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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Die Körperverletzung. §. 61.

Antragsberechtigt ist der Verletzte (bez. dessen Ver-
treter; vgl. oben §. 31 III 1).

Abweichungen von diesem Satze:

1. Sind Ehefrauen oder unter väterlicher Gewalt ste-
hende Kinder beleidigt worden, so haben sowohl die Belei-
digten, als deren Ehemänner und Väter das Recht, auf
Bestrafung anzutragen (StGB. §. 232 mit §. 195); und zwar
auch noch nach dem Tode des Verletzten (RGR. 9. De-
zember 1879, E I S. 29).

2. Ist die strafbare Handlung gegen eine Behörde,
einen Beamten (Begriff unten §. 92 I 2), einen Religions-
diener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während
sie in der Ausübung ihres Berufes begriffen sind, oder in
Beziehung auf ihren Beruf begangen worden, so steht das
Antragsrecht nicht nur den Verletzten, sondern auch deren
amtlich Vorgesetzten zu (StGB. §. 232 mit §. 196). --

Eine Erweiterung, bez. Beschränkung der Antragsfrist
(vgl. oben §. 31 III 2) tritt bei wechselseitigen Körper-
verletzungen, d. h. dann ein, wenn der klagende Verletzte
den beklagten Verletzer ebenfalls verletzt hat. Einzige Vor-
aussetzung ist mithin die prozessuale Stellung beider Teile,
mögen auch die beiderseitigen Verletzungen weder in zeitlichem
noch in ursächlichem Zusammenhange stehen (RGR. 4. Juni
1880, E II 87). In diesem Falle ist nämlich, wenn von
einem Teile auf Bestrafung angetragen worden, der andere
Teil bei Verlust seines Rechtes verpflichtet, den Antrag auf
Bestrafung spätestens bis zur Beendigung der Schlußvorträge
in 1. Instanz (StPO. §. 428) zu stellen, hiezu aber auch
dann berechtigt, wenn zu jenem Zeitpunkte die dreimonatliche
Frist bereits abgelaufen ist (StGB. §. 232 mit §. 198).
Auf den Fall, in welchem Körperverletzung und Beleidigung

Die Körperverletzung. §. 61.

Antragsberechtigt iſt der Verletzte (bez. deſſen Ver-
treter; vgl. oben §. 31 III 1).

Abweichungen von dieſem Satze:

1. Sind Ehefrauen oder unter väterlicher Gewalt ſte-
hende Kinder beleidigt worden, ſo haben ſowohl die Belei-
digten, als deren Ehemänner und Väter das Recht, auf
Beſtrafung anzutragen (StGB. §. 232 mit §. 195); und zwar
auch noch nach dem Tode des Verletzten (RGR. 9. De-
zember 1879, E I S. 29).

2. Iſt die ſtrafbare Handlung gegen eine Behörde,
einen Beamten (Begriff unten §. 92 I 2), einen Religions-
diener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während
ſie in der Ausübung ihres Berufes begriffen ſind, oder in
Beziehung auf ihren Beruf begangen worden, ſo ſteht das
Antragsrecht nicht nur den Verletzten, ſondern auch deren
amtlich Vorgeſetzten zu (StGB. §. 232 mit §. 196). —

Eine Erweiterung, bez. Beſchränkung der Antragsfriſt
(vgl. oben §. 31 III 2) tritt bei wechſelſeitigen Körper-
verletzungen, d. h. dann ein, wenn der klagende Verletzte
den beklagten Verletzer ebenfalls verletzt hat. Einzige Vor-
ausſetzung iſt mithin die prozeſſuale Stellung beider Teile,
mögen auch die beiderſeitigen Verletzungen weder in zeitlichem
noch in urſächlichem Zuſammenhange ſtehen (RGR. 4. Juni
1880, E II 87). In dieſem Falle iſt nämlich, wenn von
einem Teile auf Beſtrafung angetragen worden, der andere
Teil bei Verluſt ſeines Rechtes verpflichtet, den Antrag auf
Beſtrafung ſpäteſtens bis zur Beendigung der Schlußvorträge
in 1. Inſtanz (StPO. §. 428) zu ſtellen, hiezu aber auch
dann berechtigt, wenn zu jenem Zeitpunkte die dreimonatliche
Friſt bereits abgelaufen iſt (StGB. §. 232 mit §. 198).
Auf den Fall, in welchem Körperverletzung und Beleidigung

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[239/0265] Die Körperverletzung. §. 61. Antragsberechtigt iſt der Verletzte (bez. deſſen Ver- treter; vgl. oben §. 31 III 1). Abweichungen von dieſem Satze: 1. Sind Ehefrauen oder unter väterlicher Gewalt ſte- hende Kinder beleidigt worden, ſo haben ſowohl die Belei- digten, als deren Ehemänner und Väter das Recht, auf Beſtrafung anzutragen (StGB. §. 232 mit §. 195); und zwar auch noch nach dem Tode des Verletzten (RGR. 9. De- zember 1879, E I S. 29). 2. Iſt die ſtrafbare Handlung gegen eine Behörde, einen Beamten (Begriff unten §. 92 I 2), einen Religions- diener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während ſie in der Ausübung ihres Berufes begriffen ſind, oder in Beziehung auf ihren Beruf begangen worden, ſo ſteht das Antragsrecht nicht nur den Verletzten, ſondern auch deren amtlich Vorgeſetzten zu (StGB. §. 232 mit §. 196). — Eine Erweiterung, bez. Beſchränkung der Antragsfriſt (vgl. oben §. 31 III 2) tritt bei wechſelſeitigen Körper- verletzungen, d. h. dann ein, wenn der klagende Verletzte den beklagten Verletzer ebenfalls verletzt hat. Einzige Vor- ausſetzung iſt mithin die prozeſſuale Stellung beider Teile, mögen auch die beiderſeitigen Verletzungen weder in zeitlichem noch in urſächlichem Zuſammenhange ſtehen (RGR. 4. Juni 1880, E II 87). In dieſem Falle iſt nämlich, wenn von einem Teile auf Beſtrafung angetragen worden, der andere Teil bei Verluſt ſeines Rechtes verpflichtet, den Antrag auf Beſtrafung ſpäteſtens bis zur Beendigung der Schlußvorträge in 1. Inſtanz (StPO. §. 428) zu ſtellen, hiezu aber auch dann berechtigt, wenn zu jenem Zeitpunkte die dreimonatliche Friſt bereits abgelaufen iſt (StGB. §. 232 mit §. 198). Auf den Fall, in welchem Körperverletzung und Beleidigung

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/265>, abgerufen am 25.04.2024.