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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Reichsrecht und Landesrecht. §. 11.
Aussage straflos zu lassen sei.4 Die "allgem. Lehren" des
StGB. beanspruchen ausschließliche Geltung, aber (soweit
nicht der unten III 1 erörterte Rechtssatz eingreift) nur be-
züglich der nicht der landesgesetzlichen Regelung überlassenen
Delikte.5

II. In den reichsgesetzlich nicht geregelten Materien
hat die Landesgesetzgebung freien Spielraum. Die bisherigen
Landesgesetze bleiben bestehen, neue können gegeben werden.
Nur diesen Satz spricht §. 2 Abs. 2 des EG. zum StGB.
aus, wenn er auch irreleitend die "besonderen Vor-
schriften" dem StGB. gegenüberstellt. Die äußere Stellung
eines Rechtssatzes in einem allgemeinen StGB., bzw. Polizei-
StGB. oder aber in einem sog. Spezialgesetze hat für unsere
Frage nicht die geringste Bedeutung. Nur beispielsweise
nennt der zit. §. 2: Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-,
Fischerei-, Jagd-, Forst- und Feldpolizeigesetze, Vorschriften
über Mißbrauch des Vereins- und Versammlungsrechtes und
über den Holz-(Forst-)Diebstahl.6 Auf diesem Gebiete ist die
Landesgesetzgebung auch zum Abweichen von den allge-
meinen
Bestimmungen des RStGB. befugt; vgl. RGR.
1. Mai 1880, E II 34.

III. Aber auch auf dem an sich der Landesgesetzgebung
überlassenen Gebiet, also in den reichsgesetzlich nicht geregelten
Materien, sind jener gewisse Schranken gezogen.

4 [Spaltenumbruch] Vgl. OAG. Dresden
27. Septbr. 1872 im Anschlusse
an Heinze. Dagegen Meyer
S. 587.
5 [Spaltenumbruch] Sehr bestritten. Vielfach
wird ganz allgemeine Geltung
behauptet.
6 [Spaltenumbruch] Auch die Anführung des[Spaltenumbruch] Holzdiebstahls ist eine lediglich
beispielsweise; er ist eben --
und war es von jeher -- etwas
wesentlich anderes als Diebstahl,
mit dem er nur den Namen
gemein hat. Vgl. Binding
Normen I S. 73.

Reichsrecht und Landesrecht. §. 11.
Ausſage ſtraflos zu laſſen ſei.4 Die „allgem. Lehren“ des
StGB. beanſpruchen ausſchließliche Geltung, aber (ſoweit
nicht der unten III 1 erörterte Rechtsſatz eingreift) nur be-
züglich der nicht der landesgeſetzlichen Regelung überlaſſenen
Delikte.5

II. In den reichsgeſetzlich nicht geregelten Materien
hat die Landesgeſetzgebung freien Spielraum. Die bisherigen
Landesgeſetze bleiben beſtehen, neue können gegeben werden.
Nur dieſen Satz ſpricht §. 2 Abſ. 2 des EG. zum StGB.
aus, wenn er auch irreleitend die „beſonderen Vor-
ſchriften“ dem StGB. gegenüberſtellt. Die äußere Stellung
eines Rechtsſatzes in einem allgemeinen StGB., bzw. Polizei-
StGB. oder aber in einem ſog. Spezialgeſetze hat für unſere
Frage nicht die geringſte Bedeutung. Nur beiſpielsweiſe
nennt der zit. §. 2: Preßpolizei-, Poſt-, Steuer-, Zoll-,
Fiſcherei-, Jagd-, Forſt- und Feldpolizeigeſetze, Vorſchriften
über Mißbrauch des Vereins- und Verſammlungsrechtes und
über den Holz-(Forſt-)Diebſtahl.6 Auf dieſem Gebiete iſt die
Landesgeſetzgebung auch zum Abweichen von den allge-
meinen
Beſtimmungen des RStGB. befugt; vgl. RGR.
1. Mai 1880, E II 34.

III. Aber auch auf dem an ſich der Landesgeſetzgebung
überlaſſenen Gebiet, alſo in den reichsgeſetzlich nicht geregelten
Materien, ſind jener gewiſſe Schranken gezogen.

4 [Spaltenumbruch] Vgl. OAG. Dresden
27. Septbr. 1872 im Anſchluſſe
an Heinze. Dagegen Meyer
S. 587.
5 [Spaltenumbruch] Sehr beſtritten. Vielfach
wird ganz allgemeine Geltung
behauptet.
6 [Spaltenumbruch] Auch die Anführung des[Spaltenumbruch] Holzdiebſtahls iſt eine lediglich
beiſpielsweiſe; er iſt eben —
und war es von jeher — etwas
weſentlich anderes als Diebſtahl,
mit dem er nur den Namen
gemein hat. Vgl. Binding
Normen I S. 73.
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[45/0071] Reichsrecht und Landesrecht. §. 11. Ausſage ſtraflos zu laſſen ſei. 4 Die „allgem. Lehren“ des StGB. beanſpruchen ausſchließliche Geltung, aber (ſoweit nicht der unten III 1 erörterte Rechtsſatz eingreift) nur be- züglich der nicht der landesgeſetzlichen Regelung überlaſſenen Delikte. 5 II. In den reichsgeſetzlich nicht geregelten Materien hat die Landesgeſetzgebung freien Spielraum. Die bisherigen Landesgeſetze bleiben beſtehen, neue können gegeben werden. Nur dieſen Satz ſpricht §. 2 Abſ. 2 des EG. zum StGB. aus, wenn er auch irreleitend die „beſonderen Vor- ſchriften“ dem StGB. gegenüberſtellt. Die äußere Stellung eines Rechtsſatzes in einem allgemeinen StGB., bzw. Polizei- StGB. oder aber in einem ſog. Spezialgeſetze hat für unſere Frage nicht die geringſte Bedeutung. Nur beiſpielsweiſe nennt der zit. §. 2: Preßpolizei-, Poſt-, Steuer-, Zoll-, Fiſcherei-, Jagd-, Forſt- und Feldpolizeigeſetze, Vorſchriften über Mißbrauch des Vereins- und Verſammlungsrechtes und über den Holz-(Forſt-)Diebſtahl. 6 Auf dieſem Gebiete iſt die Landesgeſetzgebung auch zum Abweichen von den allge- meinen Beſtimmungen des RStGB. befugt; vgl. RGR. 1. Mai 1880, E II 34. III. Aber auch auf dem an ſich der Landesgeſetzgebung überlaſſenen Gebiet, alſo in den reichsgeſetzlich nicht geregelten Materien, ſind jener gewiſſe Schranken gezogen. 4 Vgl. OAG. Dresden 27. Septbr. 1872 im Anſchluſſe an Heinze. Dagegen Meyer S. 587. 5 Sehr beſtritten. Vielfach wird ganz allgemeine Geltung behauptet. 6 Auch die Anführung des Holzdiebſtahls iſt eine lediglich beiſpielsweiſe; er iſt eben — und war es von jeher — etwas weſentlich anderes als Diebſtahl, mit dem er nur den Namen gemein hat. Vgl. Binding Normen I S. 73.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/71>, abgerufen am 29.03.2024.