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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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sind dort bei den einzelnen Staaten, mit geringer Ausnahme, von zureichender Ausdehnung und Größe für die Ausführung eines selbstständigen und für sich ein Ganzes bildenden Transportsystems, und in einem Lande, wo der Blick jedes Individuums in Erkennung der großen Interessen der Gesellschaft durch die praktische Übung so sehr geschärft ist, kann es auch nicht fehlen, daß man in Collisionsfällen leicht zur freiwilligen Einigung gelangt. Bei den schweizer Souverainetäten dagegen ist Alles viel kleiner; während hier jeder einzelne Canton an die Einwilligung und Mitwirkung mehrerer gebunden ist, sind diejenigen Köpfe, welche einen Nationalzweck zu fassen und ihn einem Cantonalzweck unterzuordnen vermögen, schon viel seltenere Gewächse. Man hat in der neuesten Zeit in der Schweiz sehr viel über die Nothwendigkeit eines festeren Föderativ-Bandes gesprochen und verhandelt. Uns scheint aber, die Vertheidiger dieser Maßregel hätten nicht genug bedacht, daß die Völker weniger auf dem Wege der nackten Theorie und der trockenen Reflexion als auf dem der Nothwendigkeit und der materiellen Interessen zu einer vollkommeneren Einigung gelangen. Uns scheint daher, ein gemeinsames schweizerisches Canal-Unternehmen, wie das vorerwähnte, dürfte die schweizerische Unionspartei ihrem Zwecke bedeutend näher rücken. Dabei kommt noch in Betracht, daß zunächst die Cantone Aargau, Solothurn, Bern, Neufchatel, Lausanne und Genf, und in weiterer Beziehung die Cantone Thurgau, Schaffhausen, Basel, Zürich und Luzern, folglich die größten, reichsten und aufgeklärtesten, bei der Sache interessirt wären; während die kleineren, minder wohlhabenden und aufgeklärten und jeder Art von Fortschritten abgeneigten Cantone dazu gar nichts zu sagen hätten. Den genannten Cantonen aber sollte es nicht schwer fallen, durch eine ihrer Bevölkerung, ihren Mitteln und Interessen entsprechende Staatssubscription die erforderlichen Mittel aufzubringen und das Unternehmen durch eine nach dem Maßstabe der Subscription zu besetzende Verwaltungsbehörde zu administriren.

Das süddeutsche Canalsystem.
(Mit Ausnahme Österreichs.)

Von bereits bestehenden Canälen wäre hier eben so wenig zu sagen, wie unter der vorstehenden Rubrik, wenn wir nicht des Freistädter Canals erwähnen könnten, dessen Geschichte uns zugleich eine tiefe Einsicht in die Ursachen gewährt, weswegen Deutschland, mit Ausnahme von Österreich und Preußen, in Hinsicht auf den Canalbau noch weiter zurück ist, als das obscure Spanien wo erwähntermaßen die Errichtung eines Canals für eine Todsünde erklärt worden ist. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts (in welchen Jahren ist uns nicht genau bekannt, da keine schriftlichen Nachrichten über das Unternehmen existiren, und wir das hier Angeführte nur aus mündlicher Tradition wissen) vereinigten sich einige strasburger Kaufleute, an der Kinzig zum Behufe des Bauholz-Transports einen Canal nach dem Hafen von Freistadt

sind dort bei den einzelnen Staaten, mit geringer Ausnahme, von zureichender Ausdehnung und Größe für die Ausführung eines selbstständigen und für sich ein Ganzes bildenden Transportsystems, und in einem Lande, wo der Blick jedes Individuums in Erkennung der großen Interessen der Gesellschaft durch die praktische Übung so sehr geschärft ist, kann es auch nicht fehlen, daß man in Collisionsfällen leicht zur freiwilligen Einigung gelangt. Bei den schweizer Souverainetäten dagegen ist Alles viel kleiner; während hier jeder einzelne Canton an die Einwilligung und Mitwirkung mehrerer gebunden ist, sind diejenigen Köpfe, welche einen Nationalzweck zu fassen und ihn einem Cantonalzweck unterzuordnen vermögen, schon viel seltenere Gewächse. Man hat in der neuesten Zeit in der Schweiz sehr viel über die Nothwendigkeit eines festeren Föderativ-Bandes gesprochen und verhandelt. Uns scheint aber, die Vertheidiger dieser Maßregel hätten nicht genug bedacht, daß die Völker weniger auf dem Wege der nackten Theorie und der trockenen Reflexion als auf dem der Nothwendigkeit und der materiellen Interessen zu einer vollkommeneren Einigung gelangen. Uns scheint daher, ein gemeinsames schweizerisches Canal-Unternehmen, wie das vorerwähnte, dürfte die schweizerische Unionspartei ihrem Zwecke bedeutend näher rücken. Dabei kommt noch in Betracht, daß zunächst die Cantone Aargau, Solothurn, Bern, Neufchatel, Lausanne und Genf, und in weiterer Beziehung die Cantone Thurgau, Schaffhausen, Basel, Zürich und Luzern, folglich die größten, reichsten und aufgeklärtesten, bei der Sache interessirt wären; während die kleineren, minder wohlhabenden und aufgeklärten und jeder Art von Fortschritten abgeneigten Cantone dazu gar nichts zu sagen hätten. Den genannten Cantonen aber sollte es nicht schwer fallen, durch eine ihrer Bevölkerung, ihren Mitteln und Interessen entsprechende Staatssubscription die erforderlichen Mittel aufzubringen und das Unternehmen durch eine nach dem Maßstabe der Subscription zu besetzende Verwaltungsbehörde zu administriren.

Das süddeutsche Canalsystem.
(Mit Ausnahme Österreichs.)

Von bereits bestehenden Canälen wäre hier eben so wenig zu sagen, wie unter der vorstehenden Rubrik, wenn wir nicht des Freistädter Canals erwähnen könnten, dessen Geschichte uns zugleich eine tiefe Einsicht in die Ursachen gewährt, weswegen Deutschland, mit Ausnahme von Österreich und Preußen, in Hinsicht auf den Canalbau noch weiter zurück ist, als das obscure Spanien wo erwähntermaßen die Errichtung eines Canals für eine Todsünde erklärt worden ist. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts (in welchen Jahren ist uns nicht genau bekannt, da keine schriftlichen Nachrichten über das Unternehmen existiren, und wir das hier Angeführte nur aus mündlicher Tradition wissen) vereinigten sich einige strasburger Kaufleute, an der Kinzig zum Behufe des Bauholz-Transports einen Canal nach dem Hafen von Freistadt

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[82/0083] sind dort bei den einzelnen Staaten, mit geringer Ausnahme, von zureichender Ausdehnung und Größe für die Ausführung eines selbstständigen und für sich ein Ganzes bildenden Transportsystems, und in einem Lande, wo der Blick jedes Individuums in Erkennung der großen Interessen der Gesellschaft durch die praktische Übung so sehr geschärft ist, kann es auch nicht fehlen, daß man in Collisionsfällen leicht zur freiwilligen Einigung gelangt. Bei den schweizer Souverainetäten dagegen ist Alles viel kleiner; während hier jeder einzelne Canton an die Einwilligung und Mitwirkung mehrerer gebunden ist, sind diejenigen Köpfe, welche einen Nationalzweck zu fassen und ihn einem Cantonalzweck unterzuordnen vermögen, schon viel seltenere Gewächse. Man hat in der neuesten Zeit in der Schweiz sehr viel über die Nothwendigkeit eines festeren Föderativ-Bandes gesprochen und verhandelt. Uns scheint aber, die Vertheidiger dieser Maßregel hätten nicht genug bedacht, daß die Völker weniger auf dem Wege der nackten Theorie und der trockenen Reflexion als auf dem der Nothwendigkeit und der materiellen Interessen zu einer vollkommeneren Einigung gelangen. Uns scheint daher, ein gemeinsames schweizerisches Canal-Unternehmen, wie das vorerwähnte, dürfte die schweizerische Unionspartei ihrem Zwecke bedeutend näher rücken. Dabei kommt noch in Betracht, daß zunächst die Cantone Aargau, Solothurn, Bern, Neufchatel, Lausanne und Genf, und in weiterer Beziehung die Cantone Thurgau, Schaffhausen, Basel, Zürich und Luzern, folglich die größten, reichsten und aufgeklärtesten, bei der Sache interessirt wären; während die kleineren, minder wohlhabenden und aufgeklärten und jeder Art von Fortschritten abgeneigten Cantone dazu gar nichts zu sagen hätten. Den genannten Cantonen aber sollte es nicht schwer fallen, durch eine ihrer Bevölkerung, ihren Mitteln und Interessen entsprechende Staatssubscription die erforderlichen Mittel aufzubringen und das Unternehmen durch eine nach dem Maßstabe der Subscription zu besetzende Verwaltungsbehörde zu administriren. Das süddeutsche Canalsystem. (Mit Ausnahme Österreichs.) Von bereits bestehenden Canälen wäre hier eben so wenig zu sagen, wie unter der vorstehenden Rubrik, wenn wir nicht des Freistädter Canals erwähnen könnten, dessen Geschichte uns zugleich eine tiefe Einsicht in die Ursachen gewährt, weswegen Deutschland, mit Ausnahme von Österreich und Preußen, in Hinsicht auf den Canalbau noch weiter zurück ist, als das obscure Spanien wo erwähntermaßen die Errichtung eines Canals für eine Todsünde erklärt worden ist. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts (in welchen Jahren ist uns nicht genau bekannt, da keine schriftlichen Nachrichten über das Unternehmen existiren, und wir das hier Angeführte nur aus mündlicher Tradition wissen) vereinigten sich einige strasburger Kaufleute, an der Kinzig zum Behufe des Bauholz-Transports einen Canal nach dem Hafen von Freistadt

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/83>, abgerufen am 20.04.2024.