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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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gehörig rentiren können, wenn sie Bestandtheile ganzer Nationalsysteme, ja ganzer Continentalsysteme bilden. Doch haben später die eigenthümlichen Verhältnisse jenes Unternehmens wiederum Vieles dazu beigetragen auf dem europäischen Continente Zweifel zu erregen, ob hier, wo der Verkehr und folglich der Ertrag sich so bedeutend geringer herausstellen müsse als zwischen Manchester und Liverpool, ein so großer Anlage- und Transportkosten-Aufwand, wie er nach den dortigen Rechnungen sich ergab, finanziell oder auch nur nationalökonomisch zu rechtfertigen sei. Sachkundige erkannten indessen bald die wahre Lage der Dinge. Man sah ein, daß anderwärts, wo die Erlangung der Concession und des erforderlichen Grund und Bodens nicht so enorme Summen kosten würde, und wo der Taglohn drei bis fünf Mal geringer sei wie in England, die Anlagekosten der Bahnen bei weitem nicht so hoch zu stehen kommen könne, wie dort. Sodann machte man bald die Beobachtung, daß der Passagiertransport den Eisenbahnen die Haupteinnahme bringen müsse und daß, wie sehr die Continentalländer an Lebhaftigkeit des Güterverkehrs England nachstünden, in Ansehung des Personentransports ein gleicher Abstand nicht anzunehmen sei. Die großen Kosten des Dampfwagentransports zwischen Manchester und Liverpool betreffend, war kaum zu verkennen, daß dieselben großentheils auf Rechnung der vielen Experimente zu setzen seien, welche diese Compagnie, die hierin Bahn zu brechen hatte, mit so großen Aufopferungen anzustellen genöthigt war, und daß andere, denen die von jener Compagnie erworbenen kostspieligen Erfahrungen zu statten kämen, diesen Transport ohne alle Vergleichung wohlfeiler würden bewerkstelligen können. Endlich beobachtete man, daß die Parliamentsclausel, wodurch jene Compagnie in ihrer Dividende auf 10 Pct. beschränkt ward, nachdem dieses Maximum schon in den ersten Jahren erreicht worden, dahin wirke, daß die Direction, weit entfernt, sich einer ökonomischen Administration zu befleißigen, sich eher Mühe gebe, das Einkommen in so weit zu consumiren, als es nicht zur Bestreitung der 10 Pct. Dividende erforderlich sei. Hieraus zog man den Schluß, daß die Eisenbahnen auf den Hauptrouten anderer Länder der von Manchester nach Liverpool an Einträglichkeit nicht bedeutend nachstehen dürften.

Die Erfahrung von Nordamerika und Belgien hat diese Ansicht vollkommen gerechtfertigt. Wir haben oben nachgewiesen, daß man im Jahre 1837 auf den belgischen Eisenbahnen den Dampfwagentransport vier Mal wohlfeiler bewerkstelligte, als er auf der Bahn von Manchester nach Liverpool im Jahre 1832 bewerkstelligt worden ist.

Zur Vervollständigung dieser Vergleichung haben wir hier noch nachzutragen:

Daß, während die Anlagekosten der Manchester-Liverpool Eisenbahn mit Einschluß der Stationen und des Fahr-Apparates auf 3,179,000 Franken pr. französische Lieue (5000 Metres oder 15,000 Fuß) zu stehen kam, die gleiche Strecke in Belgien mit allem Zubehör nicht mehr als 579,000 Franken kostete;
- daß zwischen Manchester und Liverpool an Fahrgeld pr. Lieue

gehörig rentiren können, wenn sie Bestandtheile ganzer Nationalsysteme, ja ganzer Continentalsysteme bilden. Doch haben später die eigenthümlichen Verhältnisse jenes Unternehmens wiederum Vieles dazu beigetragen auf dem europäischen Continente Zweifel zu erregen, ob hier, wo der Verkehr und folglich der Ertrag sich so bedeutend geringer herausstellen müsse als zwischen Manchester und Liverpool, ein so großer Anlage- und Transportkosten-Aufwand, wie er nach den dortigen Rechnungen sich ergab, finanziell oder auch nur nationalökonomisch zu rechtfertigen sei. Sachkundige erkannten indessen bald die wahre Lage der Dinge. Man sah ein, daß anderwärts, wo die Erlangung der Concession und des erforderlichen Grund und Bodens nicht so enorme Summen kosten würde, und wo der Taglohn drei bis fünf Mal geringer sei wie in England, die Anlagekosten der Bahnen bei weitem nicht so hoch zu stehen kommen könne, wie dort. Sodann machte man bald die Beobachtung, daß der Passagiertransport den Eisenbahnen die Haupteinnahme bringen müsse und daß, wie sehr die Continentalländer an Lebhaftigkeit des Güterverkehrs England nachstünden, in Ansehung des Personentransports ein gleicher Abstand nicht anzunehmen sei. Die großen Kosten des Dampfwagentransports zwischen Manchester und Liverpool betreffend, war kaum zu verkennen, daß dieselben großentheils auf Rechnung der vielen Experimente zu setzen seien, welche diese Compagnie, die hierin Bahn zu brechen hatte, mit so großen Aufopferungen anzustellen genöthigt war, und daß andere, denen die von jener Compagnie erworbenen kostspieligen Erfahrungen zu statten kämen, diesen Transport ohne alle Vergleichung wohlfeiler würden bewerkstelligen können. Endlich beobachtete man, daß die Parliamentsclausel, wodurch jene Compagnie in ihrer Dividende auf 10 Pct. beschränkt ward, nachdem dieses Maximum schon in den ersten Jahren erreicht worden, dahin wirke, daß die Direction, weit entfernt, sich einer ökonomischen Administration zu befleißigen, sich eher Mühe gebe, das Einkommen in so weit zu consumiren, als es nicht zur Bestreitung der 10 Pct. Dividende erforderlich sei. Hieraus zog man den Schluß, daß die Eisenbahnen auf den Hauptrouten anderer Länder der von Manchester nach Liverpool an Einträglichkeit nicht bedeutend nachstehen dürften.

Die Erfahrung von Nordamerika und Belgien hat diese Ansicht vollkommen gerechtfertigt. Wir haben oben nachgewiesen, daß man im Jahre 1837 auf den belgischen Eisenbahnen den Dampfwagentransport vier Mal wohlfeiler bewerkstelligte, als er auf der Bahn von Manchester nach Liverpool im Jahre 1832 bewerkstelligt worden ist.

Zur Vervollständigung dieser Vergleichung haben wir hier noch nachzutragen:

Daß, während die Anlagekosten der Manchester-Liverpool Eisenbahn mit Einschluß der Stationen und des Fahr-Apparates auf 3,179,000 Franken pr. französische Lieue (5000 Metres oder 15,000 Fuß) zu stehen kam, die gleiche Strecke in Belgien mit allem Zubehör nicht mehr als 579,000 Franken kostete;
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gehörig rentiren können, wenn sie Bestandtheile ganzer Nationalsysteme, ja ganzer Continentalsysteme bilden. Doch haben später die eigenthümlichen Verhältnisse jenes Unternehmens wiederum Vieles dazu beigetragen auf dem europäischen Continente Zweifel zu erregen, ob hier, wo der Verkehr und folglich der Ertrag sich so bedeutend geringer herausstellen müsse als zwischen Manchester und Liverpool, ein so großer Anlage- und Transportkosten-Aufwand, wie er nach den dortigen Rechnungen sich ergab, finanziell oder auch nur nationalökonomisch zu rechtfertigen sei. Sachkundige erkannten indessen bald die wahre Lage der Dinge. Man sah ein, daß anderwärts, wo die Erlangung der Concession und des erforderlichen Grund und Bodens nicht so enorme Summen kosten würde, und wo der Taglohn drei bis fünf Mal geringer sei wie in England, die Anlagekosten der Bahnen bei weitem nicht so hoch zu stehen kommen könne, wie dort. Sodann machte man bald die Beobachtung, daß der Passagiertransport den Eisenbahnen die Haupteinnahme bringen müsse und daß, wie sehr die Continentalländer an Lebhaftigkeit des Güterverkehrs England nachstünden, in Ansehung des Personentransports ein gleicher Abstand nicht anzunehmen sei. Die großen Kosten des Dampfwagentransports zwischen Manchester und Liverpool betreffend, war kaum zu verkennen, daß dieselben großentheils auf Rechnung der vielen Experimente zu setzen seien, welche diese Compagnie, die hierin Bahn zu brechen hatte, mit so großen Aufopferungen anzustellen genöthigt war, und daß andere, denen die von jener Compagnie erworbenen kostspieligen Erfahrungen zu statten kämen, diesen Transport ohne alle Vergleichung wohlfeiler würden bewerkstelligen können. Endlich beobachtete man, daß die Parliamentsclausel, wodurch jene Compagnie in ihrer Dividende auf 10 Pct. beschränkt ward, nachdem dieses Maximum schon in den ersten Jahren erreicht worden, dahin wirke, daß die Direction, weit entfernt, sich einer ökonomischen Administration zu befleißigen, sich eher Mühe gebe, das Einkommen in so weit zu consumiren, als es nicht zur Bestreitung der 10 Pct. Dividende erforderlich sei. Hieraus zog man den Schluß, daß die Eisenbahnen auf den Hauptrouten anderer Länder der von Manchester nach Liverpool an Einträglichkeit nicht bedeutend nachstehen dürften.</p>
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[91/0092] gehörig rentiren können, wenn sie Bestandtheile ganzer Nationalsysteme, ja ganzer Continentalsysteme bilden. Doch haben später die eigenthümlichen Verhältnisse jenes Unternehmens wiederum Vieles dazu beigetragen auf dem europäischen Continente Zweifel zu erregen, ob hier, wo der Verkehr und folglich der Ertrag sich so bedeutend geringer herausstellen müsse als zwischen Manchester und Liverpool, ein so großer Anlage- und Transportkosten-Aufwand, wie er nach den dortigen Rechnungen sich ergab, finanziell oder auch nur nationalökonomisch zu rechtfertigen sei. Sachkundige erkannten indessen bald die wahre Lage der Dinge. Man sah ein, daß anderwärts, wo die Erlangung der Concession und des erforderlichen Grund und Bodens nicht so enorme Summen kosten würde, und wo der Taglohn drei bis fünf Mal geringer sei wie in England, die Anlagekosten der Bahnen bei weitem nicht so hoch zu stehen kommen könne, wie dort. Sodann machte man bald die Beobachtung, daß der Passagiertransport den Eisenbahnen die Haupteinnahme bringen müsse und daß, wie sehr die Continentalländer an Lebhaftigkeit des Güterverkehrs England nachstünden, in Ansehung des Personentransports ein gleicher Abstand nicht anzunehmen sei. Die großen Kosten des Dampfwagentransports zwischen Manchester und Liverpool betreffend, war kaum zu verkennen, daß dieselben großentheils auf Rechnung der vielen Experimente zu setzen seien, welche diese Compagnie, die hierin Bahn zu brechen hatte, mit so großen Aufopferungen anzustellen genöthigt war, und daß andere, denen die von jener Compagnie erworbenen kostspieligen Erfahrungen zu statten kämen, diesen Transport ohne alle Vergleichung wohlfeiler würden bewerkstelligen können. Endlich beobachtete man, daß die Parliamentsclausel, wodurch jene Compagnie in ihrer Dividende auf 10 Pct. beschränkt ward, nachdem dieses Maximum schon in den ersten Jahren erreicht worden, dahin wirke, daß die Direction, weit entfernt, sich einer ökonomischen Administration zu befleißigen, sich eher Mühe gebe, das Einkommen in so weit zu consumiren, als es nicht zur Bestreitung der 10 Pct. Dividende erforderlich sei. Hieraus zog man den Schluß, daß die Eisenbahnen auf den Hauptrouten anderer Länder der von Manchester nach Liverpool an Einträglichkeit nicht bedeutend nachstehen dürften. Die Erfahrung von Nordamerika und Belgien hat diese Ansicht vollkommen gerechtfertigt. Wir haben oben nachgewiesen, daß man im Jahre 1837 auf den belgischen Eisenbahnen den Dampfwagentransport vier Mal wohlfeiler bewerkstelligte, als er auf der Bahn von Manchester nach Liverpool im Jahre 1832 bewerkstelligt worden ist. Zur Vervollständigung dieser Vergleichung haben wir hier noch nachzutragen: Daß, während die Anlagekosten der Manchester-Liverpool Eisenbahn mit Einschluß der Stationen und des Fahr-Apparates auf 3,179,000 Franken pr. französische Lieue (5000 Metres oder 15,000 Fuß) zu stehen kam, die gleiche Strecke in Belgien mit allem Zubehör nicht mehr als 579,000 Franken kostete; – daß zwischen Manchester und Liverpool an Fahrgeld pr. Lieue

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/92>, abgerufen am 28.03.2024.