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Lesser, Ludwig: Zur Geschichte der Berliner Börse und des Eisenbahnaktien-Handels. Berlin, 1844.

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bei Annahme der Zeichnungen zu den neuen Bahnen
fast gar keine Schwierigkeiten hinsichtlich der Personen
gemacht wurden, und so war der Zudrang so groß,
daß z. B. bei der Sächsisch-Schlesischen (Dresden-
Görlitzer) Bahn cine, die dazu veranschlagten 6 Mil-
lionen Thaler um das vierfache übersteigende Summe
gezeichnet ward, obgleich die Sächsische Regierung je-
dem Jnteressenten die sofortige Einreichung von 10 Pro-
cent des gezeichneten Betrages bis zur definitiven Be-
theiligung auferlegt hatte; so daß die Erfüllung dieser
Bedingung allerdings einen merkwürdigen Beweis von
der Kraft und Ausdehnung der Aktienliebhaberei dar-
bot. Gewiß wären nun die Course der Quittungs-
bogen auch gleich stark in die Höhe gegangen, wenn
nicht die Haupttonangeber der Agiotage zu den ur-
sprünglichen Zeichnern gehört hätten, also eher mit
Gewinn zu verkaufen, als noch zuzukaufen Lust ver-
spüren mußten. Deshalb hielten sich die gedachten
Papiere noch zu Ende November nur auf einem Agio
von 2--6 Procent. Da aber erschien am 22. De-
cember 1843 die Königl. Kabinetsordre, welche den
vom Staate garantirten Eisenbahn-Aktien die pupil-
larische
und depositalmäßige Sicherheit beilegte.
(Anhang II.) -- War die Ansicht, die dieser Verord-
nung zu Grunde lag, nun auch einerseits wohl die
consequente Befolgung des Princips der früher ge-
währten Zinsgarantie, so mußte dennoch andrerseits
die jetzt ausgesprochene Bestimmung bei vielen erfah-
renen, vorsichtigen Geschäftsmännern und Kapitalisten
ein ernstes Bedenken erregen, indem sich die Frage
aufdrängte: Wenn auch für die betreffenden Papiere ein

bei Annahme der Zeichnungen zu den neuen Bahnen
faſt gar keine Schwierigkeiten hinſichtlich der Perſonen
gemacht wurden, und ſo war der Zudrang ſo groß,
daß z. B. bei der Sächſiſch-Schleſiſchen (Dresden-
Görlitzer) Bahn cine, die dazu veranſchlagten 6 Mil-
lionen Thaler um das vierfache überſteigende Summe
gezeichnet ward, obgleich die Sächſiſche Regierung je-
dem Jntereſſenten die ſofortige Einreichung von 10 Pro-
cent des gezeichneten Betrages bis zur definitiven Be-
theiligung auferlegt hatte; ſo daß die Erfüllung dieſer
Bedingung allerdings einen merkwürdigen Beweis von
der Kraft und Ausdehnung der Aktienliebhaberei dar-
bot. Gewiß wären nun die Courſe der Quittungs-
bogen auch gleich ſtark in die Höhe gegangen, wenn
nicht die Haupttonangeber der Agiotage zu den ur-
ſprünglichen Zeichnern gehört hätten, alſo eher mit
Gewinn zu verkaufen, als noch zuzukaufen Luſt ver-
ſpüren mußten. Deshalb hielten ſich die gedachten
Papiere noch zu Ende November nur auf einem Agio
von 2—6 Procent. Da aber erſchien am 22. De-
cember 1843 die Königl. Kabinetsordre, welche den
vom Staate garantirten Eiſenbahn-Aktien die pupil-
lariſche
und depoſitalmäßige Sicherheit beilegte.
(Anhang II.) — War die Anſicht, die dieſer Verord-
nung zu Grunde lag, nun auch einerſeits wohl die
conſequente Befolgung des Princips der früher ge-
währten Zinsgarantie, ſo mußte dennoch andrerſeits
die jetzt ausgeſprochene Beſtimmung bei vielen erfah-
renen, vorſichtigen Geſchäftsmännern und Kapitaliſten
ein ernſtes Bedenken erregen, indem ſich die Frage
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[11/0017] bei Annahme der Zeichnungen zu den neuen Bahnen faſt gar keine Schwierigkeiten hinſichtlich der Perſonen gemacht wurden, und ſo war der Zudrang ſo groß, daß z. B. bei der Sächſiſch-Schleſiſchen (Dresden- Görlitzer) Bahn cine, die dazu veranſchlagten 6 Mil- lionen Thaler um das vierfache überſteigende Summe gezeichnet ward, obgleich die Sächſiſche Regierung je- dem Jntereſſenten die ſofortige Einreichung von 10 Pro- cent des gezeichneten Betrages bis zur definitiven Be- theiligung auferlegt hatte; ſo daß die Erfüllung dieſer Bedingung allerdings einen merkwürdigen Beweis von der Kraft und Ausdehnung der Aktienliebhaberei dar- bot. Gewiß wären nun die Courſe der Quittungs- bogen auch gleich ſtark in die Höhe gegangen, wenn nicht die Haupttonangeber der Agiotage zu den ur- ſprünglichen Zeichnern gehört hätten, alſo eher mit Gewinn zu verkaufen, als noch zuzukaufen Luſt ver- ſpüren mußten. Deshalb hielten ſich die gedachten Papiere noch zu Ende November nur auf einem Agio von 2—6 Procent. Da aber erſchien am 22. De- cember 1843 die Königl. Kabinetsordre, welche den vom Staate garantirten Eiſenbahn-Aktien die pupil- lariſche und depoſitalmäßige Sicherheit beilegte. (Anhang II.) — War die Anſicht, die dieſer Verord- nung zu Grunde lag, nun auch einerſeits wohl die conſequente Befolgung des Princips der früher ge- währten Zinsgarantie, ſo mußte dennoch andrerſeits die jetzt ausgeſprochene Beſtimmung bei vielen erfah- renen, vorſichtigen Geſchäftsmännern und Kapitaliſten ein ernſtes Bedenken erregen, indem ſich die Frage aufdrängte: Wenn auch für die betreffenden Papiere ein

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Zitationshilfe: Lesser, Ludwig: Zur Geschichte der Berliner Börse und des Eisenbahnaktien-Handels. Berlin, 1844, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lesser_boerse_1844/17>, abgerufen am 28.03.2024.