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Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878.

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nigen, bis zum persischen Meerbusen vordringen, wo möglich den alten
Handel der Levante über Syrien wieder herstellen, und bis nach Jndien
vorrücken, welches das Emporium (der Hauptstapelplatz) der Welt ist.
Sind wir einmal hier, so brauchen wir das Gold Englands nicht mehr.

10. Wir müssen sorgfältig die Allianz von Oesterreich suchen
und aufrecht erhalten; scheinbar seine Absichten auf die künftige Be-
herrschung Deutschlands unterstützen und im Geheimen die Eifersucht
der Fürsten gegen Oesterreich schüren. Wir müssen jeden und alle
(die Fürsten) veranlassen, Hülfe bei Rußland zu suchen, und eine Art
von Protektion über das Land ausüben, was unsere künftige Herrschaft
vorbereiten mag.

11. Wir müssen das Haus Oesterreich bei der Ver-
treibung der Türken aus Europa interessiren
und seine
Eifersucht nach der Eroberung von Konstantinopel unschädlich machen,
indem wir entweder zwischen ihm und den alten Staaten von Europa
einen Krieg anfachen, oder ihm einen Theil der Eroberung
abtreten, um ihm denselben später wieder zu ent-
reißen
.

12. Wir müssen alle nichtunirten oder schismatischen Griechen,
welche in Ungarn, der Türkei und dem südlichen Polen zerstreut sind,
um uns sammeln. Wir müssen uns zu ihrem Mittelpunkte, ihrer
Stütze machen und auf diese Weise im Voraus ein allgemeines Ueber-
gewicht, eine Art von Königthum oder priesterlicher Oberhoheit gründen.
Die Griechen werden ebenso viele Freunde im Herzen jedes unserer
Feinde sein.

13. Nachdem Schweden zerstückelt, Persien überwunden, Polen
unterjocht, die Türkei erobert, unsere Heere vereinigt, das baltische und
schwarze Merr von unseren Schiffen überwacht sind, müssen wir ge-
sondert und im Geheimen erst dem Hofe von Versailles, dann dem
von Wien das Anerbieten machen, mit uns die Weltherrschaft zu theilen.
Wenn eine von den beiden Mächten unser Anerbieten annimmt (was
keinem Zweifel unterliegt, wenn wir ihren Ehrgeiz und ihrer Einbildung
schmeicheln), dann müssen wir diese benutzen, um die andere zu zer-
stören
. Dann müssen wir schließlich die übrigbleibende ver-
nichten,
indem wir einen Kampf beginnen, dessen Ausgang nicht
zweifelhaft sein kann, weil Rußland zu der Zeit bereits den Osten und
einen großen Theil Europas besitzen wird.

14. Wenn, was nicht wahrscheinlich ist, beide Mächte den Vor-
schlag Rußlands zurückweisen, so müssen wir die eine gegen die andere
aufhetzen und beide bis zur Erschöpfung sich bekriegen lassen. Dann
wird Rußland den geeigneten Augenblick ergreifen und seine in Bereit-
schaft gehaltenen Truppen über Deutschland ergießen, während

nigen, bis zum perſiſchen Meerbuſen vordringen, wo möglich den alten
Handel der Levante über Syrien wieder herſtellen, und bis nach Jndien
vorrücken, welches das Emporium (der Hauptſtapelplatz) der Welt iſt.
Sind wir einmal hier, ſo brauchen wir das Gold Englands nicht mehr.

10. Wir müſſen ſorgfältig die Allianz von Oeſterreich ſuchen
und aufrecht erhalten; ſcheinbar ſeine Abſichten auf die künftige Be-
herrſchung Deutſchlands unterſtützen und im Geheimen die Eiferſucht
der Fürſten gegen Oeſterreich ſchüren. Wir müſſen jeden und alle
(die Fürſten) veranlaſſen, Hülfe bei Rußland zu ſuchen, und eine Art
von Protektion über das Land ausüben, was unſere künftige Herrſchaft
vorbereiten mag.

11. Wir müſſen das Haus Oeſterreich bei der Ver-
treibung der Türken aus Europa intereſſiren
und ſeine
Eiferſucht nach der Eroberung von Konſtantinopel unſchädlich machen,
indem wir entweder zwiſchen ihm und den alten Staaten von Europa
einen Krieg anfachen, oder ihm einen Theil der Eroberung
abtreten, um ihm denſelben ſpäter wieder zu ent-
reißen
.

12. Wir müſſen alle nichtunirten oder ſchismatiſchen Griechen,
welche in Ungarn, der Türkei und dem ſüdlichen Polen zerſtreut ſind,
um uns ſammeln. Wir müſſen uns zu ihrem Mittelpunkte, ihrer
Stütze machen und auf dieſe Weiſe im Voraus ein allgemeines Ueber-
gewicht, eine Art von Königthum oder prieſterlicher Oberhoheit gründen.
Die Griechen werden ebenſo viele Freunde im Herzen jedes unſerer
Feinde ſein.

13. Nachdem Schweden zerſtückelt, Perſien überwunden, Polen
unterjocht, die Türkei erobert, unſere Heere vereinigt, das baltiſche und
ſchwarze Merr von unſeren Schiffen überwacht ſind, müſſen wir ge-
ſondert und im Geheimen erſt dem Hofe von Verſailles, dann dem
von Wien das Anerbieten machen, mit uns die Weltherrſchaft zu theilen.
Wenn eine von den beiden Mächten unſer Anerbieten annimmt (was
keinem Zweifel unterliegt, wenn wir ihren Ehrgeiz und ihrer Einbildung
ſchmeicheln), dann müſſen wir dieſe benutzen, um die andere zu zer-
ſtören
. Dann müſſen wir ſchließlich die übrigbleibende ver-
nichten,
indem wir einen Kampf beginnen, deſſen Ausgang nicht
zweifelhaft ſein kann, weil Rußland zu der Zeit bereits den Oſten und
einen großen Theil Europas beſitzen wird.

14. Wenn, was nicht wahrſcheinlich iſt, beide Mächte den Vor-
ſchlag Rußlands zurückweiſen, ſo müſſen wir die eine gegen die andere
aufhetzen und beide bis zur Erſchöpfung ſich bekriegen laſſen. Dann
wird Rußland den geeigneten Augenblick ergreifen und ſeine in Bereit-
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[20/0024] nigen, bis zum perſiſchen Meerbuſen vordringen, wo möglich den alten Handel der Levante über Syrien wieder herſtellen, und bis nach Jndien vorrücken, welches das Emporium (der Hauptſtapelplatz) der Welt iſt. Sind wir einmal hier, ſo brauchen wir das Gold Englands nicht mehr. 10. Wir müſſen ſorgfältig die Allianz von Oeſterreich ſuchen und aufrecht erhalten; ſcheinbar ſeine Abſichten auf die künftige Be- herrſchung Deutſchlands unterſtützen und im Geheimen die Eiferſucht der Fürſten gegen Oeſterreich ſchüren. Wir müſſen jeden und alle (die Fürſten) veranlaſſen, Hülfe bei Rußland zu ſuchen, und eine Art von Protektion über das Land ausüben, was unſere künftige Herrſchaft vorbereiten mag. 11. Wir müſſen das Haus Oeſterreich bei der Ver- treibung der Türken aus Europa intereſſiren und ſeine Eiferſucht nach der Eroberung von Konſtantinopel unſchädlich machen, indem wir entweder zwiſchen ihm und den alten Staaten von Europa einen Krieg anfachen, oder ihm einen Theil der Eroberung abtreten, um ihm denſelben ſpäter wieder zu ent- reißen. 12. Wir müſſen alle nichtunirten oder ſchismatiſchen Griechen, welche in Ungarn, der Türkei und dem ſüdlichen Polen zerſtreut ſind, um uns ſammeln. Wir müſſen uns zu ihrem Mittelpunkte, ihrer Stütze machen und auf dieſe Weiſe im Voraus ein allgemeines Ueber- gewicht, eine Art von Königthum oder prieſterlicher Oberhoheit gründen. Die Griechen werden ebenſo viele Freunde im Herzen jedes unſerer Feinde ſein. 13. Nachdem Schweden zerſtückelt, Perſien überwunden, Polen unterjocht, die Türkei erobert, unſere Heere vereinigt, das baltiſche und ſchwarze Merr von unſeren Schiffen überwacht ſind, müſſen wir ge- ſondert und im Geheimen erſt dem Hofe von Verſailles, dann dem von Wien das Anerbieten machen, mit uns die Weltherrſchaft zu theilen. Wenn eine von den beiden Mächten unſer Anerbieten annimmt (was keinem Zweifel unterliegt, wenn wir ihren Ehrgeiz und ihrer Einbildung ſchmeicheln), dann müſſen wir dieſe benutzen, um die andere zu zer- ſtören. Dann müſſen wir ſchließlich die übrigbleibende ver- nichten, indem wir einen Kampf beginnen, deſſen Ausgang nicht zweifelhaft ſein kann, weil Rußland zu der Zeit bereits den Oſten und einen großen Theil Europas beſitzen wird. 14. Wenn, was nicht wahrſcheinlich iſt, beide Mächte den Vor- ſchlag Rußlands zurückweiſen, ſo müſſen wir die eine gegen die andere aufhetzen und beide bis zur Erſchöpfung ſich bekriegen laſſen. Dann wird Rußland den geeigneten Augenblick ergreifen und ſeine in Bereit- ſchaft gehaltenen Truppen über Deutſchland ergießen, während

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Zitationshilfe: Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebknecht_frage_1878/24>, abgerufen am 29.03.2024.