verwechſelt werden
darf.
Je nach der Verſchiedenheit der durch die Handlung
übertretenen Normen geſtaltet ſich der Erfolg äußerlich ver-
ſchieden.
a) Bei Uebertretung der allgemeinen, das Rechtsgut un-
mittelbar ſchützenden negativen Normen (vgl. oben §. 3 II 1)
beſteht der Erfolg nicht nur in dem Uebertretenſein der
Norm, ſondern auch in der Verletzung, Gefährdung oder
dem Angegriffenſein des geſchützten Rechtsgutes.
b) Bei den zum mittelbaren Rechtsgüterſchutze dienenden
Gehorſams- und Ungehorſamsnormen dagegen (vgl. oben
§. 3 II 2 und 3) beſteht der Erfolg der normwidrigen
Handlung weſentlich nur darin, daß die Norm über-
treten, ein von derſelben nicht gewollter Zuſtand herbeige-
führt iſt.
Man hat nach dieſer Verſchiedenheit des Erfolges wohl
zwiſchen Erfolgs- und Nichterfolgsdelikten, Rechts- und Ge-
ſetzesverbrechen, materiellen und formellen Delikten unter-
ſchieden. Doch haben alle dieſe Unterſcheidungen wenig
Wert.
III. Wir können demnach bei der Handlung im weiteren
Sinne (der „erweiterten Handlungsreihe“ nach Zitelmann)
drei — allerdings nicht immer ſcharf von einander zu tren-
nende — Stadien unterſcheiden, von welchen jedes nach
einer anderen Richtung hin von ſtrafrechtlicher Bedeu-
tung iſt:
1. den Zeitpunkt, in welchem die körperliche Bewe-
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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/98>, abgerufen am 29.03.2024.
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