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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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Transportsystems, wollte man es im Laufe weniger Jahre zu Stande bringen, fühlbaren Mangel an Capital und an Arbeitern in allen Zweigen der Volkswirthschaft und unverhältnißmäßige Nachfrage nach Producten, folglich eine schädliche Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel, und in Deutschland zumal eine Störung in der industriellen Ausbildung der Nation, zur Folge haben müßte. Die Wirkung und Gegenwirkung aller hiebei in's Spiel kommenden Kräfte kann nur allmälig sich entfalten und ist nicht zu präcipitiren. Die Erfahrung muß hierin Maaß und Ziel geben, und die Regierung besitzt mehr als einen Barometer, woran sie abnehmen kann, ob sie einhalten muß, oder weiter gehen darf, z. B. die Preise der Producte, den Werth des liegenden Eigenthums, die Preise der Taglöhne, den Stand des Zinsfußes und überhaupt den Stand des Ackerbaues und der Gewerbe. Nach unseren Beobachtungen und Erfahrungen dürfte jede civilisirte und gewerbfleißige Nation, wofern sie noch gar keinen oder nur einen geringen Anfang gemacht hat, wie die deutsche, im Lauf von 15 bis 20 Jahren, wenn sie aber schon bedeutende Fortschritte gemacht hat, wie die französische, in noch kürzerer Zeit ohne Gefahr, Störungen in der Industrie zu veranlassen, im Stande sein, ein vollständiges Transportsystem herzustellen, vorausgesetzt, daß sie nicht durch Kriege in ihren Arbeiten gestört würde. Zum Maßstab, wie viel Arbeiter schon im Anfange für dergleichen Unternehmungen ohne Nachtheil von jedem einzelnen Staat zu verwenden seien, dürfte die Zahl der im wirklichen Dienst befindlichen Soldaten dienen, zumal wenn ein Theil derselben für die Arbeiten verwendet werden könnte. Am allerwenigsten dürften diejenigen Staaten, bei welchen die Auswanderung überhand genommen hat, Bedenken tragen, eine solche Zahl von Arbeitern zu beschäftigen, indem schon die Auswanderung ein Beweis ist, daß sie eine größere Zahl von Arbeitern besitzen, als sie beschäftigen können, und da es kein sichereres und kein vernünftigeres Mittel gibt, der Auswanderung und dem dadurch entstehenden Capital-Abfluß Einhalt zu thun, als die Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitern bei öffentlichen Werken. Manche deutsche Staaten dürften kaum so große Capitale auf die Herstellung eines vollkommenen Transportsystems zu verwenden haben, als sie im Lauf von 15 bis 20 Jahren durch die Auswanderung verlieren.

Wir haben oben der Verwendung des Militairs zum Behuf der öffentlichen Arbeiten erwähnt, eines Vorschlags, der schon vielfältig in Anregung gekommen ist und wahrscheinlich in Zukunft noch öfters zur Sprache kommen wird. Es wird daher nicht unzweckmäßig sein, die Erfahrungen von Frankreich, wo im Lauf der letzten Jahre Versuche damit angestellt worden sind, hier mitzutheilen.

Im Jahre 1835 beschloß die französische Regierung, das Militair zum Bau der sogenannten strategischen Straßen in den westlichen Departements zu verwenden, die Resultate aber waren sehr ungünstig. Im Durchschnitt überstieg der Aufwand den Kostenanschlag um 30 pCt. Die Ursachen des Mißlingens waren folgende:

Transportsystems, wollte man es im Laufe weniger Jahre zu Stande bringen, fühlbaren Mangel an Capital und an Arbeitern in allen Zweigen der Volkswirthschaft und unverhältnißmäßige Nachfrage nach Producten, folglich eine schädliche Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel, und in Deutschland zumal eine Störung in der industriellen Ausbildung der Nation, zur Folge haben müßte. Die Wirkung und Gegenwirkung aller hiebei in’s Spiel kommenden Kräfte kann nur allmälig sich entfalten und ist nicht zu präcipitiren. Die Erfahrung muß hierin Maaß und Ziel geben, und die Regierung besitzt mehr als einen Barometer, woran sie abnehmen kann, ob sie einhalten muß, oder weiter gehen darf, z. B. die Preise der Producte, den Werth des liegenden Eigenthums, die Preise der Taglöhne, den Stand des Zinsfußes und überhaupt den Stand des Ackerbaues und der Gewerbe. Nach unseren Beobachtungen und Erfahrungen dürfte jede civilisirte und gewerbfleißige Nation, wofern sie noch gar keinen oder nur einen geringen Anfang gemacht hat, wie die deutsche, im Lauf von 15 bis 20 Jahren, wenn sie aber schon bedeutende Fortschritte gemacht hat, wie die französische, in noch kürzerer Zeit ohne Gefahr, Störungen in der Industrie zu veranlassen, im Stande sein, ein vollständiges Transportsystem herzustellen, vorausgesetzt, daß sie nicht durch Kriege in ihren Arbeiten gestört würde. Zum Maßstab, wie viel Arbeiter schon im Anfange für dergleichen Unternehmungen ohne Nachtheil von jedem einzelnen Staat zu verwenden seien, dürfte die Zahl der im wirklichen Dienst befindlichen Soldaten dienen, zumal wenn ein Theil derselben für die Arbeiten verwendet werden könnte. Am allerwenigsten dürften diejenigen Staaten, bei welchen die Auswanderung überhand genommen hat, Bedenken tragen, eine solche Zahl von Arbeitern zu beschäftigen, indem schon die Auswanderung ein Beweis ist, daß sie eine größere Zahl von Arbeitern besitzen, als sie beschäftigen können, und da es kein sichereres und kein vernünftigeres Mittel gibt, der Auswanderung und dem dadurch entstehenden Capital-Abfluß Einhalt zu thun, als die Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitern bei öffentlichen Werken. Manche deutsche Staaten dürften kaum so große Capitale auf die Herstellung eines vollkommenen Transportsystems zu verwenden haben, als sie im Lauf von 15 bis 20 Jahren durch die Auswanderung verlieren.

Wir haben oben der Verwendung des Militairs zum Behuf der öffentlichen Arbeiten erwähnt, eines Vorschlags, der schon vielfältig in Anregung gekommen ist und wahrscheinlich in Zukunft noch öfters zur Sprache kommen wird. Es wird daher nicht unzweckmäßig sein, die Erfahrungen von Frankreich, wo im Lauf der letzten Jahre Versuche damit angestellt worden sind, hier mitzutheilen.

Im Jahre 1835 beschloß die französische Regierung, das Militair zum Bau der sogenannten strategischen Straßen in den westlichen Departements zu verwenden, die Resultate aber waren sehr ungünstig. Im Durchschnitt überstieg der Aufwand den Kostenanschlag um 30 pCt. Die Ursachen des Mißlingens waren folgende:

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[59/0060] Transportsystems, wollte man es im Laufe weniger Jahre zu Stande bringen, fühlbaren Mangel an Capital und an Arbeitern in allen Zweigen der Volkswirthschaft und unverhältnißmäßige Nachfrage nach Producten, folglich eine schädliche Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel, und in Deutschland zumal eine Störung in der industriellen Ausbildung der Nation, zur Folge haben müßte. Die Wirkung und Gegenwirkung aller hiebei in’s Spiel kommenden Kräfte kann nur allmälig sich entfalten und ist nicht zu präcipitiren. Die Erfahrung muß hierin Maaß und Ziel geben, und die Regierung besitzt mehr als einen Barometer, woran sie abnehmen kann, ob sie einhalten muß, oder weiter gehen darf, z. B. die Preise der Producte, den Werth des liegenden Eigenthums, die Preise der Taglöhne, den Stand des Zinsfußes und überhaupt den Stand des Ackerbaues und der Gewerbe. Nach unseren Beobachtungen und Erfahrungen dürfte jede civilisirte und gewerbfleißige Nation, wofern sie noch gar keinen oder nur einen geringen Anfang gemacht hat, wie die deutsche, im Lauf von 15 bis 20 Jahren, wenn sie aber schon bedeutende Fortschritte gemacht hat, wie die französische, in noch kürzerer Zeit ohne Gefahr, Störungen in der Industrie zu veranlassen, im Stande sein, ein vollständiges Transportsystem herzustellen, vorausgesetzt, daß sie nicht durch Kriege in ihren Arbeiten gestört würde. Zum Maßstab, wie viel Arbeiter schon im Anfange für dergleichen Unternehmungen ohne Nachtheil von jedem einzelnen Staat zu verwenden seien, dürfte die Zahl der im wirklichen Dienst befindlichen Soldaten dienen, zumal wenn ein Theil derselben für die Arbeiten verwendet werden könnte. Am allerwenigsten dürften diejenigen Staaten, bei welchen die Auswanderung überhand genommen hat, Bedenken tragen, eine solche Zahl von Arbeitern zu beschäftigen, indem schon die Auswanderung ein Beweis ist, daß sie eine größere Zahl von Arbeitern besitzen, als sie beschäftigen können, und da es kein sichereres und kein vernünftigeres Mittel gibt, der Auswanderung und dem dadurch entstehenden Capital-Abfluß Einhalt zu thun, als die Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitern bei öffentlichen Werken. Manche deutsche Staaten dürften kaum so große Capitale auf die Herstellung eines vollkommenen Transportsystems zu verwenden haben, als sie im Lauf von 15 bis 20 Jahren durch die Auswanderung verlieren. Wir haben oben der Verwendung des Militairs zum Behuf der öffentlichen Arbeiten erwähnt, eines Vorschlags, der schon vielfältig in Anregung gekommen ist und wahrscheinlich in Zukunft noch öfters zur Sprache kommen wird. Es wird daher nicht unzweckmäßig sein, die Erfahrungen von Frankreich, wo im Lauf der letzten Jahre Versuche damit angestellt worden sind, hier mitzutheilen. Im Jahre 1835 beschloß die französische Regierung, das Militair zum Bau der sogenannten strategischen Straßen in den westlichen Departements zu verwenden, die Resultate aber waren sehr ungünstig. Im Durchschnitt überstieg der Aufwand den Kostenanschlag um 30 pCt. Die Ursachen des Mißlingens waren folgende:

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/60>, abgerufen am 24.04.2024.