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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Gefährdung von Leib und Leben. §. 62.

Zweikampf ist der verabredete, den hergebrachten
oder vereinbarten Regeln entsprechende, Kampf
mit tötlichen Waffen zwischen zwei Personen
.
Den Begriff der Waffe haben wir hier (im Gegensatze zu
dem oben §. 61 Note 2 Gesagten) im engeren Sinne zu
nehmen: er umfaßt alle zu Angriff und Verteidigung be-
stimmten
und zur Zufügung von Verletzungen geeigneten
Werkzeuge.14 Tötliche Waffen aber sind diejenigen, die bei
bestimmungsgemäßem Gebrauche und unter den gegebenen
Umständen tötliche Verletzungen herbeizuführen geeignet sind.
Dabei müssen, wie bei Anwendung aller relativen Begriffe
des Strafrechtes, ganz außergewöhnliche Komplikationen
außer Betracht gelassen werden. Demnach sind studentische
Schlägermensuren, wenn unter Anwendung der regel-
mäßigen Vorsichtsmaßregeln vor sich gehend, zwar als ein
vielleicht strafwürdiges (positiv-rechtlich strafloses) Auf's-
Spiel-Setzen der körperlichen Integrität, nicht aber als
Kampf mit tötlichen Waffen zu betrachten.15 Die An-
wendung der strafgesetzlichen Bestimmungen über Körper-
verletzung und Raufhandel ist durch die Natur dieser Men-
suren als eines vereinbarten und geregelten Kampfes aus-
geschlossen. Die akademischen Vorschriften über
Studentenduelle sind durch das RStGB. als Straf-, nicht
aber als Disziplinargesetze (vgl. oben §. 42 IV) beseitigt
worden.

Das sogenannte amerikanische Duell oder die Losung
um's Leben ist weder Zweikampf noch Anstiftung zum Selbst-
morde, sondern wie der Zweikampf ein Glücksspiel um Leib

14 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 2. Juni 1880,
E I 445, R II 14.
15 [Spaltenumbruch] Die eben cit. RGR. hat[Spaltenumbruch] diese Frage, als zur Kompetenz
des Erstrichters gehörig, nicht
entschieden.
Gefährdung von Leib und Leben. §. 62.

Zweikampf iſt der verabredete, den hergebrachten
oder vereinbarten Regeln entſprechende, Kampf
mit tötlichen Waffen zwiſchen zwei Perſonen
.
Den Begriff der Waffe haben wir hier (im Gegenſatze zu
dem oben §. 61 Note 2 Geſagten) im engeren Sinne zu
nehmen: er umfaßt alle zu Angriff und Verteidigung be-
ſtimmten
und zur Zufügung von Verletzungen geeigneten
Werkzeuge.14 Tötliche Waffen aber ſind diejenigen, die bei
beſtimmungsgemäßem Gebrauche und unter den gegebenen
Umſtänden tötliche Verletzungen herbeizuführen geeignet ſind.
Dabei müſſen, wie bei Anwendung aller relativen Begriffe
des Strafrechtes, ganz außergewöhnliche Komplikationen
außer Betracht gelaſſen werden. Demnach ſind ſtudentiſche
Schlägermenſuren, wenn unter Anwendung der regel-
mäßigen Vorſichtsmaßregeln vor ſich gehend, zwar als ein
vielleicht ſtrafwürdiges (poſitiv-rechtlich ſtrafloſes) Auf’s-
Spiel-Setzen der körperlichen Integrität, nicht aber als
Kampf mit tötlichen Waffen zu betrachten.15 Die An-
wendung der ſtrafgeſetzlichen Beſtimmungen über Körper-
verletzung und Raufhandel iſt durch die Natur dieſer Men-
ſuren als eines vereinbarten und geregelten Kampfes aus-
geſchloſſen. Die akademiſchen Vorſchriften über
Studentenduelle ſind durch das RStGB. als Straf-, nicht
aber als Disziplinargeſetze (vgl. oben §. 42 IV) beſeitigt
worden.

Das ſogenannte amerikaniſche Duell oder die Loſung
um’s Leben iſt weder Zweikampf noch Anſtiftung zum Selbſt-
morde, ſondern wie der Zweikampf ein Glücksſpiel um Leib

14 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 2. Juni 1880,
E I 445, R II 14.
15 [Spaltenumbruch] Die eben cit. RGR. hat[Spaltenumbruch] dieſe Frage, als zur Kompetenz
des Erſtrichters gehörig, nicht
entſchieden.
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[247/0273] Gefährdung von Leib und Leben. §. 62. Zweikampf iſt der verabredete, den hergebrachten oder vereinbarten Regeln entſprechende, Kampf mit tötlichen Waffen zwiſchen zwei Perſonen. Den Begriff der Waffe haben wir hier (im Gegenſatze zu dem oben §. 61 Note 2 Geſagten) im engeren Sinne zu nehmen: er umfaßt alle zu Angriff und Verteidigung be- ſtimmten und zur Zufügung von Verletzungen geeigneten Werkzeuge. 14 Tötliche Waffen aber ſind diejenigen, die bei beſtimmungsgemäßem Gebrauche und unter den gegebenen Umſtänden tötliche Verletzungen herbeizuführen geeignet ſind. Dabei müſſen, wie bei Anwendung aller relativen Begriffe des Strafrechtes, ganz außergewöhnliche Komplikationen außer Betracht gelaſſen werden. Demnach ſind ſtudentiſche Schlägermenſuren, wenn unter Anwendung der regel- mäßigen Vorſichtsmaßregeln vor ſich gehend, zwar als ein vielleicht ſtrafwürdiges (poſitiv-rechtlich ſtrafloſes) Auf’s- Spiel-Setzen der körperlichen Integrität, nicht aber als Kampf mit tötlichen Waffen zu betrachten. 15 Die An- wendung der ſtrafgeſetzlichen Beſtimmungen über Körper- verletzung und Raufhandel iſt durch die Natur dieſer Men- ſuren als eines vereinbarten und geregelten Kampfes aus- geſchloſſen. Die akademiſchen Vorſchriften über Studentenduelle ſind durch das RStGB. als Straf-, nicht aber als Disziplinargeſetze (vgl. oben §. 42 IV) beſeitigt worden. Das ſogenannte amerikaniſche Duell oder die Loſung um’s Leben iſt weder Zweikampf noch Anſtiftung zum Selbſt- morde, ſondern wie der Zweikampf ein Glücksſpiel um Leib 14 Vgl. RGR. 2. Juni 1880, E I 445, R II 14. 15 Die eben cit. RGR. hat dieſe Frage, als zur Kompetenz des Erſtrichters gehörig, nicht entſchieden.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/273>, abgerufen am 16.04.2024.