trachtet zu seyn wünschte, vorzuschreiben, ersuche ich bloß meinen Leser, die Fabeln nicht ohne die Abhandlungen zu beur- theilen. Denn ob ich gleich weder diese jenen, noch jene diesen zum Besten ge- schrieben habe; so entlehnen doch beyde, als Dinge, die zu Einer Zeit in Einem Kopfe entsprungen, allzuviel von einander, als daß sie einzeln und abgesondert noch eben dieselben bleiben könnten. Sollte er auch schon dabey entdecken, daß meine Regeln mit meiner Ausübung nicht allezeit über- einstimmen: was ist es mehr? Er weiß von selbst, daß das Genie seinen Eigen-
sinn
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trachtet zu ſeyn wünſchte, vorzuſchreiben, erſuche ich bloß meinen Leſer, die Fabeln nicht ohne die Abhandlungen zu beur- theilen. Denn ob ich gleich weder dieſe jenen, noch jene dieſen zum Beſten ge- ſchrieben habe; ſo entlehnen doch beyde, als Dinge, die zu Einer Zeit in Einem Kopfe entſprungen, allzuviel von einander, als daß ſie einzeln und abgeſondert noch eben dieſelben bleiben könnten. Sollte er auch ſchon dabey entdecken, daß meine Regeln mit meiner Ausübung nicht allezeit über- einſtimmen: was iſt es mehr? Er weiß von ſelbſt, daß das Genie ſeinen Eigen-
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[VII/0015]
trachtet zu ſeyn wünſchte, vorzuſchreiben,
erſuche ich bloß meinen Leſer, die Fabeln
nicht ohne die Abhandlungen zu beur-
theilen. Denn ob ich gleich weder dieſe
jenen, noch jene dieſen zum Beſten ge-
ſchrieben habe; ſo entlehnen doch beyde, als
Dinge, die zu Einer Zeit in Einem Kopfe
entſprungen, allzuviel von einander, als
daß ſie einzeln und abgeſondert noch eben
dieſelben bleiben könnten. Sollte er auch
ſchon dabey entdecken, daß meine Regeln
mit meiner Ausübung nicht allezeit über-
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von ſelbſt, daß das Genie ſeinen Eigen-
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/15>, abgerufen am 19.04.2024.
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