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Lesser, Ludwig: Zur Geschichte der Berliner Börse und des Eisenbahnaktien-Handels. Berlin, 1844.

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gesellte sich noch, daß der riesenhaft gewachsene Um-
fang der Zeitkäufe, der nicht selten an einer Börse
mehrere Millionen betrug, dieselbe zum Sammelplatze
von fast die Zahl der Händler erreichenden Commis-
sionairen gemacht hatte, welche durch die so leichte
Vermittelung der Abschlüsse ihren Lebenserwerb such-
ten und oft selbst als Spekulanten auftraten. Da sie
nun zum Theil bei der großen Concurrenz sich in ihren
Verdienstansprüchen nicht befriedigt fanden, so manche
von ihnen aber auch in der Agiotage noch das einzige Heil
für ihre von früher her zerrütteten Verhältnisse zu er-
blicken glaubten, so wählten sie bald selbst die Wein-
Bier- und Kaffeehäuser zum Spielraum ihrer Thätigkeit;
so drängten sie sich sogar in jede ihnen irgend bekannte
Familie, namentlich des Mittel- und Handwerkstandes,
ein, um auch da entweder die schon begonnene Spe-
kulation mehr und mehr anzuschüren, oder sie erst zu
erwecken. Ganz folgerecht war das Contingent der
ersten Aktien und Quittungsbogen für die Masse der
Spieler längst nicht mehr ausreichend gewesen, wes-
halb denn nicht allein die Jnterimsscheine jeder neuen
preußischen Bahn, sondern auch die Papiere vieler
ausländischen Schienenwege, wie zweifelhaft auch ihre
Ausführung, wie precär auch ihre Ertragsfähigkeit, ja
wie unbekannt auch ihre Namen sein mochten, mit
förmlichem Jubel als frische Saat für die Handelsgier
begrüßt wurden. Es tauchten immer neue Projecte
anzulegender Bahnen, die oft aller soliden Basis er-
mangelten, auf, sei es auch nur, um Provision zu
verdienen, oder um gegen Austausch brieflicher Con-
tracte über die möglicher Weise für die gemach-

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geſellte ſich noch, daß der rieſenhaft gewachſene Um-
fang der Zeitkäufe, der nicht ſelten an einer Börſe
mehrere Millionen betrug, dieſelbe zum Sammelplatze
von faſt die Zahl der Händler erreichenden Commiſ-
ſionairen gemacht hatte, welche durch die ſo leichte
Vermittelung der Abſchlüſſe ihren Lebenserwerb ſuch-
ten und oft ſelbſt als Spekulanten auftraten. Da ſie
nun zum Theil bei der großen Concurrenz ſich in ihren
Verdienſtanſprüchen nicht befriedigt fanden, ſo manche
von ihnen aber auch in der Agiotage noch das einzige Heil
für ihre von früher her zerrütteten Verhältniſſe zu er-
blicken glaubten, ſo wählten ſie bald ſelbſt die Wein-
Bier- und Kaffeehäuſer zum Spielraum ihrer Thätigkeit;
ſo drängten ſie ſich ſogar in jede ihnen irgend bekannte
Familie, namentlich des Mittel- und Handwerkſtandes,
ein, um auch da entweder die ſchon begonnene Spe-
kulation mehr und mehr anzuſchüren, oder ſie erſt zu
erwecken. Ganz folgerecht war das Contingent der
erſten Aktien und Quittungsbogen für die Maſſe der
Spieler längſt nicht mehr ausreichend geweſen, wes-
halb denn nicht allein die Jnterimsſcheine jeder neuen
preußiſchen Bahn, ſondern auch die Papiere vieler
ausländiſchen Schienenwege, wie zweifelhaft auch ihre
Ausführung, wie precär auch ihre Ertragsfähigkeit, ja
wie unbekannt auch ihre Namen ſein mochten, mit
förmlichem Jubel als friſche Saat für die Handelsgier
begrüßt wurden. Es tauchten immer neue Projecte
anzulegender Bahnen, die oft aller ſoliden Baſis er-
mangelten, auf, ſei es auch nur, um Proviſion zu
verdienen, oder um gegen Austauſch brieflicher Con-
tracte über die möglicher Weiſe für die gemach-

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[17/0023] geſellte ſich noch, daß der rieſenhaft gewachſene Um- fang der Zeitkäufe, der nicht ſelten an einer Börſe mehrere Millionen betrug, dieſelbe zum Sammelplatze von faſt die Zahl der Händler erreichenden Commiſ- ſionairen gemacht hatte, welche durch die ſo leichte Vermittelung der Abſchlüſſe ihren Lebenserwerb ſuch- ten und oft ſelbſt als Spekulanten auftraten. Da ſie nun zum Theil bei der großen Concurrenz ſich in ihren Verdienſtanſprüchen nicht befriedigt fanden, ſo manche von ihnen aber auch in der Agiotage noch das einzige Heil für ihre von früher her zerrütteten Verhältniſſe zu er- blicken glaubten, ſo wählten ſie bald ſelbſt die Wein- Bier- und Kaffeehäuſer zum Spielraum ihrer Thätigkeit; ſo drängten ſie ſich ſogar in jede ihnen irgend bekannte Familie, namentlich des Mittel- und Handwerkſtandes, ein, um auch da entweder die ſchon begonnene Spe- kulation mehr und mehr anzuſchüren, oder ſie erſt zu erwecken. Ganz folgerecht war das Contingent der erſten Aktien und Quittungsbogen für die Maſſe der Spieler längſt nicht mehr ausreichend geweſen, wes- halb denn nicht allein die Jnterimsſcheine jeder neuen preußiſchen Bahn, ſondern auch die Papiere vieler ausländiſchen Schienenwege, wie zweifelhaft auch ihre Ausführung, wie precär auch ihre Ertragsfähigkeit, ja wie unbekannt auch ihre Namen ſein mochten, mit förmlichem Jubel als friſche Saat für die Handelsgier begrüßt wurden. Es tauchten immer neue Projecte anzulegender Bahnen, die oft aller ſoliden Baſis er- mangelten, auf, ſei es auch nur, um Proviſion zu verdienen, oder um gegen Austauſch brieflicher Con- tracte über die möglicher Weiſe für die gemach- 2

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Zitationshilfe: Lesser, Ludwig: Zur Geschichte der Berliner Börse und des Eisenbahnaktien-Handels. Berlin, 1844, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lesser_boerse_1844/23>, abgerufen am 28.03.2024.