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Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.

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Costard. Doch möcht ich nicht mit euch
studiren, denn ihr seyd leicht belohnt.
Arm. Führt ihn fort, geschlossen.
Mot. Fort, du verbrecherischer Sklave.
Costard. Herr, ich bitte euch, ich bin
fest genug, wenn ich loß bin.
Mot. Loß und fest zugleich? Jns Ge-
fängniß.
Costard. Nun denn, wenn ich euch je-
mals wieder erblicke, ihr frölichen Tage der
Verzweiflung, so soll mancher gewahr wer-
den --
Mot. Was?
Costard. Nichts, Herr -- was er sieht.
Gefangene sind nicht verbunden, in ihren Re-
den ein Stillschweigen zu beobachten, dero-
wegen will ich nichts reden. Jch danke Gott,
ich habe meine Galle wie andere Leute auch,
ich verliere endlich die Geduld und deswegen
so will ich geruhig seyn. (Mot führt ihn ab)
Armado (auf und ab spatzierend) Jch füh-
le etwas, eine hinreissende Sympathie -- --
zu dem Fußboden -- (das ist niedrig) wo ihre
Schuh -- (das ist noch niedriger) von ihrem
zarten Fuß bewegt (das ist das allerniedrig-
ste) getreten haben. Jch thue einen Meineyd,
ich bin falsch -- nun wie kann eine Liebe
wahr seyn, wenn sie falsch ist? Liebe ist ein
guter Geist, Liebe ist der böse Feind, es
giebt keinen bösern Geist als die Liebe, und
doch


Coſtard. Doch moͤcht ich nicht mit euch
ſtudiren, denn ihr ſeyd leicht belohnt.
Arm. Fuͤhrt ihn fort, geſchloſſen.
Mot. Fort, du verbrecheriſcher Sklave.
Coſtard. Herr, ich bitte euch, ich bin
feſt genug, wenn ich loß bin.
Mot. Loß und feſt zugleich? Jns Ge-
faͤngniß.
Coſtard. Nun denn, wenn ich euch je-
mals wieder erblicke, ihr froͤlichen Tage der
Verzweiflung, ſo ſoll mancher gewahr wer-
den —
Mot. Was?
Coſtard. Nichts, Herr — was er ſieht.
Gefangene ſind nicht verbunden, in ihren Re-
den ein Stillſchweigen zu beobachten, dero-
wegen will ich nichts reden. Jch danke Gott,
ich habe meine Galle wie andere Leute auch,
ich verliere endlich die Geduld und deswegen
ſo will ich geruhig ſeyn. (Mot fuͤhrt ihn ab)
Armado (auf und ab ſpatzierend) Jch fuͤh-
le etwas, eine hinreiſſende Sympathie — —
zu dem Fußboden — (das iſt niedrig) wo ihre
Schuh — (das iſt noch niedriger) von ihrem
zarten Fuß bewegt (das iſt das allerniedrig-
ſte) getreten haben. Jch thue einen Meineyd,
ich bin falſch — nun wie kann eine Liebe
wahr ſeyn, wenn ſie falſch iſt? Liebe iſt ein
guter Geiſt, Liebe iſt der boͤſe Feind, es
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doch
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[77/0083] Coſtard. Doch moͤcht ich nicht mit euch ſtudiren, denn ihr ſeyd leicht belohnt. Arm. Fuͤhrt ihn fort, geſchloſſen. Mot. Fort, du verbrecheriſcher Sklave. Coſtard. Herr, ich bitte euch, ich bin feſt genug, wenn ich loß bin. Mot. Loß und feſt zugleich? Jns Ge- faͤngniß. Coſtard. Nun denn, wenn ich euch je- mals wieder erblicke, ihr froͤlichen Tage der Verzweiflung, ſo ſoll mancher gewahr wer- den — Mot. Was? Coſtard. Nichts, Herr — was er ſieht. Gefangene ſind nicht verbunden, in ihren Re- den ein Stillſchweigen zu beobachten, dero- wegen will ich nichts reden. Jch danke Gott, ich habe meine Galle wie andere Leute auch, ich verliere endlich die Geduld und deswegen ſo will ich geruhig ſeyn. (Mot fuͤhrt ihn ab) Armado (auf und ab ſpatzierend) Jch fuͤh- le etwas, eine hinreiſſende Sympathie — — zu dem Fußboden — (das iſt niedrig) wo ihre Schuh — (das iſt noch niedriger) von ihrem zarten Fuß bewegt (das iſt das allerniedrig- ſte) getreten haben. Jch thue einen Meineyd, ich bin falſch — nun wie kann eine Liebe wahr ſeyn, wenn ſie falſch iſt? Liebe iſt ein guter Geiſt, Liebe iſt der boͤſe Feind, es giebt keinen boͤſern Geiſt als die Liebe, und doch

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Zitationshilfe: Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/83>, abgerufen am 28.03.2024.