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Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878.

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hoben -- das bundestreue Volk der Nordstaaten kämpfte mit Aufgebot
aller Kräfte für die Erhaltung der Union, für die Beseitigung des
Schandflecks der Sklaverei. Die Völker Europas standen einmüthig
mit ihren Sympathieen auf Seiten des Nordens, die Regierungen
ebenso einmüthig auf Seiten der südstaatlichen Rebellen -- waren
es doch Rebellen gegen eine Republik, gegen das Gesetz des Volkes!
Und die Regierungen hatten die Bourgeoisie hinter sich. Der
französische Kaiser Bonaparte, der Mörder der französischen Repu-
blik, brannte vor Begierde, eine zweite Republik zu morden: er
plante die mexikanische Expedition, die freilich ihm selbst sehr schlecht.
und dem unglücklichen Gimpel Maximilian von Habsburg noch schlechter
bekommen sollte. Die Lorbeeren des Dezemberbanditen ließen die
liberale englische Regierung nicht schlafen. Die nämlichen
freisinnigen
Staatsmänner und Bourgeois, die heute im Jnteresse
des Knutenreiches die Friedensschalmeien blasen, Neutralität flöten und
jede Jntervention für eine Todsünde erklären, sie thaten ihr Möglichstes,
um England zur bewaffneten Jntervention zwischen der Union und den
Rebellen, mit anderen Worten zum Krieg für die Sklavenbarone
und für die Sklaverei zu bewegen.
Man sieht, die Jnkonsequenz
ist blos eine scheinbare: damals für die staatliche Sklavenpeitsche, heute
für die russische Knute! Die Neigungen und Jdeen sind die gleichen
-- nur der Ausdruck, die Bethätigung nach den verschiedenen Um-
ständen verschieden.

England wäre damals unfehlbar in einen Krieg für die denkbar
schlechteste Sache gerissen worden, wenn nicht die englischen Arbeiter
die Würde und das Jnteresse Englands gewahrt, und durch imposante
Demonstrationen die Regierung an der Ausführung ihres schmachvollen
Plans gehindert hätten. Man wird sich erinnern, daß der brave Lin-
coln diese ruhmvolle Friedensthat des englischen Proletariats ausdrück-
lich anerkannt hat.

Was die englischen Arbeiter vermocht -- sollte es die Kräfte der
deutschen Arbeiter, des denkenden Volkes in Deutschland, über-
steigen?

Zumal die Gefahr für uns eine noch brennendere, die Schmach eine
noch tiefere. Der Sieg Rußlands ist der Tod der Freiheit in Europa,
und vor Allem in unserem Deutschland und -- wir nannten die Sache
der Südstaatler soeben die denkbar schlechteste; wir nehmen das Wort
zurück: neben den Schinder- und Mordknechten des "milden Czars"
waren die Sklavenbarone Gentlemen, Engel der Bildung und Humanität.

Also nicht gesäumt!

Wir hoffen, daß unsere Anregung -- denn mehr soll und kann
es ja nicht sein -- nicht wirkungs- und fruchtlos sein möge.

hoben — das bundestreue Volk der Nordſtaaten kämpfte mit Aufgebot
aller Kräfte für die Erhaltung der Union, für die Beſeitigung des
Schandflecks der Sklaverei. Die Völker Europas ſtanden einmüthig
mit ihren Sympathieen auf Seiten des Nordens, die Regierungen
ebenſo einmüthig auf Seiten der ſüdſtaatlichen Rebellen — waren
es doch Rebellen gegen eine Republik, gegen das Geſetz des Volkes!
Und die Regierungen hatten die Bourgeoiſie hinter ſich. Der
franzöſiſche Kaiſer Bonaparte, der Mörder der franzöſiſchen Repu-
blik, brannte vor Begierde, eine zweite Republik zu morden: er
plante die mexikaniſche Expedition, die freilich ihm ſelbſt ſehr ſchlecht.
und dem unglücklichen Gimpel Maximilian von Habsburg noch ſchlechter
bekommen ſollte. Die Lorbeeren des Dezemberbanditen ließen die
liberale engliſche Regierung nicht ſchlafen. Die nämlichen
freiſinnigen
Staatsmänner und Bourgeois, die heute im Jntereſſe
des Knutenreiches die Friedensſchalmeien blaſen, Neutralität flöten und
jede Jntervention für eine Todſünde erklären, ſie thaten ihr Möglichſtes,
um England zur bewaffneten Jntervention zwiſchen der Union und den
Rebellen, mit anderen Worten zum Krieg für die Sklavenbarone
und für die Sklaverei zu bewegen.
Man ſieht, die Jnkonſequenz
iſt blos eine ſcheinbare: damals für die ſtaatliche Sklavenpeitſche, heute
für die ruſſiſche Knute! Die Neigungen und Jdeen ſind die gleichen
— nur der Ausdruck, die Bethätigung nach den verſchiedenen Um-
ſtänden verſchieden.

England wäre damals unfehlbar in einen Krieg für die denkbar
ſchlechteſte Sache geriſſen worden, wenn nicht die engliſchen Arbeiter
die Würde und das Jntereſſe Englands gewahrt, und durch impoſante
Demonſtrationen die Regierung an der Ausführung ihres ſchmachvollen
Plans gehindert hätten. Man wird ſich erinnern, daß der brave Lin-
coln dieſe ruhmvolle Friedensthat des engliſchen Proletariats ausdrück-
lich anerkannt hat.

Was die engliſchen Arbeiter vermocht — ſollte es die Kräfte der
deutſchen Arbeiter, des denkenden Volkes in Deutſchland, über-
ſteigen?

Zumal die Gefahr für uns eine noch brennendere, die Schmach eine
noch tiefere. Der Sieg Rußlands iſt der Tod der Freiheit in Europa,
und vor Allem in unſerem Deutſchland und — wir nannten die Sache
der Südſtaatler ſoeben die denkbar ſchlechteſte; wir nehmen das Wort
zurück: neben den Schinder- und Mordknechten des „milden Czars‟
waren die Sklavenbarone Gentlemen, Engel der Bildung und Humanität.

Alſo nicht geſäumt!

Wir hoffen, daß unſere Anregung — denn mehr ſoll und kann
es ja nicht ſein — nicht wirkungs- und fruchtlos ſein möge.

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[37/0041] hoben — das bundestreue Volk der Nordſtaaten kämpfte mit Aufgebot aller Kräfte für die Erhaltung der Union, für die Beſeitigung des Schandflecks der Sklaverei. Die Völker Europas ſtanden einmüthig mit ihren Sympathieen auf Seiten des Nordens, die Regierungen ebenſo einmüthig auf Seiten der ſüdſtaatlichen Rebellen — waren es doch Rebellen gegen eine Republik, gegen das Geſetz des Volkes! Und die Regierungen hatten die Bourgeoiſie hinter ſich. Der franzöſiſche Kaiſer Bonaparte, der Mörder der franzöſiſchen Repu- blik, brannte vor Begierde, eine zweite Republik zu morden: er plante die mexikaniſche Expedition, die freilich ihm ſelbſt ſehr ſchlecht. und dem unglücklichen Gimpel Maximilian von Habsburg noch ſchlechter bekommen ſollte. Die Lorbeeren des Dezemberbanditen ließen die liberale engliſche Regierung nicht ſchlafen. Die nämlichen freiſinnigen Staatsmänner und Bourgeois, die heute im Jntereſſe des Knutenreiches die Friedensſchalmeien blaſen, Neutralität flöten und jede Jntervention für eine Todſünde erklären, ſie thaten ihr Möglichſtes, um England zur bewaffneten Jntervention zwiſchen der Union und den Rebellen, mit anderen Worten zum Krieg für die Sklavenbarone und für die Sklaverei zu bewegen. Man ſieht, die Jnkonſequenz iſt blos eine ſcheinbare: damals für die ſtaatliche Sklavenpeitſche, heute für die ruſſiſche Knute! Die Neigungen und Jdeen ſind die gleichen — nur der Ausdruck, die Bethätigung nach den verſchiedenen Um- ſtänden verſchieden. England wäre damals unfehlbar in einen Krieg für die denkbar ſchlechteſte Sache geriſſen worden, wenn nicht die engliſchen Arbeiter die Würde und das Jntereſſe Englands gewahrt, und durch impoſante Demonſtrationen die Regierung an der Ausführung ihres ſchmachvollen Plans gehindert hätten. Man wird ſich erinnern, daß der brave Lin- coln dieſe ruhmvolle Friedensthat des engliſchen Proletariats ausdrück- lich anerkannt hat. Was die engliſchen Arbeiter vermocht — ſollte es die Kräfte der deutſchen Arbeiter, des denkenden Volkes in Deutſchland, über- ſteigen? Zumal die Gefahr für uns eine noch brennendere, die Schmach eine noch tiefere. Der Sieg Rußlands iſt der Tod der Freiheit in Europa, und vor Allem in unſerem Deutſchland und — wir nannten die Sache der Südſtaatler ſoeben die denkbar ſchlechteſte; wir nehmen das Wort zurück: neben den Schinder- und Mordknechten des „milden Czars‟ waren die Sklavenbarone Gentlemen, Engel der Bildung und Humanität. Alſo nicht geſäumt! Wir hoffen, daß unſere Anregung — denn mehr ſoll und kann es ja nicht ſein — nicht wirkungs- und fruchtlos ſein möge.

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Zitationshilfe: Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebknecht_frage_1878/41>, abgerufen am 28.03.2024.