Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Einteilungen des Verbrechens. §. 18.
die von jeher dem deutschen Rechte eigene und allein natur-
gemäße weil einfache Zweiteilung in schwere und leichte
Fälle preisgegeben. Die Vorteile, welche §. 1 StGB. in
redaktioneller Beziehung bietet, werden mehr als aufgewogen
durch die vielen und schweren Zweifel, welche bei der prak-
tischen Handhabung der Dreiteilung unvermeidlich sind; die
angebliche Vereinfachung der Kompetenzabgrenzung ist, wie
ein Blick auf das Gerichtsverfassungsgesetz lehrt, nicht ein-
getreten; und die oft (auch von Meyer) behauptete Not-
wendigkeit einer Mittelstufe wird durch den Umstand als
nicht vorhanden erwiesen, daß die Gesetzgebung selbst, wenn
sie Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen in der Behand-
lung unterscheidet,8 den Vergehen in weitaus den meisten
Fällen (Ausnahme beim Versuch, aber gerade hier in durch-
aus verfehlter Weise) keine selbständige Stellung einräumt,
sondern dieselben entweder mit den Verbrechen oder mit
den Uebertretungen der Herrschaft derselben Grundsätze
unterwirft.

Für die Anwendung der Dreiteilung sind folgende (fast
ohne Ausnahme bestrittene) Regeln zu merken:

1. Maßgebend ist nicht die zu erkennende, sondern die
angedrohte Strafe; und zwar bei alternativer Strafdrohung
die schwerste der angedrohten Strafen (eine mit "Gefäng-
nis oder Haft" bedrohte Handlung ist immer Vergehen).
Bei den, als Vielfaches eines absolut bestimmten Betrages
(insbesondere in den Zoll- und Steuergesetzen) angedrohten
Geldstrafen entscheidet das im konkreten Fall sich er-
gebende Maximum.

8 [Spaltenumbruch] Vgl. StGB. §§. 4, 6, 37;
40; 57 Nr. 4; 43, 49, 257;[Spaltenumbruch] 27, 29; 67; 74; 126, 240, 241;
151; 157 Nr. 1.

Einteilungen des Verbrechens. §. 18.
die von jeher dem deutſchen Rechte eigene und allein natur-
gemäße weil einfache Zweiteilung in ſchwere und leichte
Fälle preisgegeben. Die Vorteile, welche §. 1 StGB. in
redaktioneller Beziehung bietet, werden mehr als aufgewogen
durch die vielen und ſchweren Zweifel, welche bei der prak-
tiſchen Handhabung der Dreiteilung unvermeidlich ſind; die
angebliche Vereinfachung der Kompetenzabgrenzung iſt, wie
ein Blick auf das Gerichtsverfaſſungsgeſetz lehrt, nicht ein-
getreten; und die oft (auch von Meyer) behauptete Not-
wendigkeit einer Mittelſtufe wird durch den Umſtand als
nicht vorhanden erwieſen, daß die Geſetzgebung ſelbſt, wenn
ſie Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen in der Behand-
lung unterſcheidet,8 den Vergehen in weitaus den meiſten
Fällen (Ausnahme beim Verſuch, aber gerade hier in durch-
aus verfehlter Weiſe) keine ſelbſtändige Stellung einräumt,
ſondern dieſelben entweder mit den Verbrechen oder mit
den Uebertretungen der Herrſchaft derſelben Grundſätze
unterwirft.

Für die Anwendung der Dreiteilung ſind folgende (faſt
ohne Ausnahme beſtrittene) Regeln zu merken:

1. Maßgebend iſt nicht die zu erkennende, ſondern die
angedrohte Strafe; und zwar bei alternativer Strafdrohung
die ſchwerſte der angedrohten Strafen (eine mit „Gefäng-
nis oder Haft“ bedrohte Handlung iſt immer Vergehen).
Bei den, als Vielfaches eines abſolut beſtimmten Betrages
(insbeſondere in den Zoll- und Steuergeſetzen) angedrohten
Geldſtrafen entſcheidet das im konkreten Fall ſich er-
gebende Maximum.

8 [Spaltenumbruch] Vgl. StGB. §§. 4, 6, 37;
40; 57 Nr. 4; 43, 49, 257;[Spaltenumbruch] 27, 29; 67; 74; 126, 240, 241;
151; 157 Nr. 1.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0095" n="69"/><fw place="top" type="header">Einteilungen des Verbrechens. §. 18.</fw><lb/>
die von jeher dem deut&#x017F;chen Rechte eigene und allein natur-<lb/>
gemäße weil einfache Zweiteilung in &#x017F;chwere und leichte<lb/>
Fälle preisgegeben. Die Vorteile, welche §. 1 StGB. in<lb/>
redaktioneller Beziehung bietet, werden mehr als aufgewogen<lb/>
durch die vielen und &#x017F;chweren Zweifel, welche bei der prak-<lb/>
ti&#x017F;chen Handhabung der Dreiteilung unvermeidlich &#x017F;ind; die<lb/>
angebliche Vereinfachung der Kompetenzabgrenzung i&#x017F;t, wie<lb/>
ein Blick auf das Gerichtsverfa&#x017F;&#x017F;ungsge&#x017F;etz lehrt, nicht ein-<lb/>
getreten; und die oft (auch von <hi rendition="#g">Meyer</hi>) behauptete Not-<lb/>
wendigkeit einer Mittel&#x017F;tufe wird durch den Um&#x017F;tand als<lb/>
nicht vorhanden erwie&#x017F;en, daß die Ge&#x017F;etzgebung &#x017F;elb&#x017F;t, wenn<lb/>
&#x017F;ie Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen in der Behand-<lb/>
lung unter&#x017F;cheidet,<note place="foot" n="8"><cb/>
Vgl. StGB. §§. 4, 6, 37;<lb/>
40; 57 Nr. 4; 43, 49, 257;<cb/>
27, 29; 67; 74; 126, 240, 241;<lb/>
151; 157 Nr. 1.</note> den Vergehen in weitaus den mei&#x017F;ten<lb/>
Fällen (Ausnahme beim Ver&#x017F;uch, aber gerade hier in durch-<lb/>
aus verfehlter Wei&#x017F;e) keine &#x017F;elb&#x017F;tändige Stellung einräumt,<lb/>
&#x017F;ondern die&#x017F;elben entweder mit den Verbrechen oder mit<lb/>
den Uebertretungen der Herr&#x017F;chaft der&#x017F;elben Grund&#x017F;ätze<lb/>
unterwirft.</p><lb/>
              <p>Für die Anwendung der Dreiteilung &#x017F;ind folgende (fa&#x017F;t<lb/>
ohne Ausnahme be&#x017F;trittene) Regeln zu merken:</p><lb/>
              <p>1. Maßgebend i&#x017F;t nicht die zu erkennende, &#x017F;ondern die<lb/><hi rendition="#g">angedrohte</hi> Strafe; und zwar bei alternativer Strafdrohung<lb/>
die <hi rendition="#g">&#x017F;chwer&#x017F;te</hi> der angedrohten Strafen (eine mit &#x201E;Gefäng-<lb/>
nis oder Haft&#x201C; bedrohte Handlung i&#x017F;t immer Vergehen).<lb/>
Bei den, als Vielfaches eines ab&#x017F;olut be&#x017F;timmten Betrages<lb/>
(insbe&#x017F;ondere in den Zoll- und Steuerge&#x017F;etzen) angedrohten<lb/>
Geld&#x017F;trafen ent&#x017F;cheidet das im konkreten Fall &#x017F;ich er-<lb/>
gebende Maximum.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0095] Einteilungen des Verbrechens. §. 18. die von jeher dem deutſchen Rechte eigene und allein natur- gemäße weil einfache Zweiteilung in ſchwere und leichte Fälle preisgegeben. Die Vorteile, welche §. 1 StGB. in redaktioneller Beziehung bietet, werden mehr als aufgewogen durch die vielen und ſchweren Zweifel, welche bei der prak- tiſchen Handhabung der Dreiteilung unvermeidlich ſind; die angebliche Vereinfachung der Kompetenzabgrenzung iſt, wie ein Blick auf das Gerichtsverfaſſungsgeſetz lehrt, nicht ein- getreten; und die oft (auch von Meyer) behauptete Not- wendigkeit einer Mittelſtufe wird durch den Umſtand als nicht vorhanden erwieſen, daß die Geſetzgebung ſelbſt, wenn ſie Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen in der Behand- lung unterſcheidet, 8 den Vergehen in weitaus den meiſten Fällen (Ausnahme beim Verſuch, aber gerade hier in durch- aus verfehlter Weiſe) keine ſelbſtändige Stellung einräumt, ſondern dieſelben entweder mit den Verbrechen oder mit den Uebertretungen der Herrſchaft derſelben Grundſätze unterwirft. Für die Anwendung der Dreiteilung ſind folgende (faſt ohne Ausnahme beſtrittene) Regeln zu merken: 1. Maßgebend iſt nicht die zu erkennende, ſondern die angedrohte Strafe; und zwar bei alternativer Strafdrohung die ſchwerſte der angedrohten Strafen (eine mit „Gefäng- nis oder Haft“ bedrohte Handlung iſt immer Vergehen). Bei den, als Vielfaches eines abſolut beſtimmten Betrages (insbeſondere in den Zoll- und Steuergeſetzen) angedrohten Geldſtrafen entſcheidet das im konkreten Fall ſich er- gebende Maximum. 8 Vgl. StGB. §§. 4, 6, 37; 40; 57 Nr. 4; 43, 49, 257; 27, 29; 67; 74; 126, 240, 241; 151; 157 Nr. 1.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/95
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/95>, abgerufen am 28.03.2024.