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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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die Anfeuerung aller übrigen deutschen Städte und Länder zu Herstellung eines ganzen deutschen Eisenbahnsystems sich zum Ziele setzte, eine Idee, welche der Verfasser schon seit dem Jahre 1827 in Deutschland wiederholt, und auch 1830-1831 in Frankreich in Anregung gebracht hatte. Ungeachtet dieselbe überall, besonders in Baiern und namentlich in Nürnberg, wo man sofort rüstig Hand an's Werk legte, Anklang fand, kam doch Belgien, durch seine politische und commercielle Lage zu großartigen Entschlüssen und Unternehmungen gedrängt, Deutschland zuvor.

Am 1. Mai 1834 ward auf den Vorschlag des Königs - des einzigen intellectuellen Urhebers dieser großen Maßregel - von der belgischen Kammer unter bedeutendem Widerspruch ein Gesetz beschlossen, welchem gemäß in Belgien ein vollständiges Eisenbahnsystem auf Kosten des Staates hergestellt werden sollte. Unmittelbar nach Promulgation dieses Gesetzes ward Hand an's Werk gelegt und zwar mit so ungemeiner Energie, daß am 5. Mai 1835 die Section von Mecheln nach Brüssel, am 3. Mai 1836 die Section von Mecheln nach Antwerpen, am 2. Januar 1837 die Section von Mecheln nach Termonde, und im Herbste desselben Jahres die Sectionen von Mecheln nach Löwen, von Löwen nach Tirlemont und von Termonde nach Gent eröffnet und bei Gelegenheit der deshalb veranstalteten Feierlichkeiten die Beendigung des ganzen Systems bis längstens zum Jahre 1840 in Aussicht gestellt werden konnte.

Dieses System hat Mecheln zum Centralpunkt. Von hier aus läuft eine Linie nördlich nach Antwerpen; eine zweite westlich nach Termonde, Gent, Brügge und Ostende, mit einer Zweigbahn von Gent über Courtray nach Lille und einer andern von Courtray nach Tournay; eine dritte südlich nach Brüssel, Hale, Eccoussin, Houdaing, Mons nach Valenciennes und Paris, mit einer Zweigbahn von Houdaing nach Charleroy; eine vierte südöstlich über Löwen, Tirlemont Landes, Waremme, Lüttich, Verviers nach Aachen und Cöln mit einer Zweigbahn von Landes in nordöstlicher Richtung nach St. Trond und Diest und einer zweiten Zweigbahn von einem Punkt zwischen Tirlemont und Landes in südlicher Richtung nach Namür, von wo diese Linie später bis Luxemburg fortgesetzt werden soll.

Wenn man die angegebenen Linien auf der Karte nachzeichnet, so wird man finden, daß dieses Eisenbahnsystem alle belgischen Städte von einiger Bedeutung mit einer Bevölkerung von ungefähr Einer Million Menschen unter sich verbindet, daß es an zwei Orten das Meer berührt und Belgien mit Deutschland wie mit Frankreich in doppelte Eisenbahnverbindung bringt.

Dazu muß man ferner etliche und dreißig Privatunternehmen rechnen, deren Anlagekosten im Ganzen auf ungefähr hundert Millionen Franken berechnet worden sind. Nimmt man auch an, daß manche davon noch lange Projecte bleiben werden, so verspricht doch die Mehrzahl, als auf bedeutenden Steinkohlen-, Eisen- und Producten-Transport basirt, einen zureichenden Reinertrag; mehrere

die Anfeuerung aller übrigen deutschen Städte und Länder zu Herstellung eines ganzen deutschen Eisenbahnsystems sich zum Ziele setzte, eine Idee, welche der Verfasser schon seit dem Jahre 1827 in Deutschland wiederholt, und auch 1830–1831 in Frankreich in Anregung gebracht hatte. Ungeachtet dieselbe überall, besonders in Baiern und namentlich in Nürnberg, wo man sofort rüstig Hand an’s Werk legte, Anklang fand, kam doch Belgien, durch seine politische und commercielle Lage zu großartigen Entschlüssen und Unternehmungen gedrängt, Deutschland zuvor.

Am 1. Mai 1834 ward auf den Vorschlag des Königs – des einzigen intellectuellen Urhebers dieser großen Maßregel – von der belgischen Kammer unter bedeutendem Widerspruch ein Gesetz beschlossen, welchem gemäß in Belgien ein vollständiges Eisenbahnsystem auf Kosten des Staates hergestellt werden sollte. Unmittelbar nach Promulgation dieses Gesetzes ward Hand an’s Werk gelegt und zwar mit so ungemeiner Energie, daß am 5. Mai 1835 die Section von Mecheln nach Brüssel, am 3. Mai 1836 die Section von Mecheln nach Antwerpen, am 2. Januar 1837 die Section von Mecheln nach Termonde, und im Herbste desselben Jahres die Sectionen von Mecheln nach Löwen, von Löwen nach Tirlemont und von Termonde nach Gent eröffnet und bei Gelegenheit der deshalb veranstalteten Feierlichkeiten die Beendigung des ganzen Systems bis längstens zum Jahre 1840 in Aussicht gestellt werden konnte.

Dieses System hat Mecheln zum Centralpunkt. Von hier aus läuft eine Linie nördlich nach Antwerpen; eine zweite westlich nach Termonde, Gent, Brügge und Ostende, mit einer Zweigbahn von Gent über Courtray nach Lille und einer andern von Courtray nach Tournay; eine dritte südlich nach Brüssel, Hale, Eccoussin, Houdaing, Mons nach Valenciennes und Paris, mit einer Zweigbahn von Houdaing nach Charleroy; eine vierte südöstlich über Löwen, Tirlemont Landes, Waremme, Lüttich, Verviers nach Aachen und Cöln mit einer Zweigbahn von Landes in nordöstlicher Richtung nach St. Trond und Diest und einer zweiten Zweigbahn von einem Punkt zwischen Tirlemont und Landes in südlicher Richtung nach Namür, von wo diese Linie später bis Luxemburg fortgesetzt werden soll.

Wenn man die angegebenen Linien auf der Karte nachzeichnet, so wird man finden, daß dieses Eisenbahnsystem alle belgischen Städte von einiger Bedeutung mit einer Bevölkerung von ungefähr Einer Million Menschen unter sich verbindet, daß es an zwei Orten das Meer berührt und Belgien mit Deutschland wie mit Frankreich in doppelte Eisenbahnverbindung bringt.

Dazu muß man ferner etliche und dreißig Privatunternehmen rechnen, deren Anlagekosten im Ganzen auf ungefähr hundert Millionen Franken berechnet worden sind. Nimmt man auch an, daß manche davon noch lange Projecte bleiben werden, so verspricht doch die Mehrzahl, als auf bedeutenden Steinkohlen-, Eisen- und Producten-Transport basirt, einen zureichenden Reinertrag; mehrere

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[102/0103] die Anfeuerung aller übrigen deutschen Städte und Länder zu Herstellung eines ganzen deutschen Eisenbahnsystems sich zum Ziele setzte, eine Idee, welche der Verfasser schon seit dem Jahre 1827 in Deutschland wiederholt, und auch 1830–1831 in Frankreich in Anregung gebracht hatte. Ungeachtet dieselbe überall, besonders in Baiern und namentlich in Nürnberg, wo man sofort rüstig Hand an’s Werk legte, Anklang fand, kam doch Belgien, durch seine politische und commercielle Lage zu großartigen Entschlüssen und Unternehmungen gedrängt, Deutschland zuvor. Am 1. Mai 1834 ward auf den Vorschlag des Königs – des einzigen intellectuellen Urhebers dieser großen Maßregel – von der belgischen Kammer unter bedeutendem Widerspruch ein Gesetz beschlossen, welchem gemäß in Belgien ein vollständiges Eisenbahnsystem auf Kosten des Staates hergestellt werden sollte. Unmittelbar nach Promulgation dieses Gesetzes ward Hand an’s Werk gelegt und zwar mit so ungemeiner Energie, daß am 5. Mai 1835 die Section von Mecheln nach Brüssel, am 3. Mai 1836 die Section von Mecheln nach Antwerpen, am 2. Januar 1837 die Section von Mecheln nach Termonde, und im Herbste desselben Jahres die Sectionen von Mecheln nach Löwen, von Löwen nach Tirlemont und von Termonde nach Gent eröffnet und bei Gelegenheit der deshalb veranstalteten Feierlichkeiten die Beendigung des ganzen Systems bis längstens zum Jahre 1840 in Aussicht gestellt werden konnte. Dieses System hat Mecheln zum Centralpunkt. Von hier aus läuft eine Linie nördlich nach Antwerpen; eine zweite westlich nach Termonde, Gent, Brügge und Ostende, mit einer Zweigbahn von Gent über Courtray nach Lille und einer andern von Courtray nach Tournay; eine dritte südlich nach Brüssel, Hale, Eccoussin, Houdaing, Mons nach Valenciennes und Paris, mit einer Zweigbahn von Houdaing nach Charleroy; eine vierte südöstlich über Löwen, Tirlemont Landes, Waremme, Lüttich, Verviers nach Aachen und Cöln mit einer Zweigbahn von Landes in nordöstlicher Richtung nach St. Trond und Diest und einer zweiten Zweigbahn von einem Punkt zwischen Tirlemont und Landes in südlicher Richtung nach Namür, von wo diese Linie später bis Luxemburg fortgesetzt werden soll. Wenn man die angegebenen Linien auf der Karte nachzeichnet, so wird man finden, daß dieses Eisenbahnsystem alle belgischen Städte von einiger Bedeutung mit einer Bevölkerung von ungefähr Einer Million Menschen unter sich verbindet, daß es an zwei Orten das Meer berührt und Belgien mit Deutschland wie mit Frankreich in doppelte Eisenbahnverbindung bringt. Dazu muß man ferner etliche und dreißig Privatunternehmen rechnen, deren Anlagekosten im Ganzen auf ungefähr hundert Millionen Franken berechnet worden sind. Nimmt man auch an, daß manche davon noch lange Projecte bleiben werden, so verspricht doch die Mehrzahl, als auf bedeutenden Steinkohlen-, Eisen- und Producten-Transport basirt, einen zureichenden Reinertrag; mehrere

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/103>, abgerufen am 20.04.2024.