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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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Holländische Canäle. Die Holländer haben schon im zwölften Jahrhundert, begünstigt durch ihr wasserreiches, flaches Land, auf welchem die Anlegung künstlicher Wasserstraßen weder große Capitale, noch große Kunst erfordert, Schiffcanäle anzulegen begonnen, und ihr ganzes Land ist von Canälen durchschnitten. Philipps sagt in seiner History of inland navigation, ein Bürger von Rotterdam könne im Haag frühstücken, in Leyden zu Mittag und in Amsterdam zu Abend speisen und doch vor Mitternacht wieder zu Hause sein. In der Regel sind die holländischen Canäle 60 Fuß breit und 6 Fuß tief. Auf vielen Strecken laufen sie auf Dämmen, die weit höher sind als das Land. Der sich darin ansetzende Schlamm dient der Landwirthschaft als vortrefflicher Dünger. Die jährlichen Einkünfte dieser Canäle berechnet schon Philipps auf 625 Pfund Sterling per englische Meile. Der neueste und wichtigste der holländischen Canäle ist der zwischen der Stadt Amsterdam und Neu-Diep, auf welchem die Seeschiffe aus der Nordsee nach Amsterdam gelangen. Derselbe ist 41 1/2 englische Meilen lang, 124 Fuß im Spiegel und 36 Fuß im Grunde breit und 20 Fuß 9 Zoll tief, so daß 2 Fregatten bequem neben einander vorbeipassiren können. Dieses Werk ward 1820 angefangen und 1825 beendigt, und die Anlagekosten desselben beliefen sich auf 12 Millionen Gulden.

Französische Canäle. In die Fußstapfen der Niederländer und Italiener traten zuerst im 17. Jahrhundert die Franzosen; doch sind sie im Laufe desselben nur langsam vorangeschritten. Der Canal du Midi, oder von Languedoc, ward schon von Franz I. projectirt und angefangen, aber erst 1664, 22 Jahre nach der Herstellung des Canals von Briare, von Ludwig XIV. fortgesetzt und 1680 beendigt. Dieser Canal ist 64 Lieues lang, 6 Fuß tief, oben 64 Fuß und im Grunde 35 Fuß breit. Die darauf gehenden Boote sind 85 Fuß lang und 19 breit und laden 100 Tonnen Gewicht; er hat 114 Schleußen, und sein höchster Punkt liegt 600 Fuß über der Meeresfläche; das auf dem höchsten Punkte bei St. Ferrol angelegte Reservoir, wodurch der Canal mit Wasser versorgt wird, ist über 5 Stunden lang und mit den Bassins bei Castelnaudary 595 Morgen groß. Der Canal geht vermittelst eines 720 Fuß langen Tunnels durch den Berg Bazieres, der ein Wunder seiner Zeit war. Die Anlagekosten dieses Canals betrugen 33 Millionen Franken. Durch denselben ward das mittelländische Meer mit dem atlantischen Ocean (nämlich Narbonne und Cette mit der Garonne) verbunden. Er war hauptsächlich in der Absicht angelegt worden, den Handel zwischen den beiden Meeren zu heben. Die Erfahrung von zweihundert Jahren hat aber gezeigt, daß der Nutzen, den er in dieser Beziehung stiftet, unbedeutend ist, im Vergleich mit dem Nutzen, den er der inneren Industrie gewährt. Zuerst unter allen französischen Canälen ward der Briare- oder Loire- und Seine-Canal (angefangen 1605 von Heinrich IV. und beendigt 1642) in fahrbaren Stand gestellt, welcher mit dem Canal Orleans (1692 beendigt) und dem Canal de Loing (1723 beendigt) eine Linie bildet. Die Gesammtlänge dieser drei

Holländische Canäle. Die Holländer haben schon im zwölften Jahrhundert, begünstigt durch ihr wasserreiches, flaches Land, auf welchem die Anlegung künstlicher Wasserstraßen weder große Capitale, noch große Kunst erfordert, Schiffcanäle anzulegen begonnen, und ihr ganzes Land ist von Canälen durchschnitten. Philipps sagt in seiner History of inland navigation, ein Bürger von Rotterdam könne im Haag frühstücken, in Leyden zu Mittag und in Amsterdam zu Abend speisen und doch vor Mitternacht wieder zu Hause sein. In der Regel sind die holländischen Canäle 60 Fuß breit und 6 Fuß tief. Auf vielen Strecken laufen sie auf Dämmen, die weit höher sind als das Land. Der sich darin ansetzende Schlamm dient der Landwirthschaft als vortrefflicher Dünger. Die jährlichen Einkünfte dieser Canäle berechnet schon Philipps auf 625 Pfund Sterling per englische Meile. Der neueste und wichtigste der holländischen Canäle ist der zwischen der Stadt Amsterdam und Neu-Diep, auf welchem die Seeschiffe aus der Nordsee nach Amsterdam gelangen. Derselbe ist 41 1/2 englische Meilen lang, 124 Fuß im Spiegel und 36 Fuß im Grunde breit und 20 Fuß 9 Zoll tief, so daß 2 Fregatten bequem neben einander vorbeipassiren können. Dieses Werk ward 1820 angefangen und 1825 beendigt, und die Anlagekosten desselben beliefen sich auf 12 Millionen Gulden.

Französische Canäle. In die Fußstapfen der Niederländer und Italiener traten zuerst im 17. Jahrhundert die Franzosen; doch sind sie im Laufe desselben nur langsam vorangeschritten. Der Canal du Midi, oder von Languedoc, ward schon von Franz I. projectirt und angefangen, aber erst 1664, 22 Jahre nach der Herstellung des Canals von Briare, von Ludwig XIV. fortgesetzt und 1680 beendigt. Dieser Canal ist 64 Lieues lang, 6 Fuß tief, oben 64 Fuß und im Grunde 35 Fuß breit. Die darauf gehenden Boote sind 85 Fuß lang und 19 breit und laden 100 Tonnen Gewicht; er hat 114 Schleußen, und sein höchster Punkt liegt 600 Fuß über der Meeresfläche; das auf dem höchsten Punkte bei St. Ferrol angelegte Reservoir, wodurch der Canal mit Wasser versorgt wird, ist über 5 Stunden lang und mit den Bassins bei Castelnaudary 595 Morgen groß. Der Canal geht vermittelst eines 720 Fuß langen Tunnels durch den Berg Bazieres, der ein Wunder seiner Zeit war. Die Anlagekosten dieses Canals betrugen 33 Millionen Franken. Durch denselben ward das mittelländische Meer mit dem atlantischen Ocean (nämlich Narbonne und Cette mit der Garonne) verbunden. Er war hauptsächlich in der Absicht angelegt worden, den Handel zwischen den beiden Meeren zu heben. Die Erfahrung von zweihundert Jahren hat aber gezeigt, daß der Nutzen, den er in dieser Beziehung stiftet, unbedeutend ist, im Vergleich mit dem Nutzen, den er der inneren Industrie gewährt. Zuerst unter allen französischen Canälen ward der Briare- oder Loire- und Seine-Canal (angefangen 1605 von Heinrich IV. und beendigt 1642) in fahrbaren Stand gestellt, welcher mit dem Canal Orleans (1692 beendigt) und dem Canal de Loing (1723 beendigt) eine Linie bildet. Die Gesammtlänge dieser drei

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[64/0065] Holländische Canäle. Die Holländer haben schon im zwölften Jahrhundert, begünstigt durch ihr wasserreiches, flaches Land, auf welchem die Anlegung künstlicher Wasserstraßen weder große Capitale, noch große Kunst erfordert, Schiffcanäle anzulegen begonnen, und ihr ganzes Land ist von Canälen durchschnitten. Philipps sagt in seiner History of inland navigation, ein Bürger von Rotterdam könne im Haag frühstücken, in Leyden zu Mittag und in Amsterdam zu Abend speisen und doch vor Mitternacht wieder zu Hause sein. In der Regel sind die holländischen Canäle 60 Fuß breit und 6 Fuß tief. Auf vielen Strecken laufen sie auf Dämmen, die weit höher sind als das Land. Der sich darin ansetzende Schlamm dient der Landwirthschaft als vortrefflicher Dünger. Die jährlichen Einkünfte dieser Canäle berechnet schon Philipps auf 625 Pfund Sterling per englische Meile. Der neueste und wichtigste der holländischen Canäle ist der zwischen der Stadt Amsterdam und Neu-Diep, auf welchem die Seeschiffe aus der Nordsee nach Amsterdam gelangen. Derselbe ist 41 1/2 englische Meilen lang, 124 Fuß im Spiegel und 36 Fuß im Grunde breit und 20 Fuß 9 Zoll tief, so daß 2 Fregatten bequem neben einander vorbeipassiren können. Dieses Werk ward 1820 angefangen und 1825 beendigt, und die Anlagekosten desselben beliefen sich auf 12 Millionen Gulden. Französische Canäle. In die Fußstapfen der Niederländer und Italiener traten zuerst im 17. Jahrhundert die Franzosen; doch sind sie im Laufe desselben nur langsam vorangeschritten. Der Canal du Midi, oder von Languedoc, ward schon von Franz I. projectirt und angefangen, aber erst 1664, 22 Jahre nach der Herstellung des Canals von Briare, von Ludwig XIV. fortgesetzt und 1680 beendigt. Dieser Canal ist 64 Lieues lang, 6 Fuß tief, oben 64 Fuß und im Grunde 35 Fuß breit. Die darauf gehenden Boote sind 85 Fuß lang und 19 breit und laden 100 Tonnen Gewicht; er hat 114 Schleußen, und sein höchster Punkt liegt 600 Fuß über der Meeresfläche; das auf dem höchsten Punkte bei St. Ferrol angelegte Reservoir, wodurch der Canal mit Wasser versorgt wird, ist über 5 Stunden lang und mit den Bassins bei Castelnaudary 595 Morgen groß. Der Canal geht vermittelst eines 720 Fuß langen Tunnels durch den Berg Bazieres, der ein Wunder seiner Zeit war. Die Anlagekosten dieses Canals betrugen 33 Millionen Franken. Durch denselben ward das mittelländische Meer mit dem atlantischen Ocean (nämlich Narbonne und Cette mit der Garonne) verbunden. Er war hauptsächlich in der Absicht angelegt worden, den Handel zwischen den beiden Meeren zu heben. Die Erfahrung von zweihundert Jahren hat aber gezeigt, daß der Nutzen, den er in dieser Beziehung stiftet, unbedeutend ist, im Vergleich mit dem Nutzen, den er der inneren Industrie gewährt. Zuerst unter allen französischen Canälen ward der Briare- oder Loire- und Seine-Canal (angefangen 1605 von Heinrich IV. und beendigt 1642) in fahrbaren Stand gestellt, welcher mit dem Canal Orleans (1692 beendigt) und dem Canal de Loing (1723 beendigt) eine Linie bildet. Die Gesammtlänge dieser drei

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/65>, abgerufen am 29.03.2024.