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Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915.

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wir wollen von vornherein das Ziel weit stecken, und wir wollen
unsern Kampf nicht dadurch schädigen, daß wir unsern Gegnern
Grund zu dem Einwand geben, wir hätten keine Ursache, Gerechtig-
keit zu verlangen, da wir selbst nicht Gerechtigkeit geben wollten.
8. Eine weitere Zersplitterung innerhalb des Deutschen Ver-
bandes wäre gewiß bedauerlich; aber sie wird nicht unterbunden
durch ein Fallenlassen der Forderung des gleichen Wahlrechts. Nur
andere Gruppen würden absplittern, und der Kampf gegeneinander
würde nur noch schärfer werden.
9. Die Möglichkeit des Zusammenarbeitens der verschiedenen
Richtungen wird durch einen Bund der Stimmrechtsverbände ge-
geben, in dem alle bestehenden und sich in Zukunft absondernden
Richtungen vertreten sein können, ohne daß eine von ihnen ein
Prinzip aufzugeben braucht.
Der Vorstand
des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht.

So kam die General-Versammlung in Eisenach 1913 heran.
Von der Reformpartei waren Anträge aus Satzungsänderung ein-
gegangen, die strenge Neutralität für den Verband
forderten und doch den Landesverbänden das Recht gaben, bei ge-
setzlichen Vorlagen zu Wahlrechtsreformen die Frage der Form
des Wahlrechtes selbständig zu entscheiden. Der leitende Ge-
danke war: alles zusammenzuhalten und aus dem
Deutschen Verband einen "Bund deutscher
Stimmrechtsvereine" zu machen
. Außerdem lagen
Anträge vor vom Hauptvorstande, die nur eine Umschreibung
des alten Paragraphen darstellten, und ein Antrag des Preußischen
Landesvereins, der ebenfalls eine "Milderung" vorschlug, indem
er sehr künstlich zwischen "Grundsatz" und "Endziel" unter-
schied. Auf beides sollten sich aber die Mitglieder verpflichten.
Endlich lag ein Antrag mehrerer Ortsgruppen vor, die alte Fassung
beizubehalten. Die Kämpfe waren schwer und ermüdend. Die beste
Kraft wurde aus beiden Seiten eingesetzt. Furchtbare persönliche
Verwirrungen fuhren dazwischen. Endlich fiel die Entscheidung.
Alle Abänderungsanträge wurden abgelehnt,
weil keiner die satzungsmäßige Dreiviertel-
mehrheit erhielt.
Zählte man aber die Stimmen der
Reformpartei und die Stimmen des Preußischen Landesvereins
zusammen, die ja beide gegen die alte Fassung gerichtet waren, so
ergab sich, daß für die alte Fassung eine Majorität im Verbande

wir wollen von vornherein das Ziel weit stecken, und wir wollen
unsern Kampf nicht dadurch schädigen, daß wir unsern Gegnern
Grund zu dem Einwand geben, wir hätten keine Ursache, Gerechtig-
keit zu verlangen, da wir selbst nicht Gerechtigkeit geben wollten.
8. Eine weitere Zersplitterung innerhalb des Deutschen Ver-
bandes wäre gewiß bedauerlich; aber sie wird nicht unterbunden
durch ein Fallenlassen der Forderung des gleichen Wahlrechts. Nur
andere Gruppen würden absplittern, und der Kampf gegeneinander
würde nur noch schärfer werden.
9. Die Möglichkeit des Zusammenarbeitens der verschiedenen
Richtungen wird durch einen Bund der Stimmrechtsverbände ge-
geben, in dem alle bestehenden und sich in Zukunft absondernden
Richtungen vertreten sein können, ohne daß eine von ihnen ein
Prinzip aufzugeben braucht.
Der Vorstand
des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht.

So kam die General-Versammlung in Eisenach 1913 heran.
Von der Reformpartei waren Anträge aus Satzungsänderung ein-
gegangen, die strenge Neutralität für den Verband
forderten und doch den Landesverbänden das Recht gaben, bei ge-
setzlichen Vorlagen zu Wahlrechtsreformen die Frage der Form
des Wahlrechtes selbständig zu entscheiden. Der leitende Ge-
danke war: alles zusammenzuhalten und aus dem
Deutschen Verband einen „Bund deutscher
Stimmrechtsvereine‟ zu machen
. Außerdem lagen
Anträge vor vom Hauptvorstande, die nur eine Umschreibung
des alten Paragraphen darstellten, und ein Antrag des Preußischen
Landesvereins, der ebenfalls eine „Milderung‟ vorschlug, indem
er sehr künstlich zwischen „Grundsatz‟ und „Endziel‟ unter-
schied. Auf beides sollten sich aber die Mitglieder verpflichten.
Endlich lag ein Antrag mehrerer Ortsgruppen vor, die alte Fassung
beizubehalten. Die Kämpfe waren schwer und ermüdend. Die beste
Kraft wurde aus beiden Seiten eingesetzt. Furchtbare persönliche
Verwirrungen fuhren dazwischen. Endlich fiel die Entscheidung.
Alle Abänderungsanträge wurden abgelehnt,
weil keiner die satzungsmäßige Dreiviertel-
mehrheit erhielt.
Zählte man aber die Stimmen der
Reformpartei und die Stimmen des Preußischen Landesvereins
zusammen, die ja beide gegen die alte Fassung gerichtet waren, so
ergab sich, daß für die alte Fassung eine Majorität im Verbande

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[34/0034] wir wollen von vornherein das Ziel weit stecken, und wir wollen unsern Kampf nicht dadurch schädigen, daß wir unsern Gegnern Grund zu dem Einwand geben, wir hätten keine Ursache, Gerechtig- keit zu verlangen, da wir selbst nicht Gerechtigkeit geben wollten. 8. Eine weitere Zersplitterung innerhalb des Deutschen Ver- bandes wäre gewiß bedauerlich; aber sie wird nicht unterbunden durch ein Fallenlassen der Forderung des gleichen Wahlrechts. Nur andere Gruppen würden absplittern, und der Kampf gegeneinander würde nur noch schärfer werden. 9. Die Möglichkeit des Zusammenarbeitens der verschiedenen Richtungen wird durch einen Bund der Stimmrechtsverbände ge- geben, in dem alle bestehenden und sich in Zukunft absondernden Richtungen vertreten sein können, ohne daß eine von ihnen ein Prinzip aufzugeben braucht. Der Vorstand des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht. So kam die General-Versammlung in Eisenach 1913 heran. Von der Reformpartei waren Anträge aus Satzungsänderung ein- gegangen, die strenge Neutralität für den Verband forderten und doch den Landesverbänden das Recht gaben, bei ge- setzlichen Vorlagen zu Wahlrechtsreformen die Frage der Form des Wahlrechtes selbständig zu entscheiden. Der leitende Ge- danke war: alles zusammenzuhalten und aus dem Deutschen Verband einen „Bund deutscher Stimmrechtsvereine‟ zu machen. Außerdem lagen Anträge vor vom Hauptvorstande, die nur eine Umschreibung des alten Paragraphen darstellten, und ein Antrag des Preußischen Landesvereins, der ebenfalls eine „Milderung‟ vorschlug, indem er sehr künstlich zwischen „Grundsatz‟ und „Endziel‟ unter- schied. Auf beides sollten sich aber die Mitglieder verpflichten. Endlich lag ein Antrag mehrerer Ortsgruppen vor, die alte Fassung beizubehalten. Die Kämpfe waren schwer und ermüdend. Die beste Kraft wurde aus beiden Seiten eingesetzt. Furchtbare persönliche Verwirrungen fuhren dazwischen. Endlich fiel die Entscheidung. Alle Abänderungsanträge wurden abgelehnt, weil keiner die satzungsmäßige Dreiviertel- mehrheit erhielt. Zählte man aber die Stimmen der Reformpartei und die Stimmen des Preußischen Landesvereins zusammen, die ja beide gegen die alte Fassung gerichtet waren, so ergab sich, daß für die alte Fassung eine Majorität im Verbande

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-05-11T12:53:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-05-11T12:53:44Z)

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Zitationshilfe: Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lischnewska_frauenstimmrechtsbewegung_1915/34>, abgerufen am 19.04.2024.