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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Drittes Buch. Delikte gegen "uneigentliche" Rechtsgüter.
c) Qualifizierter Fall wie oben 1 c.

3. Vornahme unzüchtiger Handlungen mit Personen
unter 14 Jahren
, oder Verleitung derselben zur Duldung
solcher Handlungen; wegen des vom Gesetze angenommenen
Mangels der Verfügungsfähigkeit dieser Personen den Nö-
tigungsfällen gleichgestellt.

Strafen: wie 1 a und c.

V. Die Erschleichung des Beischlafes (StGB.
§. 179), d. i. die Verleitung einer Frauensperson zur Ge-
stattung des Beischlafes durch Vorspiegelung einer Trauung
oder durch Erregung oder Benutzung eines anderen Irrtums,
in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen hielt. Voll-
endet mit dem Beischlaf, nicht mit der ihm etwa zeitlich
vorangehenden "Gestattung". Antragsdelikt.

Strafe: Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei mildernden
Umständen Gefängnis nicht unter 6 Monaten.

VI. Verführung eines unbescholtenen Mäd-
chens
, welches das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, zum
Beischlafe (StGB. §. 182). Unbescholtenheit darf dabei nicht
als gleichbedeutend mit Jungfräulichkeit genommen werden;
diese kann vorhanden sein, während jene fehlt und umgekehrt.
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern oder des
Vormundes der Verführten ein.

Strafe: Gefängnis bis zu einem Jahre.

VII. Das öffentliche9 Geben eines Aergernisses10

9 [Spaltenumbruch] d. h. so vorgenommen, daß
die Handlung von unbestimmt
wie vielen und unbestimmt wel-
chen Personen wahrgenommen
werden konnte; RGR. 10. Fe-
bruar 1880, E I 199, R I 327.
10 [Spaltenumbruch] Vgl. oben S. 365. Auch[Spaltenumbruch] hier ist nicht "öffentl. Aergernis"
gefordert; es genügt, wenn eine
Person Anstoß genommen hat,
mag dies auch derjenige sein,
gegen den die unzüchtige Hand-
lung gerichtet war (RGR. 12.
Juli 1880, E II 196, R II 183.
Drittes Buch. Delikte gegen „uneigentliche“ Rechtsgüter.
c) Qualifizierter Fall wie oben 1 c.

3. Vornahme unzüchtiger Handlungen mit Perſonen
unter 14 Jahren
, oder Verleitung derſelben zur Duldung
ſolcher Handlungen; wegen des vom Geſetze angenommenen
Mangels der Verfügungsfähigkeit dieſer Perſonen den Nö-
tigungsfällen gleichgeſtellt.

Strafen: wie 1 a und c.

V. Die Erſchleichung des Beiſchlafes (StGB.
§. 179), d. i. die Verleitung einer Frauensperſon zur Ge-
ſtattung des Beiſchlafes durch Vorſpiegelung einer Trauung
oder durch Erregung oder Benutzung eines anderen Irrtums,
in welchem ſie den Beiſchlaf für einen ehelichen hielt. Voll-
endet mit dem Beiſchlaf, nicht mit der ihm etwa zeitlich
vorangehenden „Geſtattung“. Antragsdelikt.

Strafe: Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei mildernden
Umſtänden Gefängnis nicht unter 6 Monaten.

VI. Verführung eines unbeſcholtenen Mäd-
chens
, welches das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, zum
Beiſchlafe (StGB. §. 182). Unbeſcholtenheit darf dabei nicht
als gleichbedeutend mit Jungfräulichkeit genommen werden;
dieſe kann vorhanden ſein, während jene fehlt und umgekehrt.
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern oder des
Vormundes der Verführten ein.

Strafe: Gefängnis bis zu einem Jahre.

VII. Das öffentliche9 Geben eines Aergerniſſes10

9 [Spaltenumbruch] d. h. ſo vorgenommen, daß
die Handlung von unbeſtimmt
wie vielen und unbeſtimmt wel-
chen Perſonen wahrgenommen
werden konnte; RGR. 10. Fe-
bruar 1880, E I 199, R I 327.
10 [Spaltenumbruch] Vgl. oben S. 365. Auch[Spaltenumbruch] hier iſt nicht „öffentl. Aergernis“
gefordert; es genügt, wenn eine
Perſon Anſtoß genommen hat,
mag dies auch derjenige ſein,
gegen den die unzüchtige Hand-
lung gerichtet war (RGR. 12.
Juli 1880, E II 196, R II 183.
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[374/0400] Drittes Buch. Delikte gegen „uneigentliche“ Rechtsgüter. c) Qualifizierter Fall wie oben 1 c. 3. Vornahme unzüchtiger Handlungen mit Perſonen unter 14 Jahren, oder Verleitung derſelben zur Duldung ſolcher Handlungen; wegen des vom Geſetze angenommenen Mangels der Verfügungsfähigkeit dieſer Perſonen den Nö- tigungsfällen gleichgeſtellt. Strafen: wie 1 a und c. V. Die Erſchleichung des Beiſchlafes (StGB. §. 179), d. i. die Verleitung einer Frauensperſon zur Ge- ſtattung des Beiſchlafes durch Vorſpiegelung einer Trauung oder durch Erregung oder Benutzung eines anderen Irrtums, in welchem ſie den Beiſchlaf für einen ehelichen hielt. Voll- endet mit dem Beiſchlaf, nicht mit der ihm etwa zeitlich vorangehenden „Geſtattung“. Antragsdelikt. Strafe: Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei mildernden Umſtänden Gefängnis nicht unter 6 Monaten. VI. Verführung eines unbeſcholtenen Mäd- chens, welches das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, zum Beiſchlafe (StGB. §. 182). Unbeſcholtenheit darf dabei nicht als gleichbedeutend mit Jungfräulichkeit genommen werden; dieſe kann vorhanden ſein, während jene fehlt und umgekehrt. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern oder des Vormundes der Verführten ein. Strafe: Gefängnis bis zu einem Jahre. VII. Das öffentliche 9 Geben eines Aergerniſſes 10 9 d. h. ſo vorgenommen, daß die Handlung von unbeſtimmt wie vielen und unbeſtimmt wel- chen Perſonen wahrgenommen werden konnte; RGR. 10. Fe- bruar 1880, E I 199, R I 327. 10 Vgl. oben S. 365. Auch hier iſt nicht „öffentl. Aergernis“ gefordert; es genügt, wenn eine Perſon Anſtoß genommen hat, mag dies auch derjenige ſein, gegen den die unzüchtige Hand- lung gerichtet war (RGR. 12. Juli 1880, E II 196, R II 183.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/400>, abgerufen am 25.04.2024.