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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Natürliche u. juristische Einheit d. Handlung. §. 39.
wie in all' den anderen Fällen entscheiden, in welchen die
Rechtswissenschaft mit dem Begriffe der Gleichartigkeit ar-
beitet. Deshalb das "fortgesetzte" Verbrechen überhaupt
leugnen wollen, heißt die Grenzlinie zwischen Theorie und
Praxis verkennen. Beispiele: Das ehebrecherische Verhältnis
des A mit der C führt zu einer Reihe von Beischlafsakten;
der Diener nimmt sich täglich eine Cigarre aus dem Ci-
garrenkistchen seines Herrn; Verausgaben des auf einmal
sich verschafften falschen Geldes in Teilbeiträgen RGR.
4. Dezember 1879, E I 25, R I 114; wiederholt in meh-
reren aufeinanderfolgenden Nächten mit demselben Knaben
getriebene widernatürliche Unzucht RGR. 10. Juli 1880,
E I 450.

3. Das gewerbs-, geschäfts-, gewohnheitsmä-
ßige Verbrechen
;2 eine durch die Jurisprudenz geschaffene
künstliche Einheit von begangenen oder von begangenen und
beabsichtigten Handlungen, die als Einheit vom Gesetzgeber
bald zum strafbarmachenden (vgl. oben §. 4 I), bald zum straf-
schärfenden (vgl. unten §. 54 I 2) Momente erhoben wird.

a) Die Gewerbsmäßigkeit charakterisiert sich einerseits
durch die auf öftere Wiederholung gerichtete Absicht,
andrerseits durch die Absicht des Thäters, sich durch
diese Wiederholung eine, wenn auch nicht regelmäßig
oder dauernd fließende Einnahmsquelle zu ver-
schaffen.3 Vgl. StGB. §§. 260, 284, 294, 302 d,
360 Ziff. 6; Münzgesetz vom 9. Juli 1873 §. 13;
Reichsbankgesetz vom 14. März 1875 §. 57 Abs. 2;
Patentgesetz vom 25. Mai 1877 §. 4.
2 [Spaltenumbruch] Vgl. v. Lilienthal Beiträge
zur Lehre von den Kollektivde-
likten 1879.
3 [Spaltenumbruch] RGR. 24. April 1880,
E I 654.
von Liszt, Strafrecht. 11

Natürliche u. juriſtiſche Einheit d. Handlung. §. 39.
wie in all’ den anderen Fällen entſcheiden, in welchen die
Rechtswiſſenſchaft mit dem Begriffe der Gleichartigkeit ar-
beitet. Deshalb das „fortgeſetzte“ Verbrechen überhaupt
leugnen wollen, heißt die Grenzlinie zwiſchen Theorie und
Praxis verkennen. Beiſpiele: Das ehebrecheriſche Verhältnis
des A mit der C führt zu einer Reihe von Beiſchlafsakten;
der Diener nimmt ſich täglich eine Cigarre aus dem Ci-
garrenkiſtchen ſeines Herrn; Verausgaben des auf einmal
ſich verſchafften falſchen Geldes in Teilbeiträgen RGR.
4. Dezember 1879, E I 25, R I 114; wiederholt in meh-
reren aufeinanderfolgenden Nächten mit demſelben Knaben
getriebene widernatürliche Unzucht RGR. 10. Juli 1880,
E I 450.

3. Das gewerbs-, geſchäfts-, gewohnheitsmä-
ßige Verbrechen
;2 eine durch die Jurisprudenz geſchaffene
künſtliche Einheit von begangenen oder von begangenen und
beabſichtigten Handlungen, die als Einheit vom Geſetzgeber
bald zum ſtrafbarmachenden (vgl. oben §. 4 I), bald zum ſtraf-
ſchärfenden (vgl. unten §. 54 I 2) Momente erhoben wird.

a) Die Gewerbsmäßigkeit charakteriſiert ſich einerſeits
durch die auf öftere Wiederholung gerichtete Abſicht,
andrerſeits durch die Abſicht des Thäters, ſich durch
dieſe Wiederholung eine, wenn auch nicht regelmäßig
oder dauernd fließende Einnahmsquelle zu ver-
ſchaffen.3 Vgl. StGB. §§. 260, 284, 294, 302 d,
360 Ziff. 6; Münzgeſetz vom 9. Juli 1873 §. 13;
Reichsbankgeſetz vom 14. März 1875 §. 57 Abſ. 2;
Patentgeſetz vom 25. Mai 1877 §. 4.
2 [Spaltenumbruch] Vgl. v. Lilienthal Beiträge
zur Lehre von den Kollektivde-
likten 1879.
3 [Spaltenumbruch] RGR. 24. April 1880,
E I 654.
von Liszt, Strafrecht. 11
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[161/0187] Natürliche u. juriſtiſche Einheit d. Handlung. §. 39. wie in all’ den anderen Fällen entſcheiden, in welchen die Rechtswiſſenſchaft mit dem Begriffe der Gleichartigkeit ar- beitet. Deshalb das „fortgeſetzte“ Verbrechen überhaupt leugnen wollen, heißt die Grenzlinie zwiſchen Theorie und Praxis verkennen. Beiſpiele: Das ehebrecheriſche Verhältnis des A mit der C führt zu einer Reihe von Beiſchlafsakten; der Diener nimmt ſich täglich eine Cigarre aus dem Ci- garrenkiſtchen ſeines Herrn; Verausgaben des auf einmal ſich verſchafften falſchen Geldes in Teilbeiträgen RGR. 4. Dezember 1879, E I 25, R I 114; wiederholt in meh- reren aufeinanderfolgenden Nächten mit demſelben Knaben getriebene widernatürliche Unzucht RGR. 10. Juli 1880, E I 450. 3. Das gewerbs-, geſchäfts-, gewohnheitsmä- ßige Verbrechen; 2 eine durch die Jurisprudenz geſchaffene künſtliche Einheit von begangenen oder von begangenen und beabſichtigten Handlungen, die als Einheit vom Geſetzgeber bald zum ſtrafbarmachenden (vgl. oben §. 4 I), bald zum ſtraf- ſchärfenden (vgl. unten §. 54 I 2) Momente erhoben wird. a) Die Gewerbsmäßigkeit charakteriſiert ſich einerſeits durch die auf öftere Wiederholung gerichtete Abſicht, andrerſeits durch die Abſicht des Thäters, ſich durch dieſe Wiederholung eine, wenn auch nicht regelmäßig oder dauernd fließende Einnahmsquelle zu ver- ſchaffen. 3 Vgl. StGB. §§. 260, 284, 294, 302 d, 360 Ziff. 6; Münzgeſetz vom 9. Juli 1873 §. 13; Reichsbankgeſetz vom 14. März 1875 §. 57 Abſ. 2; Patentgeſetz vom 25. Mai 1877 §. 4. 2 Vgl. v. Lilienthal Beiträge zur Lehre von den Kollektivde- likten 1879. 3 RGR. 24. April 1880, E I 654. von Liszt, Strafrecht. 11

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/187>, abgerufen am 29.03.2024.