Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte Jenny; -- "aber spiele nicht den kalten,
gefühllosen Arzt, der nichts sieht, als die Krank-
heit", fügte sie hinzu.

"Sie ist so wunderschön, daß selbst der Käl-
teste warm werden müßte bei ihrem Anblick",
antwortete er; "dabei war sie so geduldig bei
dem großen Schmerz, so liebenswürdig gegen
die Umgebung, so dankbar gegen mich, daß ich
ganz für sie eingenommen bin. Ich wäre un-
tröstlich, wenn sie nicht vollkommen hergestellt
würde, wie ich es hoffe, denn sie ist wunder-
schön!"

Jenny war ganz glücklich, den Bruder so
entzückt zu sehen, und meinte, die Kranke könne
sich glücklich schätzen, die werde gewiß sorgsamer
und besser als manche Königin behandelt wer-
den, und Eduard möchte sich bei der Kur nicht
zu sehr anstrengen, damit er sich nicht etwa selbst
eine Herzenskrankheit zuziehe, die leicht unheil-
bar sein könnte.

ſagte Jenny; — „aber ſpiele nicht den kalten,
gefühlloſen Arzt, der nichts ſieht, als die Krank-
heit“, fügte ſie hinzu.

„Sie iſt ſo wunderſchön, daß ſelbſt der Käl-
teſte warm werden müßte bei ihrem Anblick“,
antwortete er; „dabei war ſie ſo geduldig bei
dem großen Schmerz, ſo liebenswürdig gegen
die Umgebung, ſo dankbar gegen mich, daß ich
ganz für ſie eingenommen bin. Ich wäre un-
tröſtlich, wenn ſie nicht vollkommen hergeſtellt
würde, wie ich es hoffe, denn ſie iſt wunder-
ſchön!“

Jenny war ganz glücklich, den Bruder ſo
entzückt zu ſehen, und meinte, die Kranke könne
ſich glücklich ſchätzen, die werde gewiß ſorgſamer
und beſſer als manche Königin behandelt wer-
den, und Eduard möchte ſich bei der Kur nicht
zu ſehr anſtrengen, damit er ſich nicht etwa ſelbſt
eine Herzenskrankheit zuziehe, die leicht unheil-
bar ſein könnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="23"/>
&#x017F;agte Jenny; &#x2014; &#x201E;aber &#x017F;piele nicht den kalten,<lb/>
gefühllo&#x017F;en Arzt, der nichts &#x017F;ieht, als die Krank-<lb/>
heit&#x201C;, fügte &#x017F;ie hinzu.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie i&#x017F;t &#x017F;o wunder&#x017F;chön, daß &#x017F;elb&#x017F;t der Käl-<lb/>
te&#x017F;te warm werden müßte bei ihrem Anblick&#x201C;,<lb/>
antwortete er; &#x201E;dabei war &#x017F;ie &#x017F;o geduldig bei<lb/>
dem großen Schmerz, &#x017F;o liebenswürdig gegen<lb/>
die Umgebung, &#x017F;o dankbar gegen mich, daß ich<lb/>
ganz für &#x017F;ie eingenommen bin. Ich wäre un-<lb/>
trö&#x017F;tlich, wenn &#x017F;ie nicht vollkommen herge&#x017F;tellt<lb/>
würde, wie ich es hoffe, denn &#x017F;ie i&#x017F;t wunder-<lb/>
&#x017F;chön!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jenny war ganz glücklich, den Bruder &#x017F;o<lb/>
entzückt zu &#x017F;ehen, und meinte, die Kranke könne<lb/>
&#x017F;ich glücklich &#x017F;chätzen, die werde gewiß &#x017F;org&#x017F;amer<lb/>
und be&#x017F;&#x017F;er als manche Königin behandelt wer-<lb/>
den, und Eduard möchte &#x017F;ich bei der Kur nicht<lb/>
zu &#x017F;ehr an&#x017F;trengen, damit er &#x017F;ich nicht etwa &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
eine Herzenskrankheit zuziehe, die leicht unheil-<lb/>
bar &#x017F;ein könnte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0035] ſagte Jenny; — „aber ſpiele nicht den kalten, gefühlloſen Arzt, der nichts ſieht, als die Krank- heit“, fügte ſie hinzu. „Sie iſt ſo wunderſchön, daß ſelbſt der Käl- teſte warm werden müßte bei ihrem Anblick“, antwortete er; „dabei war ſie ſo geduldig bei dem großen Schmerz, ſo liebenswürdig gegen die Umgebung, ſo dankbar gegen mich, daß ich ganz für ſie eingenommen bin. Ich wäre un- tröſtlich, wenn ſie nicht vollkommen hergeſtellt würde, wie ich es hoffe, denn ſie iſt wunder- ſchön!“ Jenny war ganz glücklich, den Bruder ſo entzückt zu ſehen, und meinte, die Kranke könne ſich glücklich ſchätzen, die werde gewiß ſorgſamer und beſſer als manche Königin behandelt wer- den, und Eduard möchte ſich bei der Kur nicht zu ſehr anſtrengen, damit er ſich nicht etwa ſelbſt eine Herzenskrankheit zuziehe, die leicht unheil- bar ſein könnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/35
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/35>, abgerufen am 20.04.2024.