Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch. I. Begriff und Einteilung.
widrige Handlung; darin liegt das für den Unterschied des
kriminellen vom civilen Unrecht maßgebende Merkmal. Ohne
Strafdrohung ist wol Delikt aber nicht Verbrechen denkbar.
(Fehlende Bedingung der Strafbarkeit als Grund für das
Nichtvorliegen eines Verbrechens.) Aber nur das Mit-Strafe-
bedroht-sein, nicht das Bestraft-werden ist von Bedeutung.
Das Verbrechen bleibt Verbrechen, auch wenn ein nachträg-
lich eintretender Strafaufhebungsgrund (thätige Reue,
Begnadigung usw.) die bereits vorhanden gewesene Straf-
barkeit wieder beseitigt; es bleibt Verbrechen, auch wenn aus
prozessualen Gründen (nach der That entstehende
Geisteskrankheit des Thäters usw.) die Geltendmachung des
staatlichen Strafanspruches unmöglich wird.

Die hervorgehobenen Merkmale des Verbrechens liefern
zugleich das Gerippe für die Darstellung der Lehre vom
Verbrechen.

§. 18.
Einteilungen des Verbrechens.

I. Die meisten der in der älteren Literatur vielbesproche-
nen Einteilungen der Verbrechen sind heute teils ohne jede
aktuelle Bedeutung, teils an anderer Stelle zu erörtern.

Auch die an sich hochwichtige Unterscheidung von poli-
tischen und nicht politischen
Verbrechen1 ist für das
Reichsstrafrecht als solches gegenstandslos geworden, nachdem
alle diesen Unterschied festhaltenden Reichsgesetze aufgehoben

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Binding Grund-
riß S. 54; dazu Wahlberg
in Grünhut's Zeitschr. Bd. VII,[Spaltenumbruch] Teichmann Revue de droit
international XI.

Erſtes Buch. I. Begriff und Einteilung.
widrige Handlung; darin liegt das für den Unterſchied des
kriminellen vom civilen Unrecht maßgebende Merkmal. Ohne
Strafdrohung iſt wol Delikt aber nicht Verbrechen denkbar.
(Fehlende Bedingung der Strafbarkeit als Grund für das
Nichtvorliegen eines Verbrechens.) Aber nur das Mit-Strafe-
bedroht-ſein, nicht das Beſtraft-werden iſt von Bedeutung.
Das Verbrechen bleibt Verbrechen, auch wenn ein nachträg-
lich eintretender Strafaufhebungsgrund (thätige Reue,
Begnadigung uſw.) die bereits vorhanden geweſene Straf-
barkeit wieder beſeitigt; es bleibt Verbrechen, auch wenn aus
prozeſſualen Gründen (nach der That entſtehende
Geiſteskrankheit des Thäters uſw.) die Geltendmachung des
ſtaatlichen Strafanſpruches unmöglich wird.

Die hervorgehobenen Merkmale des Verbrechens liefern
zugleich das Gerippe für die Darſtellung der Lehre vom
Verbrechen.

§. 18.
Einteilungen des Verbrechens.

I. Die meiſten der in der älteren Literatur vielbeſproche-
nen Einteilungen der Verbrechen ſind heute teils ohne jede
aktuelle Bedeutung, teils an anderer Stelle zu erörtern.

Auch die an ſich hochwichtige Unterſcheidung von poli-
tiſchen und nicht politiſchen
Verbrechen1 iſt für das
Reichsſtrafrecht als ſolches gegenſtandslos geworden, nachdem
alle dieſen Unterſchied feſthaltenden Reichsgeſetze aufgehoben

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Binding Grund-
riß S. 54; dazu Wahlberg
in Grünhut’s Zeitſchr. Bd. VII,[Spaltenumbruch] Teichmann Revue de droit
international XI.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0092" n="66"/><fw place="top" type="header">Er&#x017F;tes Buch. <hi rendition="#aq">I.</hi> Begriff und Einteilung.</fw><lb/>
widrige Handlung; darin liegt das für den Unter&#x017F;chied des<lb/>
kriminellen vom civilen Unrecht maßgebende Merkmal. Ohne<lb/>
Strafdrohung i&#x017F;t wol Delikt aber nicht Verbrechen denkbar.<lb/>
(Fehlende <hi rendition="#g">Bedingung der Strafbarkeit</hi> als Grund für das<lb/>
Nichtvorliegen eines Verbrechens.) Aber nur das Mit-Strafe-<lb/>
bedroht-&#x017F;ein, nicht das Be&#x017F;traft-werden i&#x017F;t von Bedeutung.<lb/>
Das Verbrechen bleibt Verbrechen, auch wenn ein nachträg-<lb/>
lich eintretender <hi rendition="#g">Strafaufhebungsgrund</hi> (thätige Reue,<lb/>
Begnadigung u&#x017F;w.) die bereits vorhanden gewe&#x017F;ene Straf-<lb/>
barkeit wieder be&#x017F;eitigt; es bleibt Verbrechen, auch wenn aus<lb/><hi rendition="#g">proze&#x017F;&#x017F;ualen Gründen</hi> (nach der That ent&#x017F;tehende<lb/>
Gei&#x017F;teskrankheit des Thäters u&#x017F;w.) die Geltendmachung des<lb/>
&#x017F;taatlichen Strafan&#x017F;pruches unmöglich wird.</p><lb/>
              <p>Die hervorgehobenen Merkmale des Verbrechens liefern<lb/>
zugleich das Gerippe für die Dar&#x017F;tellung der Lehre vom<lb/>
Verbrechen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 18.<lb/><hi rendition="#b">Einteilungen des Verbrechens.</hi></head><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">I.</hi> Die mei&#x017F;ten der in der älteren Literatur vielbe&#x017F;proche-<lb/>
nen Einteilungen der Verbrechen &#x017F;ind heute teils ohne jede<lb/>
aktuelle Bedeutung, teils an anderer Stelle zu erörtern.</p><lb/>
              <p>Auch die an &#x017F;ich hochwichtige Unter&#x017F;cheidung von <hi rendition="#g">poli-<lb/>
ti&#x017F;chen und nicht politi&#x017F;chen</hi> Verbrechen<note place="foot" n="1"><cb/>
Lit. bei <hi rendition="#g">Binding</hi> Grund-<lb/>
riß S. 54; dazu <hi rendition="#g">Wahlberg</hi><lb/>
in <hi rendition="#g">Grünhut</hi>&#x2019;s Zeit&#x017F;chr. Bd. <hi rendition="#aq">VII</hi>,<cb/> <hi rendition="#g">Teichmann</hi> <hi rendition="#aq">Revue de droit<lb/>
international XI.</hi></note> i&#x017F;t für das<lb/>
Reichs&#x017F;trafrecht als &#x017F;olches gegen&#x017F;tandslos geworden, nachdem<lb/>
alle die&#x017F;en Unter&#x017F;chied fe&#x017F;thaltenden Reichsge&#x017F;etze aufgehoben<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0092] Erſtes Buch. I. Begriff und Einteilung. widrige Handlung; darin liegt das für den Unterſchied des kriminellen vom civilen Unrecht maßgebende Merkmal. Ohne Strafdrohung iſt wol Delikt aber nicht Verbrechen denkbar. (Fehlende Bedingung der Strafbarkeit als Grund für das Nichtvorliegen eines Verbrechens.) Aber nur das Mit-Strafe- bedroht-ſein, nicht das Beſtraft-werden iſt von Bedeutung. Das Verbrechen bleibt Verbrechen, auch wenn ein nachträg- lich eintretender Strafaufhebungsgrund (thätige Reue, Begnadigung uſw.) die bereits vorhanden geweſene Straf- barkeit wieder beſeitigt; es bleibt Verbrechen, auch wenn aus prozeſſualen Gründen (nach der That entſtehende Geiſteskrankheit des Thäters uſw.) die Geltendmachung des ſtaatlichen Strafanſpruches unmöglich wird. Die hervorgehobenen Merkmale des Verbrechens liefern zugleich das Gerippe für die Darſtellung der Lehre vom Verbrechen. §. 18. Einteilungen des Verbrechens. I. Die meiſten der in der älteren Literatur vielbeſproche- nen Einteilungen der Verbrechen ſind heute teils ohne jede aktuelle Bedeutung, teils an anderer Stelle zu erörtern. Auch die an ſich hochwichtige Unterſcheidung von poli- tiſchen und nicht politiſchen Verbrechen 1 iſt für das Reichsſtrafrecht als ſolches gegenſtandslos geworden, nachdem alle dieſen Unterſchied feſthaltenden Reichsgeſetze aufgehoben 1 Lit. bei Binding Grund- riß S. 54; dazu Wahlberg in Grünhut’s Zeitſchr. Bd. VII, Teichmann Revue de droit international XI.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/92
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/92>, abgerufen am 28.03.2024.