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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Strafumwandlung und Strafanrechnung. §. 55.
So nach den §§. 44, 49, 157, 158 StGB., wenn nach dem
erniedrigten Strafrahmen Zuchthausstrafe unter einem Jahre
(vgl. oben §. 46 II 2) verwirkt wäre; bei Feststellung der
Gesammtstrafe nach §. 74 StGB. (vgl. unten §. 56 II);
endlich wenn an Stelle der Geldstrafe Zuchthaus treten
soll, StGB. §. 28 (vgl. oben unter 1). In diesen Fällen
können auch Tage und Wochen Zuchthaus ausgeworfen
werden (vgl. oben §. 46 II 3), da es sich hier um ein
rechnungsmäßig sich ergebendes Resultat handelt.

Maßstab der Umrechnung (StGB. §. 21): 8 Mo-
nate Zuchthaus gleich 12 Monate Gefängnis; 8 Monate
Gefängnis gleich 12 Monate Festungshaft.

II. Strafanrechnung.

1. Eine erlittene Untersuchungshaft kann als
Strafverbüßung betrachtet und bei Fällung des Urteils auf
die erkannte Strafe (die im Urteilstenor ihrem vollen Be-
trage nach anzugeben ist) ganz oder teilweise angerechnet
werden (StGB. §. 60). Die Anrechnung ist bei Freiheits-
und Geldstrafe, nicht bei Verweis oder Todesstrafe, nie bei
den Nebenstrafen gestattet.

2. Eine im Auslande vollzogene Strafe ist, wenn
wegen derselben Handlung im Gebiete des deutschen Reichs
abermals eine Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe
in Anrechnung zu bringen (StGB. §. 7 vgl. mit §§. 3 u. 4).

In den Fällen der Anrechnung ist Zuchthaus wie regel-
mäßig (oben §. 46 II 3) nach vollen Monaten zu berechnen.

3. Als einen der Strafanrechnung verwandten Fall haben
wir die in den §§. 199 und 233 StGB. enthaltene Bestim-
mung (die sog. Retorsion) zu konstruieren. An Stelle der er-
littenen Strafe wird hier die erlittene Beleidigung oder
Körperverletzung zur Anrechnung gebracht.

Strafumwandlung und Strafanrechnung. §. 55.
So nach den §§. 44, 49, 157, 158 StGB., wenn nach dem
erniedrigten Strafrahmen Zuchthausſtrafe unter einem Jahre
(vgl. oben §. 46 II 2) verwirkt wäre; bei Feſtſtellung der
Geſammtſtrafe nach §. 74 StGB. (vgl. unten §. 56 II);
endlich wenn an Stelle der Geldſtrafe Zuchthaus treten
ſoll, StGB. §. 28 (vgl. oben unter 1). In dieſen Fällen
können auch Tage und Wochen Zuchthaus ausgeworfen
werden (vgl. oben §. 46 II 3), da es ſich hier um ein
rechnungsmäßig ſich ergebendes Reſultat handelt.

Maßſtab der Umrechnung (StGB. §. 21): 8 Mo-
nate Zuchthaus gleich 12 Monate Gefängnis; 8 Monate
Gefängnis gleich 12 Monate Feſtungshaft.

II. Strafanrechnung.

1. Eine erlittene Unterſuchungshaft kann als
Strafverbüßung betrachtet und bei Fällung des Urteils auf
die erkannte Strafe (die im Urteilstenor ihrem vollen Be-
trage nach anzugeben iſt) ganz oder teilweiſe angerechnet
werden (StGB. §. 60). Die Anrechnung iſt bei Freiheits-
und Geldſtrafe, nicht bei Verweis oder Todesſtrafe, nie bei
den Nebenſtrafen geſtattet.

2. Eine im Auslande vollzogene Strafe iſt, wenn
wegen derſelben Handlung im Gebiete des deutſchen Reichs
abermals eine Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe
in Anrechnung zu bringen (StGB. §. 7 vgl. mit §§. 3 u. 4).

In den Fällen der Anrechnung iſt Zuchthaus wie regel-
mäßig (oben §. 46 II 3) nach vollen Monaten zu berechnen.

3. Als einen der Strafanrechnung verwandten Fall haben
wir die in den §§. 199 und 233 StGB. enthaltene Beſtim-
mung (die ſog. Retorſion) zu konſtruieren. An Stelle der er-
littenen Strafe wird hier die erlittene Beleidigung oder
Körperverletzung zur Anrechnung gebracht.

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[215/0241] Strafumwandlung und Strafanrechnung. §. 55. So nach den §§. 44, 49, 157, 158 StGB., wenn nach dem erniedrigten Strafrahmen Zuchthausſtrafe unter einem Jahre (vgl. oben §. 46 II 2) verwirkt wäre; bei Feſtſtellung der Geſammtſtrafe nach §. 74 StGB. (vgl. unten §. 56 II); endlich wenn an Stelle der Geldſtrafe Zuchthaus treten ſoll, StGB. §. 28 (vgl. oben unter 1). In dieſen Fällen können auch Tage und Wochen Zuchthaus ausgeworfen werden (vgl. oben §. 46 II 3), da es ſich hier um ein rechnungsmäßig ſich ergebendes Reſultat handelt. Maßſtab der Umrechnung (StGB. §. 21): 8 Mo- nate Zuchthaus gleich 12 Monate Gefängnis; 8 Monate Gefängnis gleich 12 Monate Feſtungshaft. II. Strafanrechnung. 1. Eine erlittene Unterſuchungshaft kann als Strafverbüßung betrachtet und bei Fällung des Urteils auf die erkannte Strafe (die im Urteilstenor ihrem vollen Be- trage nach anzugeben iſt) ganz oder teilweiſe angerechnet werden (StGB. §. 60). Die Anrechnung iſt bei Freiheits- und Geldſtrafe, nicht bei Verweis oder Todesſtrafe, nie bei den Nebenſtrafen geſtattet. 2. Eine im Auslande vollzogene Strafe iſt, wenn wegen derſelben Handlung im Gebiete des deutſchen Reichs abermals eine Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen (StGB. §. 7 vgl. mit §§. 3 u. 4). In den Fällen der Anrechnung iſt Zuchthaus wie regel- mäßig (oben §. 46 II 3) nach vollen Monaten zu berechnen. 3. Als einen der Strafanrechnung verwandten Fall haben wir die in den §§. 199 und 233 StGB. enthaltene Beſtim- mung (die ſog. Retorſion) zu konſtruieren. An Stelle der er- littenen Strafe wird hier die erlittene Beleidigung oder Körperverletzung zur Anrechnung gebracht.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/241>, abgerufen am 29.03.2024.