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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. III. Delikte gegen das Vermögen.

Vermögensvorteil ist nicht bloß die Vermehrung
des Vermögens, also die Gewinnung eines neuen dinglichen
oder persönlichen Anspruches, sondern jede Verbesserung
der Vermögenslage, also die Sicherung oder Erweiterung der
vorhandenen Ansprüche oder die Abwehr einer ihnen drohenden
Schädigung.8 Erlangung des Besitzes,9 eines Darlehns10
gehört hieher; ebenso die Sicherung eines bereits erlangten
Vorteils.11 Erwirkung der Zahlung oder Verbürgung durch
einen Dritten kann unter Umständen Vermögensvorteil
sein.12

Rechtswidrig aber ist jeder Vorteil, auf welchen der
Handelnde keinen rechtlich begründeten Anspruch hatte;13 nicht
nur der dem Gesetze zuwiderlaufende Vermögensvorteil gehört
hieher, sondern die ganze, überaus große und praktisch hoch-
wichtige Gruppe der dem Rechte indifferenten Vermögens-
vorteile. Rechtswidrig hat demnach nicht positive, sondern
rein negative Bedeutung; am entsprechendsten wäre der Aus-
druck "nicht rechtlich begründet". Der Betrug entfällt also
nur dann, wenn die arglistige Täuschung das Mittel zur
Durchsetzung eines wohl erworbenen und bereits fälligen An-
spruchs ist.

8 [Spaltenumbruch] Beseitigung eines ungün-
stigen Civilprozeßurteils: RGR.
5. Februar 1880, E I 186.
Auch Abwendung der Zahlung
einer Schuld, selbst wenn diese
als Geldstrafe aus einem De-
likte entspringt; dagegen RGR.
1. Mai 1880, E II 34, R I
713 (aber ohne überzeugende
Begründung).
9 [Spaltenumbruch] RGR. 10. Januar 1880,
E I 55.
10 [Spaltenumbruch] RGR. 3. Mai 1880, R I
716.
11 [Spaltenumbruch] RGR. 7. Mai 1880, E
II
53.
12 [Spaltenumbruch] RGR. 17. März 1880, E
I 318, R I
481.
13 [Spaltenumbruch] Sehr bestritten. Für die
richtige Ansicht hat sich ausge-
sprochen: RGR. 10. November
1879, R I 49; 22. Januar 1880,
R I 261; 17. März 1880, E I
318.
Erſtes Buch. III. Delikte gegen das Vermögen.

Vermögensvorteil iſt nicht bloß die Vermehrung
des Vermögens, alſo die Gewinnung eines neuen dinglichen
oder perſönlichen Anſpruches, ſondern jede Verbeſſerung
der Vermögenslage, alſo die Sicherung oder Erweiterung der
vorhandenen Anſprüche oder die Abwehr einer ihnen drohenden
Schädigung.8 Erlangung des Beſitzes,9 eines Darlehns10
gehört hieher; ebenſo die Sicherung eines bereits erlangten
Vorteils.11 Erwirkung der Zahlung oder Verbürgung durch
einen Dritten kann unter Umſtänden Vermögensvorteil
ſein.12

Rechtswidrig aber iſt jeder Vorteil, auf welchen der
Handelnde keinen rechtlich begründeten Anſpruch hatte;13 nicht
nur der dem Geſetze zuwiderlaufende Vermögensvorteil gehört
hieher, ſondern die ganze, überaus große und praktiſch hoch-
wichtige Gruppe der dem Rechte indifferenten Vermögens-
vorteile. Rechtswidrig hat demnach nicht poſitive, ſondern
rein negative Bedeutung; am entſprechendſten wäre der Aus-
druck „nicht rechtlich begründet“. Der Betrug entfällt alſo
nur dann, wenn die argliſtige Täuſchung das Mittel zur
Durchſetzung eines wohl erworbenen und bereits fälligen An-
ſpruchs iſt.

8 [Spaltenumbruch] Beſeitigung eines ungün-
ſtigen Civilprozeßurteils: RGR.
5. Februar 1880, E I 186.
Auch Abwendung der Zahlung
einer Schuld, ſelbſt wenn dieſe
als Geldſtrafe aus einem De-
likte entſpringt; dagegen RGR.
1. Mai 1880, E II 34, R I
713 (aber ohne überzeugende
Begründung).
9 [Spaltenumbruch] RGR. 10. Januar 1880,
E I 55.
10 [Spaltenumbruch] RGR. 3. Mai 1880, R I
716.
11 [Spaltenumbruch] RGR. 7. Mai 1880, E
II
53.
12 [Spaltenumbruch] RGR. 17. März 1880, E
I 318, R I
481.
13 [Spaltenumbruch] Sehr beſtritten. Für die
richtige Anſicht hat ſich ausge-
ſprochen: RGR. 10. November
1879, R I 49; 22. Januar 1880,
R I 261; 17. März 1880, E I
318.
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[292/0318] Erſtes Buch. III. Delikte gegen das Vermögen. Vermögensvorteil iſt nicht bloß die Vermehrung des Vermögens, alſo die Gewinnung eines neuen dinglichen oder perſönlichen Anſpruches, ſondern jede Verbeſſerung der Vermögenslage, alſo die Sicherung oder Erweiterung der vorhandenen Anſprüche oder die Abwehr einer ihnen drohenden Schädigung. 8 Erlangung des Beſitzes, 9 eines Darlehns 10 gehört hieher; ebenſo die Sicherung eines bereits erlangten Vorteils. 11 Erwirkung der Zahlung oder Verbürgung durch einen Dritten kann unter Umſtänden Vermögensvorteil ſein. 12 Rechtswidrig aber iſt jeder Vorteil, auf welchen der Handelnde keinen rechtlich begründeten Anſpruch hatte; 13 nicht nur der dem Geſetze zuwiderlaufende Vermögensvorteil gehört hieher, ſondern die ganze, überaus große und praktiſch hoch- wichtige Gruppe der dem Rechte indifferenten Vermögens- vorteile. Rechtswidrig hat demnach nicht poſitive, ſondern rein negative Bedeutung; am entſprechendſten wäre der Aus- druck „nicht rechtlich begründet“. Der Betrug entfällt alſo nur dann, wenn die argliſtige Täuſchung das Mittel zur Durchſetzung eines wohl erworbenen und bereits fälligen An- ſpruchs iſt. 8 Beſeitigung eines ungün- ſtigen Civilprozeßurteils: RGR. 5. Februar 1880, E I 186. Auch Abwendung der Zahlung einer Schuld, ſelbſt wenn dieſe als Geldſtrafe aus einem De- likte entſpringt; dagegen RGR. 1. Mai 1880, E II 34, R I 713 (aber ohne überzeugende Begründung). 9 RGR. 10. Januar 1880, E I 55. 10 RGR. 3. Mai 1880, R I 716. 11 RGR. 7. Mai 1880, E II 53. 12 RGR. 17. März 1880, E I 318, R I 481. 13 Sehr beſtritten. Für die richtige Anſicht hat ſich ausge- ſprochen: RGR. 10. November 1879, R I 49; 22. Januar 1880, R I 261; 17. März 1880, E I 318.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/318>, abgerufen am 25.04.2024.