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Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915.

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Notwendigkeit ist, die fortschreiten wird mit der parteipolitischen
Organisation und Stellungnahme der Frau.

Blickt man aber von einer höheren Warte auf diejenigen, die
sich mit der größten Erbitterung bekämpfen, um zum Schluß jedes
Gefühl der Solidarität, jedes Bewußtsein von der umfassenden
Größe des Stimmrechtsgedankens zu verlieren, so muß man in
diesen selbstmörderischen Kämpfen ein Zeichen alter deutscher
Nationalschwäche und zugleich eine schwere Gefahr für unsre große
Sache erblicken! Noch sind wir hinter fast allen Kulturländern im
Punkte "politische Rechte" zurück, noch kehrt uns die Masse der
deutschen Frauen verständnislos den Rücken. Noch geht die Masse
der Männer aller Schichten in alten, engen Traditionen hin.

Da brauchen wir Solidarität, Geschlossenheit, festes Zu-
sammenstehen im Kampfe. Keine der Organisationen, die heute
bestehen, kann uns diese notwendige Einheit geben.

Darum müssen wir sie schaffen durch den Zusammenschluß
aller Richtungen in einem Bunde deutscher Stimmrechtsvereine.
Hier soll jeder als Mitkämpfer freudig und herzlich willkommen
sein, mag er von diesem oder jenem parteipolitischen Grundsatz aus
den Kampf für die Befreiung der Frau führen. Nur eins soll
bindend sein für alle, und das ist die Forderung und Durchsetzung
des Frauenstimmrechts im Reiche, Bundesstaat und Gemeinde.

Wo und wie sich die einzelnen Vereine außerdem organi-
sieren, - ob nach bestimmten Parteiprinzipien, oder in geo-
graphischen Verbänden -, ist durchaus ihre Sache. Der Bund
greift nicht ein in diese Dinge, er will nicht zerstören, er will
sammeln und stärken.

Zur Erörterung dieses Planes, der der deutschen Stimm-
rechtsbewegung eine neue und große Zukunft sichert, laden wir Sie,
sehr geehrte Frau, ein.

Eingehende Verhandlungen mit führenden Persönlichkeiten
aus allen Organisationen haben uns überzeugt, daß viele, die der
Stimmrechtssache seit Jahren dienen, mit uns den Wunsch nach
Einigung und gemeinsamer Arbeit haben.

Die Tagesordnung der Konferenz wird folgende sein: 1. Er-
öffnungsansprache. Frau Emma Nägeli. 2. Referat über das
Thema: Warum brauchen wir die nationale Geschlossenheit der
deutschen Stimmrechtsbewegung, und was könnte ein Bund der
deutschen Stimmrechtsvereine leisten? Maria Lischnewska.
3. Beratung über einen Satzungsentwurf. (Er geht im Mai den
Teilnehmern der Konferenz zu.) 4. Wahl eines "Einigungs-

Notwendigkeit ist, die fortschreiten wird mit der parteipolitischen
Organisation und Stellungnahme der Frau.

Blickt man aber von einer höheren Warte auf diejenigen, die
sich mit der größten Erbitterung bekämpfen, um zum Schluß jedes
Gefühl der Solidarität, jedes Bewußtsein von der umfassenden
Größe des Stimmrechtsgedankens zu verlieren, so muß man in
diesen selbstmörderischen Kämpfen ein Zeichen alter deutscher
Nationalschwäche und zugleich eine schwere Gefahr für unsre große
Sache erblicken! Noch sind wir hinter fast allen Kulturländern im
Punkte „politische Rechte‟ zurück, noch kehrt uns die Masse der
deutschen Frauen verständnislos den Rücken. Noch geht die Masse
der Männer aller Schichten in alten, engen Traditionen hin.

Da brauchen wir Solidarität, Geschlossenheit, festes Zu-
sammenstehen im Kampfe. Keine der Organisationen, die heute
bestehen, kann uns diese notwendige Einheit geben.

Darum müssen wir sie schaffen durch den Zusammenschluß
aller Richtungen in einem Bunde deutscher Stimmrechtsvereine.
Hier soll jeder als Mitkämpfer freudig und herzlich willkommen
sein, mag er von diesem oder jenem parteipolitischen Grundsatz aus
den Kampf für die Befreiung der Frau führen. Nur eins soll
bindend sein für alle, und das ist die Forderung und Durchsetzung
des Frauenstimmrechts im Reiche, Bundesstaat und Gemeinde.

Wo und wie sich die einzelnen Vereine außerdem organi-
sieren, – ob nach bestimmten Parteiprinzipien, oder in geo-
graphischen Verbänden –, ist durchaus ihre Sache. Der Bund
greift nicht ein in diese Dinge, er will nicht zerstören, er will
sammeln und stärken.

Zur Erörterung dieses Planes, der der deutschen Stimm-
rechtsbewegung eine neue und große Zukunft sichert, laden wir Sie,
sehr geehrte Frau, ein.

Eingehende Verhandlungen mit führenden Persönlichkeiten
aus allen Organisationen haben uns überzeugt, daß viele, die der
Stimmrechtssache seit Jahren dienen, mit uns den Wunsch nach
Einigung und gemeinsamer Arbeit haben.

Die Tagesordnung der Konferenz wird folgende sein: 1. Er-
öffnungsansprache. Frau Emma Nägeli. 2. Referat über das
Thema: Warum brauchen wir die nationale Geschlossenheit der
deutschen Stimmrechtsbewegung, und was könnte ein Bund der
deutschen Stimmrechtsvereine leisten? Maria Lischnewska.
3. Beratung über einen Satzungsentwurf. (Er geht im Mai den
Teilnehmern der Konferenz zu.) 4. Wahl eines „Einigungs-

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[36/0036] Notwendigkeit ist, die fortschreiten wird mit der parteipolitischen Organisation und Stellungnahme der Frau. Blickt man aber von einer höheren Warte auf diejenigen, die sich mit der größten Erbitterung bekämpfen, um zum Schluß jedes Gefühl der Solidarität, jedes Bewußtsein von der umfassenden Größe des Stimmrechtsgedankens zu verlieren, so muß man in diesen selbstmörderischen Kämpfen ein Zeichen alter deutscher Nationalschwäche und zugleich eine schwere Gefahr für unsre große Sache erblicken! Noch sind wir hinter fast allen Kulturländern im Punkte „politische Rechte‟ zurück, noch kehrt uns die Masse der deutschen Frauen verständnislos den Rücken. Noch geht die Masse der Männer aller Schichten in alten, engen Traditionen hin. Da brauchen wir Solidarität, Geschlossenheit, festes Zu- sammenstehen im Kampfe. Keine der Organisationen, die heute bestehen, kann uns diese notwendige Einheit geben. Darum müssen wir sie schaffen durch den Zusammenschluß aller Richtungen in einem Bunde deutscher Stimmrechtsvereine. Hier soll jeder als Mitkämpfer freudig und herzlich willkommen sein, mag er von diesem oder jenem parteipolitischen Grundsatz aus den Kampf für die Befreiung der Frau führen. Nur eins soll bindend sein für alle, und das ist die Forderung und Durchsetzung des Frauenstimmrechts im Reiche, Bundesstaat und Gemeinde. Wo und wie sich die einzelnen Vereine außerdem organi- sieren, – ob nach bestimmten Parteiprinzipien, oder in geo- graphischen Verbänden –, ist durchaus ihre Sache. Der Bund greift nicht ein in diese Dinge, er will nicht zerstören, er will sammeln und stärken. Zur Erörterung dieses Planes, der der deutschen Stimm- rechtsbewegung eine neue und große Zukunft sichert, laden wir Sie, sehr geehrte Frau, ein. Eingehende Verhandlungen mit führenden Persönlichkeiten aus allen Organisationen haben uns überzeugt, daß viele, die der Stimmrechtssache seit Jahren dienen, mit uns den Wunsch nach Einigung und gemeinsamer Arbeit haben. Die Tagesordnung der Konferenz wird folgende sein: 1. Er- öffnungsansprache. Frau Emma Nägeli. 2. Referat über das Thema: Warum brauchen wir die nationale Geschlossenheit der deutschen Stimmrechtsbewegung, und was könnte ein Bund der deutschen Stimmrechtsvereine leisten? Maria Lischnewska. 3. Beratung über einen Satzungsentwurf. (Er geht im Mai den Teilnehmern der Konferenz zu.) 4. Wahl eines „Einigungs-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-05-11T12:53:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-05-11T12:53:44Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

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Zitationshilfe: Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lischnewska_frauenstimmrechtsbewegung_1915/36>, abgerufen am 28.03.2024.