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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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IV. Delikte an Personenstand und Ehe. §. 90.
Eingehung einer Ehe dem anderen Teile gegenüber; oder
durch arglistige Verleitung des anderen Teiles zur Ehe-
schließung mittels einer solchen Täuschung, welche den Ge-
täuschten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten. Auf-
lösung der Ehe aus einem dieser Gründe ist Bedingung
der Strafbarkeit
(vgl. oben §. 30).

Antragsdelikt; die Antragsfrist beginnt zu laufen
erst mit dem die Ehe lösenden rechtskräftigen Erkenntnisse
(vgl. oben §. 30 II). Dagegen läuft die Verjährungs-
frist
schon von dem Tage, an welchem die Handlung be-
gangen ist, also von dem Tage der Eheschließung (vgl. oben
§. 58 II 2).

2. Die Bigamie oder Doppelehe (StGB. §. 171);5
begangen durch Schließung einer Ehe von einem oder mit
einem6 Ehegatten, bevor die frühere Ehe aufgelöst, für un-
gültig oder nichtig erklärt worden ist. Vollendet mit der
vollendeten Eheschließung; der strafbare Versuch beginnt mit
dem Beginne des Eheschließungsaktes.

Strafe: Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei mildernden
Umständen Gefängnis nicht unter 6 Monaten.

Die Verjährung beginnt, kraft singulärer, aus allge-
meinen Grundsätzen nicht abzuleitender, daher auf andere
Fälle nicht auszudehnender, Vorschrift des Gesetzes erst mit
dem Tage, an welchem eine der beiden Ehen aufgelöst, für
ungültig oder nichtig erklärt worden ist.

5 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer S. 612
Note 1. Dazu Wahlberg
HR. "Bigamie".
6 [Spaltenumbruch] Wer wissentlich mit einem
Ehegatten eine Ehe schließt, be-
geht das Delikt als Thäter.[Spaltenumbruch] Im Uebrigen finden die Grund-
sätze über Teilnahme uneinge-
schränkte Anwendung. Ueber
das Amtsdelikt des §. 338
StGB. vgl. unten §. 92 II 3 b.
von Liszt, Strafrecht. 24

IV. Delikte an Perſonenſtand und Ehe. §. 90.
Eingehung einer Ehe dem anderen Teile gegenüber; oder
durch argliſtige Verleitung des anderen Teiles zur Ehe-
ſchließung mittels einer ſolchen Täuſchung, welche den Ge-
täuſchten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten. Auf-
löſung der Ehe aus einem dieſer Gründe iſt Bedingung
der Strafbarkeit
(vgl. oben §. 30).

Antragsdelikt; die Antragsfriſt beginnt zu laufen
erſt mit dem die Ehe löſenden rechtskräftigen Erkenntniſſe
(vgl. oben §. 30 II). Dagegen läuft die Verjährungs-
friſt
ſchon von dem Tage, an welchem die Handlung be-
gangen iſt, alſo von dem Tage der Eheſchließung (vgl. oben
§. 58 II 2).

2. Die Bigamie oder Doppelehe (StGB. §. 171);5
begangen durch Schließung einer Ehe von einem oder mit
einem6 Ehegatten, bevor die frühere Ehe aufgelöſt, für un-
gültig oder nichtig erklärt worden iſt. Vollendet mit der
vollendeten Eheſchließung; der ſtrafbare Verſuch beginnt mit
dem Beginne des Eheſchließungsaktes.

Strafe: Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei mildernden
Umſtänden Gefängnis nicht unter 6 Monaten.

Die Verjährung beginnt, kraft ſingulärer, aus allge-
meinen Grundſätzen nicht abzuleitender, daher auf andere
Fälle nicht auszudehnender, Vorſchrift des Geſetzes erſt mit
dem Tage, an welchem eine der beiden Ehen aufgelöſt, für
ungültig oder nichtig erklärt worden iſt.

5 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer S. 612
Note 1. Dazu Wahlberg
HR. „Bigamie“.
6 [Spaltenumbruch] Wer wiſſentlich mit einem
Ehegatten eine Ehe ſchließt, be-
geht das Delikt als Thäter.[Spaltenumbruch] Im Uebrigen finden die Grund-
ſätze über Teilnahme uneinge-
ſchränkte Anwendung. Ueber
das Amtsdelikt des §. 338
StGB. vgl. unten §. 92 II 3 b.
von Liszt, Strafrecht. 24
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[369/0395] IV. Delikte an Perſonenſtand und Ehe. §. 90. Eingehung einer Ehe dem anderen Teile gegenüber; oder durch argliſtige Verleitung des anderen Teiles zur Ehe- ſchließung mittels einer ſolchen Täuſchung, welche den Ge- täuſchten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten. Auf- löſung der Ehe aus einem dieſer Gründe iſt Bedingung der Strafbarkeit (vgl. oben §. 30). Antragsdelikt; die Antragsfriſt beginnt zu laufen erſt mit dem die Ehe löſenden rechtskräftigen Erkenntniſſe (vgl. oben §. 30 II). Dagegen läuft die Verjährungs- friſt ſchon von dem Tage, an welchem die Handlung be- gangen iſt, alſo von dem Tage der Eheſchließung (vgl. oben §. 58 II 2). 2. Die Bigamie oder Doppelehe (StGB. §. 171); 5 begangen durch Schließung einer Ehe von einem oder mit einem 6 Ehegatten, bevor die frühere Ehe aufgelöſt, für un- gültig oder nichtig erklärt worden iſt. Vollendet mit der vollendeten Eheſchließung; der ſtrafbare Verſuch beginnt mit dem Beginne des Eheſchließungsaktes. Strafe: Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei mildernden Umſtänden Gefängnis nicht unter 6 Monaten. Die Verjährung beginnt, kraft ſingulärer, aus allge- meinen Grundſätzen nicht abzuleitender, daher auf andere Fälle nicht auszudehnender, Vorſchrift des Geſetzes erſt mit dem Tage, an welchem eine der beiden Ehen aufgelöſt, für ungültig oder nichtig erklärt worden iſt. 5 Lit. bei Meyer S. 612 Note 1. Dazu Wahlberg HR. „Bigamie“. 6 Wer wiſſentlich mit einem Ehegatten eine Ehe ſchließt, be- geht das Delikt als Thäter. Im Uebrigen finden die Grund- ſätze über Teilnahme uneinge- ſchränkte Anwendung. Ueber das Amtsdelikt des §. 338 StGB. vgl. unten §. 92 II 3 b. von Liszt, Strafrecht. 24

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/395>, abgerufen am 19.04.2024.