Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

jede Eisenbahn ihre Geschäfte und ihr Einkommen im Laufe von 8 bis 15 Jahren verdoppelt, warum die kleinen Bissen der magern Jahre noch kleiner machen und damit die großen Portionen der fetten Jahre noch vergrößern? Reservefonds- und Amortisations-Pläne können nur dazu führen, daß die Transportpreise höher gestellt werden, als es der raschen Entwickelung der productiven Kräfte zuträglich ist, also die Nützlichkeit der Eisenbahnen für die Zwecke derjenigen Generation, die sie baut, die also dafür die meisten Aufopferungen zu bringen hat, zu beeinträchtigen.

Von dem Vermögen der Nation, zum Zweck der Vervollkommnung der National-Transport-Mittel so ungeheuer scheinende Summen aufzubringen, haben zur Zeit in Deutschland die Wenigsten richtige Vorstellungen, und so ist es natürlich, daß dem wirthschaftlichsten und gewissenhaftesten Staatsbeamten und Volksvertreter, wenn ihm die erforderlichen nationalökonomischen Einsichten abgehen, Vorschläge dieser Art wie Lawsche Schwindeleien vorkommen. Eine gründliche Erörterung dieser Seite des Gegenstandes scheint daher in unserer Aufgabe zu liegen.

Zuvörderst ist zu bemerken, daß jede Nation Geld genug besitzt, um die größten Werke in Ausführung zu bringen. Die Herstellung derselben verursacht nicht die geringste Consumtion an edlen Metallen; sie erfordert nur Steine, Holz, Eisen, Arbeiter, Lebensmittel für die Arbeiter und, wenn der Staat sie unternimmt, Staats-Credit. Das Geld ist blos Circulations-Medium und das Mittel, jene Materialien und Victualien in Eisenbahnen und Canäle zu verwandeln.

Im Fall aber im Laufe des Baues sich hinsichtlich der Quantität der Circulationsmittel eine Unzulänglichkeit herausstellen sollte, so stände dem Staat ein sehr leichtes und wohlfeiles Hülfsmittel zu Gebot; er dürfte nur ein solides Papiergeldsystem einführen, oder die Summe der vorhandenen Papier-Circulationsmittel vermehren.

Eine wichtigere Frage ist die: ob das materielle und geistige Capital der Nation zu den projectirten Unternehmungen die Mittel biete. Ein sicheres Zeichen von der Zunahme des materiellen Capitals liegt im Fallen des Zinsfußes - von dem Vorhandensein einer noch wenig entwickelten Arbeitskraft in dem niedrigen Preise der Taglöhne - und von dem gestörten Gleichgewicht zwischen landwirthschaftlicher und gewerblicher Production in dem niedrigen Stande der Getreidepreise. Alle diese Anzeigen sind in Deutschland in hohem Grade vorhanden.

Wie schon eine einzelne Fabrik durch zweckmäßige Theilung der Arbeit mit dem gleichen Capital weit mehr produciren kann, als ohne dieselbe, so ist dies noch viel mehr bei einer Nation der Fall, in welcher die landwirthschaftliche Production und Consumtion mit der gewerblichen nicht im Verhältniß steht. Die Herstellung von künstlichen Transportmitteln wirkt aber nicht nur nach ihrer Herstellung, sondern ebenso kräftig durch die zum Bau erforderlichen Materialien, Lebensmittel

jede Eisenbahn ihre Geschäfte und ihr Einkommen im Laufe von 8 bis 15 Jahren verdoppelt, warum die kleinen Bissen der magern Jahre noch kleiner machen und damit die großen Portionen der fetten Jahre noch vergrößern? Reservefonds- und Amortisations-Pläne können nur dazu führen, daß die Transportpreise höher gestellt werden, als es der raschen Entwickelung der productiven Kräfte zuträglich ist, also die Nützlichkeit der Eisenbahnen für die Zwecke derjenigen Generation, die sie baut, die also dafür die meisten Aufopferungen zu bringen hat, zu beeinträchtigen.

Von dem Vermögen der Nation, zum Zweck der Vervollkommnung der National-Transport-Mittel so ungeheuer scheinende Summen aufzubringen, haben zur Zeit in Deutschland die Wenigsten richtige Vorstellungen, und so ist es natürlich, daß dem wirthschaftlichsten und gewissenhaftesten Staatsbeamten und Volksvertreter, wenn ihm die erforderlichen nationalökonomischen Einsichten abgehen, Vorschläge dieser Art wie Lawsche Schwindeleien vorkommen. Eine gründliche Erörterung dieser Seite des Gegenstandes scheint daher in unserer Aufgabe zu liegen.

Zuvörderst ist zu bemerken, daß jede Nation Geld genug besitzt, um die größten Werke in Ausführung zu bringen. Die Herstellung derselben verursacht nicht die geringste Consumtion an edlen Metallen; sie erfordert nur Steine, Holz, Eisen, Arbeiter, Lebensmittel für die Arbeiter und, wenn der Staat sie unternimmt, Staats-Credit. Das Geld ist blos Circulations-Medium und das Mittel, jene Materialien und Victualien in Eisenbahnen und Canäle zu verwandeln.

Im Fall aber im Laufe des Baues sich hinsichtlich der Quantität der Circulationsmittel eine Unzulänglichkeit herausstellen sollte, so stände dem Staat ein sehr leichtes und wohlfeiles Hülfsmittel zu Gebot; er dürfte nur ein solides Papiergeldsystem einführen, oder die Summe der vorhandenen Papier-Circulationsmittel vermehren.

Eine wichtigere Frage ist die: ob das materielle und geistige Capital der Nation zu den projectirten Unternehmungen die Mittel biete. Ein sicheres Zeichen von der Zunahme des materiellen Capitals liegt im Fallen des Zinsfußes – von dem Vorhandensein einer noch wenig entwickelten Arbeitskraft in dem niedrigen Preise der Taglöhne – und von dem gestörten Gleichgewicht zwischen landwirthschaftlicher und gewerblicher Production in dem niedrigen Stande der Getreidepreise. Alle diese Anzeigen sind in Deutschland in hohem Grade vorhanden.

Wie schon eine einzelne Fabrik durch zweckmäßige Theilung der Arbeit mit dem gleichen Capital weit mehr produciren kann, als ohne dieselbe, so ist dies noch viel mehr bei einer Nation der Fall, in welcher die landwirthschaftliche Production und Consumtion mit der gewerblichen nicht im Verhältniß steht. Die Herstellung von künstlichen Transportmitteln wirkt aber nicht nur nach ihrer Herstellung, sondern ebenso kräftig durch die zum Bau erforderlichen Materialien, Lebensmittel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="56"/>
jede Eisenbahn ihre Geschäfte und ihr Einkommen im Laufe von 8 bis 15 Jahren verdoppelt, warum die kleinen Bissen der magern Jahre noch kleiner machen und damit die großen Portionen der fetten Jahre noch vergrößern? Reservefonds- und Amortisations-Pläne können nur dazu führen, daß die Transportpreise höher gestellt werden, als es der raschen Entwickelung der productiven Kräfte zuträglich ist, also die Nützlichkeit der Eisenbahnen für die Zwecke derjenigen Generation, die sie baut, die also dafür die meisten Aufopferungen zu bringen hat, zu beeinträchtigen.</p>
        <p>Von dem <hi rendition="#g">Vermögen der Nation, zum Zweck der Vervollkommnung der National-Transport-Mittel so ungeheuer scheinende Summen aufzubringen</hi>, haben zur Zeit in Deutschland die Wenigsten richtige Vorstellungen, und so ist es natürlich, daß dem wirthschaftlichsten und gewissenhaftesten Staatsbeamten und Volksvertreter, wenn ihm die erforderlichen nationalökonomischen Einsichten abgehen, Vorschläge dieser Art wie Lawsche Schwindeleien vorkommen. Eine gründliche Erörterung dieser Seite des Gegenstandes scheint daher in unserer Aufgabe zu liegen.</p>
        <p>Zuvörderst ist zu bemerken, daß jede Nation <hi rendition="#g">Geld</hi> genug besitzt, um die größten Werke in Ausführung zu bringen. Die Herstellung derselben verursacht nicht die geringste Consumtion an edlen Metallen; sie erfordert nur Steine, Holz, Eisen, Arbeiter, Lebensmittel für die Arbeiter und, wenn der Staat sie unternimmt, <hi rendition="#g">Staats-Credit</hi>. Das Geld ist blos Circulations-Medium und das Mittel, jene Materialien und Victualien in Eisenbahnen und Canäle zu verwandeln.</p>
        <p>Im Fall aber im Laufe des Baues sich hinsichtlich der Quantität der Circulationsmittel eine Unzulänglichkeit herausstellen sollte, so stände dem Staat ein sehr leichtes und wohlfeiles Hülfsmittel zu Gebot; er dürfte nur ein solides <hi rendition="#g">Papiergeldsystem</hi> einführen, oder die Summe der vorhandenen Papier-Circulationsmittel vermehren.</p>
        <p>Eine wichtigere Frage ist die: <hi rendition="#g">ob das materielle und geistige Capital der Nation zu den projectirten Unternehmungen die Mittel biete</hi>. Ein sicheres Zeichen von der <hi rendition="#g">Zunahme des materiellen Capitals</hi> liegt im Fallen des <hi rendition="#g">Zinsfußes</hi> &#x2013; von dem Vorhandensein einer noch wenig <hi rendition="#g">entwickelten Arbeitskraft</hi> in dem niedrigen Preise der Taglöhne &#x2013; und von dem gestörten <hi rendition="#g">Gleichgewicht</hi> zwischen landwirthschaftlicher und gewerblicher Production in dem niedrigen Stande der Getreidepreise. Alle diese Anzeigen sind in Deutschland in hohem Grade vorhanden.</p>
        <p>Wie schon eine einzelne Fabrik durch zweckmäßige Theilung der Arbeit mit dem gleichen Capital weit mehr produciren kann, als ohne dieselbe, so ist dies noch viel mehr bei einer Nation der Fall, in welcher die <hi rendition="#g">landwirthschaftliche</hi> Production und Consumtion mit der <hi rendition="#g">gewerblichen</hi> nicht im Verhältniß steht. Die Herstellung von künstlichen Transportmitteln wirkt aber nicht nur nach ihrer Herstellung, sondern ebenso kräftig durch die zum Bau erforderlichen Materialien, Lebensmittel
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0057] jede Eisenbahn ihre Geschäfte und ihr Einkommen im Laufe von 8 bis 15 Jahren verdoppelt, warum die kleinen Bissen der magern Jahre noch kleiner machen und damit die großen Portionen der fetten Jahre noch vergrößern? Reservefonds- und Amortisations-Pläne können nur dazu führen, daß die Transportpreise höher gestellt werden, als es der raschen Entwickelung der productiven Kräfte zuträglich ist, also die Nützlichkeit der Eisenbahnen für die Zwecke derjenigen Generation, die sie baut, die also dafür die meisten Aufopferungen zu bringen hat, zu beeinträchtigen. Von dem Vermögen der Nation, zum Zweck der Vervollkommnung der National-Transport-Mittel so ungeheuer scheinende Summen aufzubringen, haben zur Zeit in Deutschland die Wenigsten richtige Vorstellungen, und so ist es natürlich, daß dem wirthschaftlichsten und gewissenhaftesten Staatsbeamten und Volksvertreter, wenn ihm die erforderlichen nationalökonomischen Einsichten abgehen, Vorschläge dieser Art wie Lawsche Schwindeleien vorkommen. Eine gründliche Erörterung dieser Seite des Gegenstandes scheint daher in unserer Aufgabe zu liegen. Zuvörderst ist zu bemerken, daß jede Nation Geld genug besitzt, um die größten Werke in Ausführung zu bringen. Die Herstellung derselben verursacht nicht die geringste Consumtion an edlen Metallen; sie erfordert nur Steine, Holz, Eisen, Arbeiter, Lebensmittel für die Arbeiter und, wenn der Staat sie unternimmt, Staats-Credit. Das Geld ist blos Circulations-Medium und das Mittel, jene Materialien und Victualien in Eisenbahnen und Canäle zu verwandeln. Im Fall aber im Laufe des Baues sich hinsichtlich der Quantität der Circulationsmittel eine Unzulänglichkeit herausstellen sollte, so stände dem Staat ein sehr leichtes und wohlfeiles Hülfsmittel zu Gebot; er dürfte nur ein solides Papiergeldsystem einführen, oder die Summe der vorhandenen Papier-Circulationsmittel vermehren. Eine wichtigere Frage ist die: ob das materielle und geistige Capital der Nation zu den projectirten Unternehmungen die Mittel biete. Ein sicheres Zeichen von der Zunahme des materiellen Capitals liegt im Fallen des Zinsfußes – von dem Vorhandensein einer noch wenig entwickelten Arbeitskraft in dem niedrigen Preise der Taglöhne – und von dem gestörten Gleichgewicht zwischen landwirthschaftlicher und gewerblicher Production in dem niedrigen Stande der Getreidepreise. Alle diese Anzeigen sind in Deutschland in hohem Grade vorhanden. Wie schon eine einzelne Fabrik durch zweckmäßige Theilung der Arbeit mit dem gleichen Capital weit mehr produciren kann, als ohne dieselbe, so ist dies noch viel mehr bei einer Nation der Fall, in welcher die landwirthschaftliche Production und Consumtion mit der gewerblichen nicht im Verhältniß steht. Die Herstellung von künstlichen Transportmitteln wirkt aber nicht nur nach ihrer Herstellung, sondern ebenso kräftig durch die zum Bau erforderlichen Materialien, Lebensmittel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Die innerhalb des Werks inkonsistente Rechtschreibung und Schreibung von z. B. Ortsnamen wird beibehalten. Offensichtliche Druckfehler des Originals werden im sichtbaren Editionstext stillschweigend korrigiert, im Quelltext jedoch auskommentiert dargestellt.
  • Die Frakturschrift der Vorlage kennt keine großen Umlaute; Ae, Oe, Ue werden zu Ä, Ö und Ü umgesetzt. Weiterhin wird im Original für die großen I und J nur die Type J benutzt; hier werden I und J eingesetzt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/57
Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/57>, abgerufen am 25.04.2024.