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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Delikte gegen die Ehre. §. 80.
(Eltern, Kinder, Ehegatten), daher die Beschränkung des
rechtlichen Schutzes auf jene wenigen Generationen, die als
im unmittelbaren Zusammenhange mit dem Verstorbenen
befindlich betrachtet werden können, die daher durch das
Urteil über den Verstorbenen mit berührt werden.

Strafe: Gefängnis bis zu 6 Monaten, bei mildernden
Umständen Geldstrafe bis zu 900 Mark.

III. Die allgemeinen Grundsätze über Rechtswidrigkeit
und Wegfall derselben (oben §. 22) beanspruchen unein-
geschränkte Geltung auch auf dem Gebiete der Beleidigungen.
Hatte der Handelnde ein Recht zur Vornahme der Handlung,
so liegt eben kein Delikt vor. Der Gesetzgeber wollte diese
allgemeine Regel dem Richter gerade hier ins Gedächtnis
rufen und zugleich durch Beispiele illustrieren, hat aber gerade
dadurch die Praxis vielfach irregeführt. Die hieher gehörigen
Bestimmungen sind:

1. StGB. §. 193. Tadelnde Urteile über wissenschaft-
liche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, ingleichen
Aeußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von
Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen9 ge-
macht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorge-
setzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Ur-
teile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur
insofern strafbar
, als das Vorhandensein einer Beleidigung
aus der Form der Aeußerung oder aus den Umständen,

[Spaltenumbruch] kann wohl nicht geleugnet werden,
und sie ist es, welche die Fa-
milie hier wie sonst zur Kollek-
tivpersönlichkeit erhebt.
9 [Spaltenumbruch] Durch den Berechtigten selbst
oder durch einen zur Wahrneh-[Spaltenumbruch] mung derselben berufenen
Dritten; vgl. RGR. 24. De-
zember 1879, E I 128, R I
171; 22. Januar 1880, R I
260.

Delikte gegen die Ehre. §. 80.
(Eltern, Kinder, Ehegatten), daher die Beſchränkung des
rechtlichen Schutzes auf jene wenigen Generationen, die als
im unmittelbaren Zuſammenhange mit dem Verſtorbenen
befindlich betrachtet werden können, die daher durch das
Urteil über den Verſtorbenen mit berührt werden.

Strafe: Gefängnis bis zu 6 Monaten, bei mildernden
Umſtänden Geldſtrafe bis zu 900 Mark.

III. Die allgemeinen Grundſätze über Rechtswidrigkeit
und Wegfall derſelben (oben §. 22) beanſpruchen unein-
geſchränkte Geltung auch auf dem Gebiete der Beleidigungen.
Hatte der Handelnde ein Recht zur Vornahme der Handlung,
ſo liegt eben kein Delikt vor. Der Geſetzgeber wollte dieſe
allgemeine Regel dem Richter gerade hier ins Gedächtnis
rufen und zugleich durch Beiſpiele illuſtrieren, hat aber gerade
dadurch die Praxis vielfach irregeführt. Die hieher gehörigen
Beſtimmungen ſind:

1. StGB. §. 193. Tadelnde Urteile über wiſſenſchaft-
liche, künſtleriſche oder gewerbliche Leiſtungen, ingleichen
Aeußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von
Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Intereſſen9 ge-
macht werden, ſowie Vorhaltungen und Rügen der Vorge-
ſetzten gegen ihre Untergebenen, dienſtliche Anzeigen oder Ur-
teile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle ſind nur
inſofern ſtrafbar
, als das Vorhandenſein einer Beleidigung
aus der Form der Aeußerung oder aus den Umſtänden,

[Spaltenumbruch] kann wohl nicht geleugnet werden,
und ſie iſt es, welche die Fa-
milie hier wie ſonſt zur Kollek-
tivperſönlichkeit erhebt.
9 [Spaltenumbruch] Durch den Berechtigten ſelbſt
oder durch einen zur Wahrneh-[Spaltenumbruch] mung derſelben berufenen
Dritten; vgl. RGR. 24. De-
zember 1879, E I 128, R I
171; 22. Januar 1880, R I
260.
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[325/0351] Delikte gegen die Ehre. §. 80. (Eltern, Kinder, Ehegatten), daher die Beſchränkung des rechtlichen Schutzes auf jene wenigen Generationen, die als im unmittelbaren Zuſammenhange mit dem Verſtorbenen befindlich betrachtet werden können, die daher durch das Urteil über den Verſtorbenen mit berührt werden. Strafe: Gefängnis bis zu 6 Monaten, bei mildernden Umſtänden Geldſtrafe bis zu 900 Mark. III. Die allgemeinen Grundſätze über Rechtswidrigkeit und Wegfall derſelben (oben §. 22) beanſpruchen unein- geſchränkte Geltung auch auf dem Gebiete der Beleidigungen. Hatte der Handelnde ein Recht zur Vornahme der Handlung, ſo liegt eben kein Delikt vor. Der Geſetzgeber wollte dieſe allgemeine Regel dem Richter gerade hier ins Gedächtnis rufen und zugleich durch Beiſpiele illuſtrieren, hat aber gerade dadurch die Praxis vielfach irregeführt. Die hieher gehörigen Beſtimmungen ſind: 1. StGB. §. 193. Tadelnde Urteile über wiſſenſchaft- liche, künſtleriſche oder gewerbliche Leiſtungen, ingleichen Aeußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Intereſſen 9 ge- macht werden, ſowie Vorhaltungen und Rügen der Vorge- ſetzten gegen ihre Untergebenen, dienſtliche Anzeigen oder Ur- teile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle ſind nur inſofern ſtrafbar, als das Vorhandenſein einer Beleidigung aus der Form der Aeußerung oder aus den Umſtänden, 8 9 Durch den Berechtigten ſelbſt oder durch einen zur Wahrneh- mung derſelben berufenen Dritten; vgl. RGR. 24. De- zember 1879, E I 128, R I 171; 22. Januar 1880, R I 260. 8 kann wohl nicht geleugnet werden, und ſie iſt es, welche die Fa- milie hier wie ſonſt zur Kollek- tivperſönlichkeit erhebt.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/351>, abgerufen am 29.03.2024.