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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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I. Delikte an Geld. §. 87.

Die an Geld oder geldvertretenden Wertzeichen begangenen
strafbaren Handlungen (regelmäßig wenn auch viel zu eng
Münz delikte genannt) sind als solche, ohne jede Rücksicht
auf ihre konkrete Richtung gegen ein bestimmtes Rechtsgut,
strafbar. Die Norm, durch welche sie verboten werden, ge-
hört zu den oben §. 3 II 4 erwähnten Normen, welche zum
mittelbaren Schutze nicht eines, sondern verschiedener
Rechtsgüter bestimmt, durch die Art des Angriffes nicht
durch seine Richtung Charakter und Inhalt bekommen. Die
Münzhoheit des Staates, das Interesse des Publi-
kums
an Sicherheit des rechtlichen Verkehrs und die Ver-
mögensinteressen des Einzelnen verlangen in gleich ge-
bieterischer Weise nach strafrechtlichem Schutze für die Inte-
grität der Geldzeichen. So entstehen die allen konkurrie-
renden Interessen Genüge leistenden Normen zum Schutze
der Geldzeichen, deren Uebertretungen uns hier beschäftigen.
Falsch ist es, die sogenannten Münzdelikte als lediglich gegen
den Staat, oder bloß gegen das Publikum, oder nur gegen
das Privatvermögen gerichtet, aufzufassen; bequem aber be-
denklich, den kriminalistischen Nothelfer aus allen systematischen
Bedrängnissen, die publica fides, anzurufen; denn der Staat
und die Einzelnen sind ebenso interessiert wie das "Publikum";
schief endlich, die "Integrität der Geldzeichen" selbst zu einem
Rechtsgute zu erheben, als schütze der Staat das Geld um
des Geldes und nicht um anderer Rechtsgüter willen. In
einem lediglich das "Rechtsgut" und nicht zugleich die "Norm"
berücksichtigenden Systeme kann den Münzdelikten kein ihnen
entsprechender Platz angewiesen werden.

Die internationale Bedeutung der Geldzeichen der mo-
dernen Kulturstaaten hat das StGB. in §. 4 Ziff. 1 aner-
kannt: Münzverbrechen werden, auch wenn im Auslande,

von Liszt, Strafrecht. 23
I. Delikte an Geld. §. 87.

Die an Geld oder geldvertretenden Wertzeichen begangenen
ſtrafbaren Handlungen (regelmäßig wenn auch viel zu eng
Münz delikte genannt) ſind als ſolche, ohne jede Rückſicht
auf ihre konkrete Richtung gegen ein beſtimmtes Rechtsgut,
ſtrafbar. Die Norm, durch welche ſie verboten werden, ge-
hört zu den oben §. 3 II 4 erwähnten Normen, welche zum
mittelbaren Schutze nicht eines, ſondern verſchiedener
Rechtsgüter beſtimmt, durch die Art des Angriffes nicht
durch ſeine Richtung Charakter und Inhalt bekommen. Die
Münzhoheit des Staates, das Intereſſe des Publi-
kums
an Sicherheit des rechtlichen Verkehrs und die Ver-
mögensintereſſen des Einzelnen verlangen in gleich ge-
bieteriſcher Weiſe nach ſtrafrechtlichem Schutze für die Inte-
grität der Geldzeichen. So entſtehen die allen konkurrie-
renden Intereſſen Genüge leiſtenden Normen zum Schutze
der Geldzeichen, deren Uebertretungen uns hier beſchäftigen.
Falſch iſt es, die ſogenannten Münzdelikte als lediglich gegen
den Staat, oder bloß gegen das Publikum, oder nur gegen
das Privatvermögen gerichtet, aufzufaſſen; bequem aber be-
denklich, den kriminaliſtiſchen Nothelfer aus allen ſyſtematiſchen
Bedrängniſſen, die publica fides, anzurufen; denn der Staat
und die Einzelnen ſind ebenſo intereſſiert wie das „Publikum“;
ſchief endlich, die „Integrität der Geldzeichen“ ſelbſt zu einem
Rechtsgute zu erheben, als ſchütze der Staat das Geld um
des Geldes und nicht um anderer Rechtsgüter willen. In
einem lediglich das „Rechtsgut“ und nicht zugleich die „Norm“
berückſichtigenden Syſteme kann den Münzdelikten kein ihnen
entſprechender Platz angewieſen werden.

Die internationale Bedeutung der Geldzeichen der mo-
dernen Kulturſtaaten hat das StGB. in §. 4 Ziff. 1 aner-
kannt: Münzverbrechen werden, auch wenn im Auslande,

von Liszt, Strafrecht. 23
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[353/0379] I. Delikte an Geld. §. 87. Die an Geld oder geldvertretenden Wertzeichen begangenen ſtrafbaren Handlungen (regelmäßig wenn auch viel zu eng Münz delikte genannt) ſind als ſolche, ohne jede Rückſicht auf ihre konkrete Richtung gegen ein beſtimmtes Rechtsgut, ſtrafbar. Die Norm, durch welche ſie verboten werden, ge- hört zu den oben §. 3 II 4 erwähnten Normen, welche zum mittelbaren Schutze nicht eines, ſondern verſchiedener Rechtsgüter beſtimmt, durch die Art des Angriffes nicht durch ſeine Richtung Charakter und Inhalt bekommen. Die Münzhoheit des Staates, das Intereſſe des Publi- kums an Sicherheit des rechtlichen Verkehrs und die Ver- mögensintereſſen des Einzelnen verlangen in gleich ge- bieteriſcher Weiſe nach ſtrafrechtlichem Schutze für die Inte- grität der Geldzeichen. So entſtehen die allen konkurrie- renden Intereſſen Genüge leiſtenden Normen zum Schutze der Geldzeichen, deren Uebertretungen uns hier beſchäftigen. Falſch iſt es, die ſogenannten Münzdelikte als lediglich gegen den Staat, oder bloß gegen das Publikum, oder nur gegen das Privatvermögen gerichtet, aufzufaſſen; bequem aber be- denklich, den kriminaliſtiſchen Nothelfer aus allen ſyſtematiſchen Bedrängniſſen, die publica fides, anzurufen; denn der Staat und die Einzelnen ſind ebenſo intereſſiert wie das „Publikum“; ſchief endlich, die „Integrität der Geldzeichen“ ſelbſt zu einem Rechtsgute zu erheben, als ſchütze der Staat das Geld um des Geldes und nicht um anderer Rechtsgüter willen. In einem lediglich das „Rechtsgut“ und nicht zugleich die „Norm“ berückſichtigenden Syſteme kann den Münzdelikten kein ihnen entſprechender Platz angewieſen werden. Die internationale Bedeutung der Geldzeichen der mo- dernen Kulturſtaaten hat das StGB. in §. 4 Ziff. 1 aner- kannt: Münzverbrechen werden, auch wenn im Auslande, von Liszt, Strafrecht. 23

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/379>, abgerufen am 19.04.2024.