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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Drittes Buch. Delikte gegen "uneigentliche" Rechtsgüter.
Gestaltung des Prozeßverfahrens (freie Beweiswürdigung!)
kann diesen Gegensatz auf wenige Fälle einschränken, ohne ihn
ganz zu beseitigen.3

2. Die strafbaren Handlungen an Urkunden teilen den
oben §. 87 I erörterten Charakter der Münzdelikte. Mög-
licher Weise (in abstracto) gerichtet gegen die Sicherheit des
öffentlichen (im Sinne von publicus) Rechtsverkehrs, gegen
die verschiedensten (nicht bloß das Vermögen bildenden) Rechts-
güter des Einzelnen oder gegen die Staatsverwaltung
(insbesondere die staatliche Rechtspflege) sind sie wegen dieser
möglichen Beziehung unter Strafe gestellt ohne Rücksicht
darauf, ob im konkreten Falle eine dieser Beziehungen und
welche gegeben ist. Auch hier entscheidet die Art und nicht
die Richtung des Angriffes; auch hier müssen wir es ver-
meiden, von einer Verletzung der "publica fides" zu sprechen,
außer wenn es uns eben darum zu thun ist, durch den Ge-
brauch eines möglichst dehnbaren Ausdruckes uns tieferes
Eindringen in die Natur dieser Delikte zu ersparen.

II. Die Arten.

1. Die eigentliche Urkundenfälschung, zerfallend
in die Nachmachung einer unechten, und die Verfälschung
einer echten Urkunde. Gleich geachtet wird es (StGB. §. 269),
wenn Jemand einem mit der Unterschrift eines Anderen ver-
sehenen Papiere ohne dessen Willen oder dessen Anordnungen
zuwider durch Ausfüllung einen urkundlichen Inhalt giebt.

Das Gebrauchmachen zum Zwecke der Täuschung,

3 [Spaltenumbruch] Ein Punkt, der allgemein
übersehen wird. -- Kasuistik
über "Beweiserheblichkeit" in
RGR. 20. Januar 1880, E 1
159; 15. Januar 1880, R I[Spaltenumbruch] 233; 4. Februar 1880, E I
293; 8. Mai 1880, R I 751;
24. Mai 1880, R I 810; 3. Juni
1880, E II 174, R II 26.

Drittes Buch. Delikte gegen „uneigentliche“ Rechtsgüter.
Geſtaltung des Prozeßverfahrens (freie Beweiswürdigung!)
kann dieſen Gegenſatz auf wenige Fälle einſchränken, ohne ihn
ganz zu beſeitigen.3

2. Die ſtrafbaren Handlungen an Urkunden teilen den
oben §. 87 I erörterten Charakter der Münzdelikte. Mög-
licher Weiſe (in abstracto) gerichtet gegen die Sicherheit des
öffentlichen (im Sinne von publicus) Rechtsverkehrs, gegen
die verſchiedenſten (nicht bloß das Vermögen bildenden) Rechts-
güter des Einzelnen oder gegen die Staatsverwaltung
(insbeſondere die ſtaatliche Rechtspflege) ſind ſie wegen dieſer
möglichen Beziehung unter Strafe geſtellt ohne Rückſicht
darauf, ob im konkreten Falle eine dieſer Beziehungen und
welche gegeben iſt. Auch hier entſcheidet die Art und nicht
die Richtung des Angriffes; auch hier müſſen wir es ver-
meiden, von einer Verletzung der „publica fides“ zu ſprechen,
außer wenn es uns eben darum zu thun iſt, durch den Ge-
brauch eines möglichſt dehnbaren Ausdruckes uns tieferes
Eindringen in die Natur dieſer Delikte zu erſparen.

II. Die Arten.

1. Die eigentliche Urkundenfälſchung, zerfallend
in die Nachmachung einer unechten, und die Verfälſchung
einer echten Urkunde. Gleich geachtet wird es (StGB. §. 269),
wenn Jemand einem mit der Unterſchrift eines Anderen ver-
ſehenen Papiere ohne deſſen Willen oder deſſen Anordnungen
zuwider durch Ausfüllung einen urkundlichen Inhalt giebt.

Das Gebrauchmachen zum Zwecke der Täuſchung,

3 [Spaltenumbruch] Ein Punkt, der allgemein
überſehen wird. — Kaſuiſtik
über „Beweiserheblichkeit“ in
RGR. 20. Januar 1880, E 1
159; 15. Januar 1880, R I[Spaltenumbruch] 233; 4. Februar 1880, E I
293; 8. Mai 1880, R I 751;
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[358/0384] Drittes Buch. Delikte gegen „uneigentliche“ Rechtsgüter. Geſtaltung des Prozeßverfahrens (freie Beweiswürdigung!) kann dieſen Gegenſatz auf wenige Fälle einſchränken, ohne ihn ganz zu beſeitigen. 3 2. Die ſtrafbaren Handlungen an Urkunden teilen den oben §. 87 I erörterten Charakter der Münzdelikte. Mög- licher Weiſe (in abstracto) gerichtet gegen die Sicherheit des öffentlichen (im Sinne von publicus) Rechtsverkehrs, gegen die verſchiedenſten (nicht bloß das Vermögen bildenden) Rechts- güter des Einzelnen oder gegen die Staatsverwaltung (insbeſondere die ſtaatliche Rechtspflege) ſind ſie wegen dieſer möglichen Beziehung unter Strafe geſtellt ohne Rückſicht darauf, ob im konkreten Falle eine dieſer Beziehungen und welche gegeben iſt. Auch hier entſcheidet die Art und nicht die Richtung des Angriffes; auch hier müſſen wir es ver- meiden, von einer Verletzung der „publica fides“ zu ſprechen, außer wenn es uns eben darum zu thun iſt, durch den Ge- brauch eines möglichſt dehnbaren Ausdruckes uns tieferes Eindringen in die Natur dieſer Delikte zu erſparen. II. Die Arten. 1. Die eigentliche Urkundenfälſchung, zerfallend in die Nachmachung einer unechten, und die Verfälſchung einer echten Urkunde. Gleich geachtet wird es (StGB. §. 269), wenn Jemand einem mit der Unterſchrift eines Anderen ver- ſehenen Papiere ohne deſſen Willen oder deſſen Anordnungen zuwider durch Ausfüllung einen urkundlichen Inhalt giebt. Das Gebrauchmachen zum Zwecke der Täuſchung, 3 Ein Punkt, der allgemein überſehen wird. — Kaſuiſtik über „Beweiserheblichkeit“ in RGR. 20. Januar 1880, E 1 159; 15. Januar 1880, R I 233; 4. Februar 1880, E I 293; 8. Mai 1880, R I 751; 24. Mai 1880, R I 810; 3. Juni 1880, E II 174, R II 26.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/384>, abgerufen am 28.03.2024.