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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Einleitung. II. Das Strafgesetz.
einem Ausländer ausgeht; muß es ferner als irrelevant er-
scheinen, ob die heimischen Rechtsgüter bzw. ihre Träger sich
im Inlande oder im Auslande befinden.2

Praktische Erwägungen können den Staat allerdings be-
stimmen, auf den Schutz seiner im Auslande befindlichen
Rechtsgüter zu verzichten; so einerseits das Vertrauen auf
den von dem fremden Staate gewährleisteten Schutz, andrer-
seits die Furcht vor internationalen Verwicklungen. Er wird
aber gut thun, diesen Erwägungen möglichst geringen Einfluß
zu gestatten.

2. Weiter zu greifen, hat der Staat nur dann Veran-
lassung, wenn es sich um Rechtsgüter von internatio-
nalem Werte
handelt; um solche also, deren Träger
nicht der einzelne Staat (oder die Bürger desselben), son-
dern die Kulturgemeinschaft der civilisierten Staaten ist.
Die Zahl derselben dürfte kleiner sein, als regelmäßig ange-
nommen wird. Die Integrität des Münzverkehrs ist
eines der wichtigsten dieser internationalen Rechtsgüter. Das
Rechtsinstitut des Privateigentums kann internationalen An-
griffen gegenüber vorübergehend internationale Bedeutung
erlangen. Zu uneingeschränktem Schutze aller, auch der
fremden, Rechtsgüter hat der einzelne Staat weder Veran-
lassung noch Beruf, so lange die strafrechtlichen Anschauungen
der nächstgelegenen Kulturnationen -- man vergleiche das
deutsche Strafrecht mit dem französischen oder englischen --
in so wesentlicher Beziehung von einander abweichen, wie
dies heute noch der Fall ist.

3. Von ganz anderen Erwägungen ausgehend, gelangt
der Staat dazu, den Inländer, der im Auslande einen An-

2 Vgl. Entw. der Novelle v. 26. Febr. 1876 u. Motive dazu.

Einleitung. II. Das Strafgeſetz.
einem Ausländer ausgeht; muß es ferner als irrelevant er-
ſcheinen, ob die heimiſchen Rechtsgüter bzw. ihre Träger ſich
im Inlande oder im Auslande befinden.2

Praktiſche Erwägungen können den Staat allerdings be-
ſtimmen, auf den Schutz ſeiner im Auslande befindlichen
Rechtsgüter zu verzichten; ſo einerſeits das Vertrauen auf
den von dem fremden Staate gewährleiſteten Schutz, andrer-
ſeits die Furcht vor internationalen Verwicklungen. Er wird
aber gut thun, dieſen Erwägungen möglichſt geringen Einfluß
zu geſtatten.

2. Weiter zu greifen, hat der Staat nur dann Veran-
laſſung, wenn es ſich um Rechtsgüter von internatio-
nalem Werte
handelt; um ſolche alſo, deren Träger
nicht der einzelne Staat (oder die Bürger desſelben), ſon-
dern die Kulturgemeinſchaft der civiliſierten Staaten iſt.
Die Zahl derſelben dürfte kleiner ſein, als regelmäßig ange-
nommen wird. Die Integrität des Münzverkehrs iſt
eines der wichtigſten dieſer internationalen Rechtsgüter. Das
Rechtsinſtitut des Privateigentums kann internationalen An-
griffen gegenüber vorübergehend internationale Bedeutung
erlangen. Zu uneingeſchränktem Schutze aller, auch der
fremden, Rechtsgüter hat der einzelne Staat weder Veran-
laſſung noch Beruf, ſo lange die ſtrafrechtlichen Anſchauungen
der nächſtgelegenen Kulturnationen — man vergleiche das
deutſche Strafrecht mit dem franzöſiſchen oder engliſchen —
in ſo weſentlicher Beziehung von einander abweichen, wie
dies heute noch der Fall iſt.

3. Von ganz anderen Erwägungen ausgehend, gelangt
der Staat dazu, den Inländer, der im Auslande einen An-

2 Vgl. Entw. der Novelle v. 26. Febr. 1876 u. Motive dazu.
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[52/0078] Einleitung. II. Das Strafgeſetz. einem Ausländer ausgeht; muß es ferner als irrelevant er- ſcheinen, ob die heimiſchen Rechtsgüter bzw. ihre Träger ſich im Inlande oder im Auslande befinden. 2 Praktiſche Erwägungen können den Staat allerdings be- ſtimmen, auf den Schutz ſeiner im Auslande befindlichen Rechtsgüter zu verzichten; ſo einerſeits das Vertrauen auf den von dem fremden Staate gewährleiſteten Schutz, andrer- ſeits die Furcht vor internationalen Verwicklungen. Er wird aber gut thun, dieſen Erwägungen möglichſt geringen Einfluß zu geſtatten. 2. Weiter zu greifen, hat der Staat nur dann Veran- laſſung, wenn es ſich um Rechtsgüter von internatio- nalem Werte handelt; um ſolche alſo, deren Träger nicht der einzelne Staat (oder die Bürger desſelben), ſon- dern die Kulturgemeinſchaft der civiliſierten Staaten iſt. Die Zahl derſelben dürfte kleiner ſein, als regelmäßig ange- nommen wird. Die Integrität des Münzverkehrs iſt eines der wichtigſten dieſer internationalen Rechtsgüter. Das Rechtsinſtitut des Privateigentums kann internationalen An- griffen gegenüber vorübergehend internationale Bedeutung erlangen. Zu uneingeſchränktem Schutze aller, auch der fremden, Rechtsgüter hat der einzelne Staat weder Veran- laſſung noch Beruf, ſo lange die ſtrafrechtlichen Anſchauungen der nächſtgelegenen Kulturnationen — man vergleiche das deutſche Strafrecht mit dem franzöſiſchen oder engliſchen — in ſo weſentlicher Beziehung von einander abweichen, wie dies heute noch der Fall iſt. 3. Von ganz anderen Erwägungen ausgehend, gelangt der Staat dazu, den Inländer, der im Auslande einen An- 2 Vgl. Entw. der Novelle v. 26. Febr. 1876 u. Motive dazu.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/78>, abgerufen am 19.04.2024.