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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. V. Das Verbr. als strafbares Delikt.

III. Eben darum sind nach Begriff und Wirkung strenge
von den Bedingungen der Strafbarkeit zu scheiden:

1. Die Strafaufhebungsgründe, durch welche die
bereits eingetretene Strafbarkeit nachträglich beseitigt, der
bereits entstandene Strafanspruch wieder vernichtet wird
(vgl. darüber unten §. 57 I).

2. Die der prozessualen Geltendmachung des An-
spruches in ihrem Beginn oder in ihrer Durchführung im
Wege stehenden Hindernisse. Die genauere Abgrenzung
dieser Fälle von den Strafausschließungs- und den Straf-
aufhebungsgründen ist bisher von Wissenschaft und Gesetz-
gebung arg vernachlässigt worden. Das Nähere gehört in
das Strafprozeßrecht. Hier sei nur erwähnt, daß außer der
Flucht des Thäters oder einer nach begangener That ein-
tretenden Störung seiner Zurechnungsfähigkeit insbesondere
der Fall der sogenannten Ermächtigungsdelikte (StGB.
§§. 99, 101, 197), bei welchen die Verfolgung von der
"Ermächtigung" der beleidigten Person oder Körperschaft
abhängig gemacht ist, in die Gruppe: Hindernisse der Straf-
verfolgung zu stellen ist. Die wichtigsten Konsequenzen dieser
Auffassung sind Teilbarkeit und Nicht-Rücknehmbarkeit der
"Ermächtigung". Das Gleiche gilt von der Zugehörigkeit
des Thäters zu einer gesetzgebenden Versammlung,2 einer
landesherrlichen Familie usw.

3. Und endlich sind von den Bedingungen der Straf-
barkeit oder den eigentlichen (objektiven) Strafausschließungs-
gründen jene Fälle zu unterscheiden, in welchen der Gesetz-
geber nicht die Strafbarkeit der That, wol aber die des
Schuldigen abhängig macht von dem Nichtvorliegen gewisser

2 Art. 31 RVerf., Einf.Ges. zur StPO. §. 6.
Erſtes Buch. V. Das Verbr. als ſtrafbares Delikt.

III. Eben darum ſind nach Begriff und Wirkung ſtrenge
von den Bedingungen der Strafbarkeit zu ſcheiden:

1. Die Strafaufhebungsgründe, durch welche die
bereits eingetretene Strafbarkeit nachträglich beſeitigt, der
bereits entſtandene Strafanſpruch wieder vernichtet wird
(vgl. darüber unten §. 57 I).

2. Die der prozeſſualen Geltendmachung des An-
ſpruches in ihrem Beginn oder in ihrer Durchführung im
Wege ſtehenden Hinderniſſe. Die genauere Abgrenzung
dieſer Fälle von den Strafausſchließungs- und den Straf-
aufhebungsgründen iſt bisher von Wiſſenſchaft und Geſetz-
gebung arg vernachläſſigt worden. Das Nähere gehört in
das Strafprozeßrecht. Hier ſei nur erwähnt, daß außer der
Flucht des Thäters oder einer nach begangener That ein-
tretenden Störung ſeiner Zurechnungsfähigkeit insbeſondere
der Fall der ſogenannten Ermächtigungsdelikte (StGB.
§§. 99, 101, 197), bei welchen die Verfolgung von der
„Ermächtigung“ der beleidigten Perſon oder Körperſchaft
abhängig gemacht iſt, in die Gruppe: Hinderniſſe der Straf-
verfolgung zu ſtellen iſt. Die wichtigſten Konſequenzen dieſer
Auffaſſung ſind Teilbarkeit und Nicht-Rücknehmbarkeit der
„Ermächtigung“. Das Gleiche gilt von der Zugehörigkeit
des Thäters zu einer geſetzgebenden Verſammlung,2 einer
landesherrlichen Familie uſw.

3. Und endlich ſind von den Bedingungen der Straf-
barkeit oder den eigentlichen (objektiven) Strafausſchließungs-
gründen jene Fälle zu unterſcheiden, in welchen der Geſetz-
geber nicht die Strafbarkeit der That, wol aber die des
Schuldigen abhängig macht von dem Nichtvorliegen gewiſſer

2 Art. 31 RVerf., Einf.Geſ. zur StPO. §. 6.
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[124/0150] Erſtes Buch. V. Das Verbr. als ſtrafbares Delikt. III. Eben darum ſind nach Begriff und Wirkung ſtrenge von den Bedingungen der Strafbarkeit zu ſcheiden: 1. Die Strafaufhebungsgründe, durch welche die bereits eingetretene Strafbarkeit nachträglich beſeitigt, der bereits entſtandene Strafanſpruch wieder vernichtet wird (vgl. darüber unten §. 57 I). 2. Die der prozeſſualen Geltendmachung des An- ſpruches in ihrem Beginn oder in ihrer Durchführung im Wege ſtehenden Hinderniſſe. Die genauere Abgrenzung dieſer Fälle von den Strafausſchließungs- und den Straf- aufhebungsgründen iſt bisher von Wiſſenſchaft und Geſetz- gebung arg vernachläſſigt worden. Das Nähere gehört in das Strafprozeßrecht. Hier ſei nur erwähnt, daß außer der Flucht des Thäters oder einer nach begangener That ein- tretenden Störung ſeiner Zurechnungsfähigkeit insbeſondere der Fall der ſogenannten Ermächtigungsdelikte (StGB. §§. 99, 101, 197), bei welchen die Verfolgung von der „Ermächtigung“ der beleidigten Perſon oder Körperſchaft abhängig gemacht iſt, in die Gruppe: Hinderniſſe der Straf- verfolgung zu ſtellen iſt. Die wichtigſten Konſequenzen dieſer Auffaſſung ſind Teilbarkeit und Nicht-Rücknehmbarkeit der „Ermächtigung“. Das Gleiche gilt von der Zugehörigkeit des Thäters zu einer geſetzgebenden Verſammlung, 2 einer landesherrlichen Familie uſw. 3. Und endlich ſind von den Bedingungen der Straf- barkeit oder den eigentlichen (objektiven) Strafausſchließungs- gründen jene Fälle zu unterſcheiden, in welchen der Geſetz- geber nicht die Strafbarkeit der That, wol aber die des Schuldigen abhängig macht von dem Nichtvorliegen gewiſſer 2 Art. 31 RVerf., Einf.Geſ. zur StPO. §. 6.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/150>, abgerufen am 19.04.2024.