Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Antrag des Verletzten insbesondere. §. 31.

Die Stellung des Antrages kann auch durch einen Spe-
zialbevollmächtigten
erfolgen; aber auch Generalvoll-
macht ist als genügend zu betrachten, wenn und soweit im ein-
zelnen Falle angenommen werden kann, daß die Stellung des
Antrages dem Willen des Berechtigten entspricht; und insbe-
sondere gilt dies von strafbaren Eingriffen in vermögensrecht-
liche Interessen, mit deren Wahrung der Bevollmächtigte
betraut ist RGR. 20. April 1880, E I 387, R I 620. Ja
selbst ein Nichtbevollmächtigter wird zur Antragstellung zu-
zulassen sein, wenn stillschweigender Auftrag oder Einver-
ständnis des Verletzten angenommen werden kann RGR.
17. Dezember 1879, R I 163.

Mehrere Antragsberechtigungen, mögen diese mehreren
Verletzten oder aber dem Verletzten und den Nebenberech-
tigten zukommen, sind von einander unabhängig (StGB.
§. 62; vgl. mit StPO. §. 415).

2. Das Antragsrecht ist befristet. Es erlischt (StGB.
§. 61), wenn der zum Antrage Berechtigte es unterläßt, den
Antrag binnen drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt
mit dem Tage, seit welchem der zum Antrage Berechtigte
von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntnis
gehabt hat. Ebenso nach §. 35 Nachdrucksgesetz vom 11. Juni
1870. Die Frist ist demnach, wenn die Kenntnis z. B. am
12. Februar erlangt worden, mit Beginn des 12. Mai be-
reits abgelaufen (RGR. 22. Dezember 1879, E I 40). Ist
die Strafbarkeit der That von einer zu ihrer Normwidrig-
keit hinzutretenden Bedingung abhängig, so beginnt die An-
tragsfrist erst mit dem Eintritte der Bedingung zu laufen,
vgl. oben §. 30 II.

Eine wesentliche Veränderung erleidet diese Frist in dem
Falle wechselseitiger Beleidigungen und Körperverletzungen

von Liszt, Strafrecht. 9
Der Antrag des Verletzten insbeſondere. §. 31.

Die Stellung des Antrages kann auch durch einen Spe-
zialbevollmächtigten
erfolgen; aber auch Generalvoll-
macht iſt als genügend zu betrachten, wenn und ſoweit im ein-
zelnen Falle angenommen werden kann, daß die Stellung des
Antrages dem Willen des Berechtigten entſpricht; und insbe-
ſondere gilt dies von ſtrafbaren Eingriffen in vermögensrecht-
liche Intereſſen, mit deren Wahrung der Bevollmächtigte
betraut iſt RGR. 20. April 1880, E I 387, R I 620. Ja
ſelbſt ein Nichtbevollmächtigter wird zur Antragſtellung zu-
zulaſſen ſein, wenn ſtillſchweigender Auftrag oder Einver-
ſtändnis des Verletzten angenommen werden kann RGR.
17. Dezember 1879, R I 163.

Mehrere Antragsberechtigungen, mögen dieſe mehreren
Verletzten oder aber dem Verletzten und den Nebenberech-
tigten zukommen, ſind von einander unabhängig (StGB.
§. 62; vgl. mit StPO. §. 415).

2. Das Antragsrecht iſt befriſtet. Es erliſcht (StGB.
§. 61), wenn der zum Antrage Berechtigte es unterläßt, den
Antrag binnen drei Monaten zu ſtellen. Die Friſt beginnt
mit dem Tage, ſeit welchem der zum Antrage Berechtigte
von der Handlung und von der Perſon des Thäters Kenntnis
gehabt hat. Ebenſo nach §. 35 Nachdrucksgeſetz vom 11. Juni
1870. Die Friſt iſt demnach, wenn die Kenntnis z. B. am
12. Februar erlangt worden, mit Beginn des 12. Mai be-
reits abgelaufen (RGR. 22. Dezember 1879, E I 40). Iſt
die Strafbarkeit der That von einer zu ihrer Normwidrig-
keit hinzutretenden Bedingung abhängig, ſo beginnt die An-
tragsfriſt erſt mit dem Eintritte der Bedingung zu laufen,
vgl. oben §. 30 II.

Eine weſentliche Veränderung erleidet dieſe Friſt in dem
Falle wechſelſeitiger Beleidigungen und Körperverletzungen

von Liszt, Strafrecht. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0155" n="129"/>
              <fw place="top" type="header">Der Antrag des Verletzten insbe&#x017F;ondere. §. 31.</fw><lb/>
              <p>Die Stellung des Antrages kann auch durch einen <hi rendition="#g">Spe-<lb/>
zialbevollmächtigten</hi> erfolgen; aber auch <hi rendition="#g">General</hi>voll-<lb/>
macht i&#x017F;t als genügend zu betrachten, wenn und &#x017F;oweit im ein-<lb/>
zelnen Falle angenommen werden kann, daß die Stellung des<lb/>
Antrages dem Willen des Berechtigten ent&#x017F;pricht; und insbe-<lb/>
&#x017F;ondere gilt dies von &#x017F;trafbaren Eingriffen in vermögensrecht-<lb/>
liche Intere&#x017F;&#x017F;en, mit deren Wahrung der Bevollmächtigte<lb/>
betraut i&#x017F;t RGR. 20. April 1880, <hi rendition="#aq">E I 387, R I</hi> 620. Ja<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ein <hi rendition="#g">Nicht</hi>bevollmächtigter wird zur Antrag&#x017F;tellung zu-<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein, wenn &#x017F;till&#x017F;chweigender Auftrag oder Einver-<lb/>
&#x017F;tändnis des Verletzten angenommen werden kann RGR.<lb/>
17. Dezember 1879, <hi rendition="#aq">R I</hi> 163.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Mehrere</hi> Antragsberechtigungen, mögen die&#x017F;e mehreren<lb/>
Verletzten oder aber dem Verletzten und den Nebenberech-<lb/>
tigten zukommen, &#x017F;ind von einander unabhängig (StGB.<lb/>
§. 62; vgl. mit StPO. §. 415).</p><lb/>
              <p>2. Das Antragsrecht i&#x017F;t <hi rendition="#g">befri&#x017F;tet</hi>. Es erli&#x017F;cht (StGB.<lb/>
§. 61), wenn der zum Antrage Berechtigte es unterläßt, den<lb/>
Antrag binnen drei Monaten zu &#x017F;tellen. Die Fri&#x017F;t beginnt<lb/>
mit dem Tage, &#x017F;eit welchem der zum Antrage Berechtigte<lb/>
von der Handlung und von der Per&#x017F;on des Thäters Kenntnis<lb/>
gehabt hat. Eben&#x017F;o nach §. 35 Nachdrucksge&#x017F;etz vom 11. Juni<lb/>
1870. Die Fri&#x017F;t i&#x017F;t demnach, wenn die Kenntnis z. B. am<lb/>
12. Februar erlangt worden, mit Beginn des 12. Mai be-<lb/>
reits abgelaufen (RGR. 22. Dezember 1879, <hi rendition="#aq">E I</hi> 40). I&#x017F;t<lb/>
die Strafbarkeit der That von einer zu ihrer Normwidrig-<lb/>
keit hinzutretenden Bedingung abhängig, &#x017F;o beginnt die An-<lb/>
tragsfri&#x017F;t er&#x017F;t mit dem Eintritte der Bedingung zu laufen,<lb/>
vgl. oben §. 30 <hi rendition="#aq">II.</hi></p><lb/>
              <p>Eine we&#x017F;entliche Veränderung erleidet die&#x017F;e Fri&#x017F;t in dem<lb/>
Falle wech&#x017F;el&#x017F;eitiger Beleidigungen und Körperverletzungen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">von Liszt</hi>, Strafrecht. 9</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0155] Der Antrag des Verletzten insbeſondere. §. 31. Die Stellung des Antrages kann auch durch einen Spe- zialbevollmächtigten erfolgen; aber auch Generalvoll- macht iſt als genügend zu betrachten, wenn und ſoweit im ein- zelnen Falle angenommen werden kann, daß die Stellung des Antrages dem Willen des Berechtigten entſpricht; und insbe- ſondere gilt dies von ſtrafbaren Eingriffen in vermögensrecht- liche Intereſſen, mit deren Wahrung der Bevollmächtigte betraut iſt RGR. 20. April 1880, E I 387, R I 620. Ja ſelbſt ein Nichtbevollmächtigter wird zur Antragſtellung zu- zulaſſen ſein, wenn ſtillſchweigender Auftrag oder Einver- ſtändnis des Verletzten angenommen werden kann RGR. 17. Dezember 1879, R I 163. Mehrere Antragsberechtigungen, mögen dieſe mehreren Verletzten oder aber dem Verletzten und den Nebenberech- tigten zukommen, ſind von einander unabhängig (StGB. §. 62; vgl. mit StPO. §. 415). 2. Das Antragsrecht iſt befriſtet. Es erliſcht (StGB. §. 61), wenn der zum Antrage Berechtigte es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu ſtellen. Die Friſt beginnt mit dem Tage, ſeit welchem der zum Antrage Berechtigte von der Handlung und von der Perſon des Thäters Kenntnis gehabt hat. Ebenſo nach §. 35 Nachdrucksgeſetz vom 11. Juni 1870. Die Friſt iſt demnach, wenn die Kenntnis z. B. am 12. Februar erlangt worden, mit Beginn des 12. Mai be- reits abgelaufen (RGR. 22. Dezember 1879, E I 40). Iſt die Strafbarkeit der That von einer zu ihrer Normwidrig- keit hinzutretenden Bedingung abhängig, ſo beginnt die An- tragsfriſt erſt mit dem Eintritte der Bedingung zu laufen, vgl. oben §. 30 II. Eine weſentliche Veränderung erleidet dieſe Friſt in dem Falle wechſelſeitiger Beleidigungen und Körperverletzungen von Liszt, Strafrecht. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/155
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/155>, abgerufen am 28.03.2024.