Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Dampfschifffahrt ist erst nach dem Falle Napoleons aufgekommen, dennoch hat sie für die Civilisation und den Verkehr der Völker schon Wunder gewirkt. Von London aus geht man mit regelmäßigen Dampfbooten nach Edinburg, Christiania, Stockholm, Kopenhagen, Hamburg, Bremen, Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, Ostende, Calais, Boulogne, Dieppe, Havre, Bordeaux, Dublin, Liverpool und nach den spanischen und portugiesischen Häfen. Von Hamburg geht man nach London, Hull, Rotterdam und Havre; von Lübeck nach Petersburg und Copenhagen. Sämmtliche Städte an der Ost- und Nordsee, am Canal, am biscayischen Meerbusen und an der atlantischen Küste stehen jetzt vermittelst der Dampfbootschifffahrt in weit wohlfeilerem und weit regelmäßigerem Verkehr als zuvor die englischen Seestädte unter sich. Die Folge hiervon ist, daß die Reisen von einem europäischen Lande in das andere aufgehört haben, Wagestücke und kostspielige Unternehmungen zu sein; daß der Briefwechsel und der Waarenverkehr viel rascher von Statten geht; daß Hunderttausende von Engländern jährlich nach dem Continent kommen und sich mit den Franzosen und Deutschen befreunden; daß Letztere in Schaaren nach England wallfahrten, um die Wunder seiner Industrie kennen zu lernen und sich zu unterrichten; daß ganze Caravanen aus dem Norden die deutschen Länder besuchen; daß, mit einem Worte gesagt, die Völker sich gegenseitig kennen lernen und zur Nacheiferung anspornen.

Ebenso sind das schwarze Meer und das Mittelmeer durch die Dampfschifffahrt zu Binnenseen umgeschaffen worden. Von Marseille und Triest aus macht man die Runde auf dem mittelländischen Meere, längs der Küsten von Italien und Sicilien, von Griechenland, der europäischen Türkei, von Kleinasien, Syrien, Ägypten und der Berberei; von Wien schifft man sich direct nach Constantinopel ein. Die Seeräuberei ist verschwunden, und der Handel mit dem östlichen Asien und dem nördlichen Afrika ist zum Gegenstand regelmäßiger Geschäfte geworden. Die Gelehrten bereisen die asiatischen und afrikanischen Küsten fast mit derselben Sicherheit wie die europäischen. Ohne die Dampfschifffahrt hätte Frankreich nie an die Gründung einer Colonie in Algier denken können, und welches auch das Schicksal dieses Unternehmens sein mag, so viel ist gewiß, daß durch den Einfluß der Dampfschifffahrt alle Uferländer jener Meere Riesenschritte in der Civilisation machen.

Nirgends aber hat die Dampfschifffahrt größere Wunder gewirkt, als in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von Neufundland bis Neu-Orleans findet man tägliche Gelegenheit, auf Dampfschiffen von einem Seehafen zum andern zu gelangen. Alle Binnenseen und Ströme sind damit bedeckt. Auf dem Erie kreuzen 24 der größten Art, die nicht selten mehrere Hundert Passagiere an Bord haben. In Cincinnati liegen häufig zwanzig bis dreißig Dampfboote vor Anker. Zwischen Pittsburg und Neu-Orleans belief sich die Zahl derselben im Jahre 1832 auf nicht weniger als 240. Ein Hauptgrund dieses außerordentlichen Reiseverkehrs ist die freie Concurrenz, wodurch die Preise ungemein niedrig gestellt

Die Dampfschifffahrt ist erst nach dem Falle Napoleons aufgekommen, dennoch hat sie für die Civilisation und den Verkehr der Völker schon Wunder gewirkt. Von London aus geht man mit regelmäßigen Dampfbooten nach Edinburg, Christiania, Stockholm, Kopenhagen, Hamburg, Bremen, Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, Ostende, Calais, Boulogne, Dieppe, Havre, Bordeaux, Dublin, Liverpool und nach den spanischen und portugiesischen Häfen. Von Hamburg geht man nach London, Hull, Rotterdam und Havre; von Lübeck nach Petersburg und Copenhagen. Sämmtliche Städte an der Ost- und Nordsee, am Canal, am biscayischen Meerbusen und an der atlantischen Küste stehen jetzt vermittelst der Dampfbootschifffahrt in weit wohlfeilerem und weit regelmäßigerem Verkehr als zuvor die englischen Seestädte unter sich. Die Folge hiervon ist, daß die Reisen von einem europäischen Lande in das andere aufgehört haben, Wagestücke und kostspielige Unternehmungen zu sein; daß der Briefwechsel und der Waarenverkehr viel rascher von Statten geht; daß Hunderttausende von Engländern jährlich nach dem Continent kommen und sich mit den Franzosen und Deutschen befreunden; daß Letztere in Schaaren nach England wallfahrten, um die Wunder seiner Industrie kennen zu lernen und sich zu unterrichten; daß ganze Caravanen aus dem Norden die deutschen Länder besuchen; daß, mit einem Worte gesagt, die Völker sich gegenseitig kennen lernen und zur Nacheiferung anspornen.

Ebenso sind das schwarze Meer und das Mittelmeer durch die Dampfschifffahrt zu Binnenseen umgeschaffen worden. Von Marseille und Triest aus macht man die Runde auf dem mittelländischen Meere, längs der Küsten von Italien und Sicilien, von Griechenland, der europäischen Türkei, von Kleinasien, Syrien, Ägypten und der Berberei; von Wien schifft man sich direct nach Constantinopel ein. Die Seeräuberei ist verschwunden, und der Handel mit dem östlichen Asien und dem nördlichen Afrika ist zum Gegenstand regelmäßiger Geschäfte geworden. Die Gelehrten bereisen die asiatischen und afrikanischen Küsten fast mit derselben Sicherheit wie die europäischen. Ohne die Dampfschifffahrt hätte Frankreich nie an die Gründung einer Colonie in Algier denken können, und welches auch das Schicksal dieses Unternehmens sein mag, so viel ist gewiß, daß durch den Einfluß der Dampfschifffahrt alle Uferländer jener Meere Riesenschritte in der Civilisation machen.

Nirgends aber hat die Dampfschifffahrt größere Wunder gewirkt, als in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von Neufundland bis Neu-Orleans findet man tägliche Gelegenheit, auf Dampfschiffen von einem Seehafen zum andern zu gelangen. Alle Binnenseen und Ströme sind damit bedeckt. Auf dem Erie kreuzen 24 der größten Art, die nicht selten mehrere Hundert Passagiere an Bord haben. In Cincinnati liegen häufig zwanzig bis dreißig Dampfboote vor Anker. Zwischen Pittsburg und Neu-Orleans belief sich die Zahl derselben im Jahre 1832 auf nicht weniger als 240. Ein Hauptgrund dieses außerordentlichen Reiseverkehrs ist die freie Concurrenz, wodurch die Preise ungemein niedrig gestellt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0005" n="4"/>
        <p> Die <hi rendition="#g">Dampfschifffahrt</hi> ist erst nach dem Falle Napoleons aufgekommen, dennoch hat sie für die Civilisation und den Verkehr der Völker schon Wunder gewirkt. Von London aus geht man mit regelmäßigen Dampfbooten nach Edinburg, Christiania, Stockholm, Kopenhagen, Hamburg, Bremen, Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, Ostende, Calais, Boulogne, Dieppe, Havre, Bordeaux, Dublin, Liverpool und nach den spanischen und portugiesischen Häfen. Von Hamburg geht man nach London, Hull, Rotterdam und Havre; von Lübeck nach Petersburg und Copenhagen. Sämmtliche Städte an der Ost- und Nordsee, am Canal, am biscayischen Meerbusen und an der atlantischen Küste stehen jetzt vermittelst der Dampfbootschifffahrt in weit wohlfeilerem und weit regelmäßigerem Verkehr als zuvor die englischen Seestädte unter sich. Die Folge hiervon ist, daß die Reisen von einem europäischen Lande in das andere aufgehört haben, Wagestücke und kostspielige Unternehmungen zu sein; daß der Briefwechsel und der Waarenverkehr viel rascher von Statten geht; daß Hunderttausende von Engländern jährlich nach dem Continent kommen und sich mit den Franzosen und Deutschen befreunden; daß Letztere in Schaaren nach England wallfahrten, um die Wunder seiner Industrie kennen zu lernen und sich zu unterrichten; daß ganze Caravanen aus dem Norden die deutschen Länder besuchen; daß, mit einem Worte gesagt, die Völker sich gegenseitig kennen lernen und zur Nacheiferung anspornen.</p>
        <p>Ebenso sind das schwarze Meer und das Mittelmeer durch die Dampfschifffahrt zu Binnenseen umgeschaffen worden. Von Marseille und Triest aus macht man die Runde auf dem mittelländischen Meere, längs der Küsten von Italien und Sicilien, von Griechenland, der europäischen Türkei, von Kleinasien, Syrien, Ägypten und der Berberei; von Wien schifft man sich direct nach Constantinopel ein. Die Seeräuberei ist verschwunden, und der Handel mit dem östlichen Asien und dem nördlichen Afrika ist zum Gegenstand regelmäßiger Geschäfte geworden. Die Gelehrten bereisen die asiatischen und afrikanischen Küsten fast mit derselben Sicherheit wie die europäischen. Ohne die Dampfschifffahrt hätte Frankreich nie an die Gründung einer Colonie in Algier denken können, und welches auch das Schicksal dieses Unternehmens sein mag, so viel ist gewiß, daß durch den Einfluß der Dampfschifffahrt alle Uferländer jener Meere Riesenschritte in der Civilisation machen.</p>
        <p>Nirgends aber hat die Dampfschifffahrt größere Wunder gewirkt, als in den Vereinigten Staaten von <hi rendition="#g">Nordamerika</hi>. Von Neufundland bis Neu-Orleans findet man tägliche Gelegenheit, auf Dampfschiffen von einem Seehafen zum andern zu gelangen. Alle Binnenseen und Ströme sind damit bedeckt. Auf dem Erie kreuzen 24 der größten Art, die nicht selten mehrere Hundert Passagiere an Bord haben. In Cincinnati liegen häufig zwanzig bis dreißig Dampfboote vor Anker. Zwischen Pittsburg und Neu-Orleans belief sich die Zahl derselben im Jahre 1832 auf nicht weniger als 240. Ein Hauptgrund dieses außerordentlichen Reiseverkehrs ist die freie Concurrenz, wodurch die Preise ungemein niedrig gestellt
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0005] Die Dampfschifffahrt ist erst nach dem Falle Napoleons aufgekommen, dennoch hat sie für die Civilisation und den Verkehr der Völker schon Wunder gewirkt. Von London aus geht man mit regelmäßigen Dampfbooten nach Edinburg, Christiania, Stockholm, Kopenhagen, Hamburg, Bremen, Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, Ostende, Calais, Boulogne, Dieppe, Havre, Bordeaux, Dublin, Liverpool und nach den spanischen und portugiesischen Häfen. Von Hamburg geht man nach London, Hull, Rotterdam und Havre; von Lübeck nach Petersburg und Copenhagen. Sämmtliche Städte an der Ost- und Nordsee, am Canal, am biscayischen Meerbusen und an der atlantischen Küste stehen jetzt vermittelst der Dampfbootschifffahrt in weit wohlfeilerem und weit regelmäßigerem Verkehr als zuvor die englischen Seestädte unter sich. Die Folge hiervon ist, daß die Reisen von einem europäischen Lande in das andere aufgehört haben, Wagestücke und kostspielige Unternehmungen zu sein; daß der Briefwechsel und der Waarenverkehr viel rascher von Statten geht; daß Hunderttausende von Engländern jährlich nach dem Continent kommen und sich mit den Franzosen und Deutschen befreunden; daß Letztere in Schaaren nach England wallfahrten, um die Wunder seiner Industrie kennen zu lernen und sich zu unterrichten; daß ganze Caravanen aus dem Norden die deutschen Länder besuchen; daß, mit einem Worte gesagt, die Völker sich gegenseitig kennen lernen und zur Nacheiferung anspornen. Ebenso sind das schwarze Meer und das Mittelmeer durch die Dampfschifffahrt zu Binnenseen umgeschaffen worden. Von Marseille und Triest aus macht man die Runde auf dem mittelländischen Meere, längs der Küsten von Italien und Sicilien, von Griechenland, der europäischen Türkei, von Kleinasien, Syrien, Ägypten und der Berberei; von Wien schifft man sich direct nach Constantinopel ein. Die Seeräuberei ist verschwunden, und der Handel mit dem östlichen Asien und dem nördlichen Afrika ist zum Gegenstand regelmäßiger Geschäfte geworden. Die Gelehrten bereisen die asiatischen und afrikanischen Küsten fast mit derselben Sicherheit wie die europäischen. Ohne die Dampfschifffahrt hätte Frankreich nie an die Gründung einer Colonie in Algier denken können, und welches auch das Schicksal dieses Unternehmens sein mag, so viel ist gewiß, daß durch den Einfluß der Dampfschifffahrt alle Uferländer jener Meere Riesenschritte in der Civilisation machen. Nirgends aber hat die Dampfschifffahrt größere Wunder gewirkt, als in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von Neufundland bis Neu-Orleans findet man tägliche Gelegenheit, auf Dampfschiffen von einem Seehafen zum andern zu gelangen. Alle Binnenseen und Ströme sind damit bedeckt. Auf dem Erie kreuzen 24 der größten Art, die nicht selten mehrere Hundert Passagiere an Bord haben. In Cincinnati liegen häufig zwanzig bis dreißig Dampfboote vor Anker. Zwischen Pittsburg und Neu-Orleans belief sich die Zahl derselben im Jahre 1832 auf nicht weniger als 240. Ein Hauptgrund dieses außerordentlichen Reiseverkehrs ist die freie Concurrenz, wodurch die Preise ungemein niedrig gestellt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Die innerhalb des Werks inkonsistente Rechtschreibung und Schreibung von z. B. Ortsnamen wird beibehalten. Offensichtliche Druckfehler des Originals werden im sichtbaren Editionstext stillschweigend korrigiert, im Quelltext jedoch auskommentiert dargestellt.
  • Die Frakturschrift der Vorlage kennt keine großen Umlaute; Ae, Oe, Ue werden zu Ä, Ö und Ü umgesetzt. Weiterhin wird im Original für die großen I und J nur die Type J benutzt; hier werden I und J eingesetzt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/5
Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/5>, abgerufen am 20.04.2024.