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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. II. Delikte gegen die persönliche Freiheit.
genommen; mithin zum Vorsatze Bewußtsein derselben er-
forderlich (vgl. oben §. 28 II). Durch die Berechtigung zur
Nötigung an sich wird die Berechtigung zur Nötigung durch
die vom Gesetze verpönten Mittel, durch Gewalt oder Be-
drohung mit Verbrechen oder Vergehen selbstverständ-
lich nicht gegeben.4

Die Vollendung der Nötigung tritt erst mit der erzwun-
genen Handlung, Duldung, Unterlassung ein; der Versuch,
der hier trotz der Vergehensnatur des Deliktes strafbar ist,
beginnt schon mit der Anwendung von Gewalt oder Drohung,
als der Mittel zur Herbeiführung der Handlung usw.

Strafe: Gefängnis bis zu 1 Jahr oder Geld bis zu
600 Mark.

2. Einen besonderen Fall der Nötigung enthält §. 153
der Gewerbeordnung: Wer andere durch Anwendung
körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrver-
letzung
, oder durch Verrufserklärung bestimmt oder zu
bestimmen versucht
, an Verabredungen zum Behufe der
Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbe-
sondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der
Arbeiter, teilzunehmen oder ihnen Folge zu leisten, oder An-
dere durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern ver-
sucht
, von solchen Verabredungen zurückzutreten, wird mit
Gefängnis bis zu 3 Monaten bestraft, sofern nach dem all-
gemeinen Strafgesetz nicht eine härtere Strafe eintritt. Die
Erweiterung des Kreises der strafbarmachenden Nötigungs-
mittel sowie die Gleichstellung von Versuch und Vollendung
unterscheiden -- ganz abgesehen von dem Inhalt der Nö-
tigung -- diesen Thatbestand von dem des §. 240 StGB.

4 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 21. Oktober
1879, E I 5, R I 9; 26. Juni[Spaltenumbruch] 1880, R II 124.

Erſtes Buch. II. Delikte gegen die perſönliche Freiheit.
genommen; mithin zum Vorſatze Bewußtſein derſelben er-
forderlich (vgl. oben §. 28 II). Durch die Berechtigung zur
Nötigung an ſich wird die Berechtigung zur Nötigung durch
die vom Geſetze verpönten Mittel, durch Gewalt oder Be-
drohung mit Verbrechen oder Vergehen ſelbſtverſtänd-
lich nicht gegeben.4

Die Vollendung der Nötigung tritt erſt mit der erzwun-
genen Handlung, Duldung, Unterlaſſung ein; der Verſuch,
der hier trotz der Vergehensnatur des Deliktes ſtrafbar iſt,
beginnt ſchon mit der Anwendung von Gewalt oder Drohung,
als der Mittel zur Herbeiführung der Handlung uſw.

Strafe: Gefängnis bis zu 1 Jahr oder Geld bis zu
600 Mark.

2. Einen beſonderen Fall der Nötigung enthält §. 153
der Gewerbeordnung: Wer andere durch Anwendung
körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrver-
letzung
, oder durch Verrufserklärung beſtimmt oder zu
beſtimmen verſucht
, an Verabredungen zum Behufe der
Erlangung günſtigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbe-
ſondere mittels Einſtellung der Arbeit oder Entlaſſung der
Arbeiter, teilzunehmen oder ihnen Folge zu leiſten, oder An-
dere durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern ver-
ſucht
, von ſolchen Verabredungen zurückzutreten, wird mit
Gefängnis bis zu 3 Monaten beſtraft, ſofern nach dem all-
gemeinen Strafgeſetz nicht eine härtere Strafe eintritt. Die
Erweiterung des Kreiſes der ſtrafbarmachenden Nötigungs-
mittel ſowie die Gleichſtellung von Verſuch und Vollendung
unterſcheiden — ganz abgeſehen von dem Inhalt der Nö-
tigung — dieſen Thatbeſtand von dem des §. 240 StGB.

4 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 21. Oktober
1879, E I 5, R I 9; 26. Juni[Spaltenumbruch] 1880, R II 124.
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[252/0278] Erſtes Buch. II. Delikte gegen die perſönliche Freiheit. genommen; mithin zum Vorſatze Bewußtſein derſelben er- forderlich (vgl. oben §. 28 II). Durch die Berechtigung zur Nötigung an ſich wird die Berechtigung zur Nötigung durch die vom Geſetze verpönten Mittel, durch Gewalt oder Be- drohung mit Verbrechen oder Vergehen ſelbſtverſtänd- lich nicht gegeben. 4 Die Vollendung der Nötigung tritt erſt mit der erzwun- genen Handlung, Duldung, Unterlaſſung ein; der Verſuch, der hier trotz der Vergehensnatur des Deliktes ſtrafbar iſt, beginnt ſchon mit der Anwendung von Gewalt oder Drohung, als der Mittel zur Herbeiführung der Handlung uſw. Strafe: Gefängnis bis zu 1 Jahr oder Geld bis zu 600 Mark. 2. Einen beſonderen Fall der Nötigung enthält §. 153 der Gewerbeordnung: Wer andere durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrver- letzung, oder durch Verrufserklärung beſtimmt oder zu beſtimmen verſucht, an Verabredungen zum Behufe der Erlangung günſtigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbe- ſondere mittels Einſtellung der Arbeit oder Entlaſſung der Arbeiter, teilzunehmen oder ihnen Folge zu leiſten, oder An- dere durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern ver- ſucht, von ſolchen Verabredungen zurückzutreten, wird mit Gefängnis bis zu 3 Monaten beſtraft, ſofern nach dem all- gemeinen Strafgeſetz nicht eine härtere Strafe eintritt. Die Erweiterung des Kreiſes der ſtrafbarmachenden Nötigungs- mittel ſowie die Gleichſtellung von Verſuch und Vollendung unterſcheiden — ganz abgeſehen von dem Inhalt der Nö- tigung — dieſen Thatbeſtand von dem des §. 240 StGB. 4 Vgl. RGR. 21. Oktober 1879, E I 5, R I 9; 26. Juni 1880, R II 124.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/278>, abgerufen am 23.04.2024.