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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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Kann sie es - wenn die wohlthätigen Wirkungen derselben ihr überall entgegentreten?

Kann sie es - wenn sie an dem Beispiel von Belgien wahrnimmt, daß der Staat nicht nur die volkswirthschaftlichen Interessen, sondern auch seine finanziellen durch kräftige Ausführung eines vollständigen Eisenbahn-Systems auf außerordentliche Weise fördert?

Wird sie es - nachdem sie zur Überzeugung gelangt ist, daß die wichtigste Eisenbahn in Beziehung auf die Beförderung der sächsischen Gewerbs-Industrie, die erzgebirgische nämlich, wie sie jetzt projectirt ist, ohne Staatshülfe oder Garantie nie vorwärts kommen kann?

Wird man in Sachsen immer noch vor dem Phantom einer vergrößerten Staats-Schuld zurückschrecken, nachdem die Erfahrung klar an den Tag gestellt haben wird, daß diese Unternehmungen effectiv zur Schulden-Ablösung führen?

Wir glauben dies nicht. Vielmehr leben wir der festen Überzeugung: die sächsische Gesetzgebung werde in kurzer Zeit die Ausführung eines vollständigen sächsischen Eisenbahn-Systems auf Kosten des Staats und den Rückkauf der leipzig-dresdner Eisenbahn-Actien gegen Erstattung der Einzahlung mit 4 Procent Zinsen beschließen.

Wenn diese Maßregel oder auch die Garantie eines Minimum-Ertrags gegen Theilnahme an einem die gewöhnlichen Procente übersteigenden Ertrag bei dem gegenwärtigen Stand der leipzig-dresdner Actien als ein Benefiz für die Actionäre erscheint, so würde dadurch auf der andern Seite das Interesse des Staats nicht minder gefördert; denn die von dem Staat der leipzig-dresdner Eisenbahn-Compagnie verwilligten Privilegien sind der Art, daß sie, obgleich während des Baues und geraume Zeit nach Beendigung desselben für die Actionäre von geringem Werth, doch in Zukunft dem Staat im höchsten Grade nachtheilig und beschwerlich werden müssen; wir meinen das Recht der Compagnie, die Fahrpreise bis auf die Höhe der Chaussee-Frachten zu treiben und das ausschließliche und immerwährende Privilegium einer directen Eisenbahn-Verbindung zwischen Leipzig und Dresden. Daß diese Concessionen um so beschwerlicher werden müssen, und daß ihren nachtheiligen Wirkungen um so weniger zu begegnen sein wird, je mehr das Eisenbahnwesen seiner Vervollkommnung entgegenschreitet, und der Verkehr sich vermehrt, ist klar; denn wenn im Lauf von 20-30 Jahren die Actien auf 300 bis 400 Procent über die Einzahlung stiegen, so würde der Staat 15-20 Millionen Thaler aufzuwenden haben, um jene auf einer einzigen Route haftenden Privilegien durch Ankauf der Actien abzulösen, während er gegenwärtig im Stande ist, mit dieser Summe ein vollständiges Transport-System herzustellen, das ihm bei mäßigen Fahrpreisen nicht nur baldige Verzinsung seines Anlageaufwands, sondern auch in alle Zukunft die Facultät, der Industrie durch fortwährende Verminderung der Fahrpreise

Kann sie es – wenn die wohlthätigen Wirkungen derselben ihr überall entgegentreten?

Kann sie es – wenn sie an dem Beispiel von Belgien wahrnimmt, daß der Staat nicht nur die volkswirthschaftlichen Interessen, sondern auch seine finanziellen durch kräftige Ausführung eines vollständigen Eisenbahn-Systems auf außerordentliche Weise fördert?

Wird sie es – nachdem sie zur Überzeugung gelangt ist, daß die wichtigste Eisenbahn in Beziehung auf die Beförderung der sächsischen Gewerbs-Industrie, die erzgebirgische nämlich, wie sie jetzt projectirt ist, ohne Staatshülfe oder Garantie nie vorwärts kommen kann?

Wird man in Sachsen immer noch vor dem Phantom einer vergrößerten Staats-Schuld zurückschrecken, nachdem die Erfahrung klar an den Tag gestellt haben wird, daß diese Unternehmungen effectiv zur Schulden-Ablösung führen?

Wir glauben dies nicht. Vielmehr leben wir der festen Überzeugung: die sächsische Gesetzgebung werde in kurzer Zeit die Ausführung eines vollständigen sächsischen Eisenbahn-Systems auf Kosten des Staats und den Rückkauf der leipzig-dresdner Eisenbahn-Actien gegen Erstattung der Einzahlung mit 4 Procent Zinsen beschließen.

Wenn diese Maßregel oder auch die Garantie eines Minimum-Ertrags gegen Theilnahme an einem die gewöhnlichen Procente übersteigenden Ertrag bei dem gegenwärtigen Stand der leipzig-dresdner Actien als ein Benefiz für die Actionäre erscheint, so würde dadurch auf der andern Seite das Interesse des Staats nicht minder gefördert; denn die von dem Staat der leipzig-dresdner Eisenbahn-Compagnie verwilligten Privilegien sind der Art, daß sie, obgleich während des Baues und geraume Zeit nach Beendigung desselben für die Actionäre von geringem Werth, doch in Zukunft dem Staat im höchsten Grade nachtheilig und beschwerlich werden müssen; wir meinen das Recht der Compagnie, die Fahrpreise bis auf die Höhe der Chaussee-Frachten zu treiben und das ausschließliche und immerwährende Privilegium einer directen Eisenbahn-Verbindung zwischen Leipzig und Dresden. Daß diese Concessionen um so beschwerlicher werden müssen, und daß ihren nachtheiligen Wirkungen um so weniger zu begegnen sein wird, je mehr das Eisenbahnwesen seiner Vervollkommnung entgegenschreitet, und der Verkehr sich vermehrt, ist klar; denn wenn im Lauf von 20–30 Jahren die Actien auf 300 bis 400 Procent über die Einzahlung stiegen, so würde der Staat 15–20 Millionen Thaler aufzuwenden haben, um jene auf einer einzigen Route haftenden Privilegien durch Ankauf der Actien abzulösen, während er gegenwärtig im Stande ist, mit dieser Summe ein vollständiges Transport-System herzustellen, das ihm bei mäßigen Fahrpreisen nicht nur baldige Verzinsung seines Anlageaufwands, sondern auch in alle Zukunft die Facultät, der Industrie durch fortwährende Verminderung der Fahrpreise

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[108/0109] Kann sie es – wenn die wohlthätigen Wirkungen derselben ihr überall entgegentreten? Kann sie es – wenn sie an dem Beispiel von Belgien wahrnimmt, daß der Staat nicht nur die volkswirthschaftlichen Interessen, sondern auch seine finanziellen durch kräftige Ausführung eines vollständigen Eisenbahn-Systems auf außerordentliche Weise fördert? Wird sie es – nachdem sie zur Überzeugung gelangt ist, daß die wichtigste Eisenbahn in Beziehung auf die Beförderung der sächsischen Gewerbs-Industrie, die erzgebirgische nämlich, wie sie jetzt projectirt ist, ohne Staatshülfe oder Garantie nie vorwärts kommen kann? Wird man in Sachsen immer noch vor dem Phantom einer vergrößerten Staats-Schuld zurückschrecken, nachdem die Erfahrung klar an den Tag gestellt haben wird, daß diese Unternehmungen effectiv zur Schulden-Ablösung führen? Wir glauben dies nicht. Vielmehr leben wir der festen Überzeugung: die sächsische Gesetzgebung werde in kurzer Zeit die Ausführung eines vollständigen sächsischen Eisenbahn-Systems auf Kosten des Staats und den Rückkauf der leipzig-dresdner Eisenbahn-Actien gegen Erstattung der Einzahlung mit 4 Procent Zinsen beschließen. Wenn diese Maßregel oder auch die Garantie eines Minimum-Ertrags gegen Theilnahme an einem die gewöhnlichen Procente übersteigenden Ertrag bei dem gegenwärtigen Stand der leipzig-dresdner Actien als ein Benefiz für die Actionäre erscheint, so würde dadurch auf der andern Seite das Interesse des Staats nicht minder gefördert; denn die von dem Staat der leipzig-dresdner Eisenbahn-Compagnie verwilligten Privilegien sind der Art, daß sie, obgleich während des Baues und geraume Zeit nach Beendigung desselben für die Actionäre von geringem Werth, doch in Zukunft dem Staat im höchsten Grade nachtheilig und beschwerlich werden müssen; wir meinen das Recht der Compagnie, die Fahrpreise bis auf die Höhe der Chaussee-Frachten zu treiben und das ausschließliche und immerwährende Privilegium einer directen Eisenbahn-Verbindung zwischen Leipzig und Dresden. Daß diese Concessionen um so beschwerlicher werden müssen, und daß ihren nachtheiligen Wirkungen um so weniger zu begegnen sein wird, je mehr das Eisenbahnwesen seiner Vervollkommnung entgegenschreitet, und der Verkehr sich vermehrt, ist klar; denn wenn im Lauf von 20–30 Jahren die Actien auf 300 bis 400 Procent über die Einzahlung stiegen, so würde der Staat 15–20 Millionen Thaler aufzuwenden haben, um jene auf einer einzigen Route haftenden Privilegien durch Ankauf der Actien abzulösen, während er gegenwärtig im Stande ist, mit dieser Summe ein vollständiges Transport-System herzustellen, das ihm bei mäßigen Fahrpreisen nicht nur baldige Verzinsung seines Anlageaufwands, sondern auch in alle Zukunft die Facultät, der Industrie durch fortwährende Verminderung der Fahrpreise

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/109>, abgerufen am 24.04.2024.