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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.
unbegrenzter Spielraum gegeben. Hier entstand die haarsträubende
Operation der house-mover, die mit unglaublicher Kühnheit und Sicher-
heit ganze Gebäude auf Stahlrollen in Bewegung setzten und ver-
schoben.

In dieser Weise wurden auch ganze Stadt-Districte mit allen ihren
Steinbauwerken um mehrere Fuss gehoben und einzelne Strassen durch
Verrückung der Häuserzeilen breiter gemacht.

Während auf diese Weise die Stadt an Ausdehnung und Com-
fort gewann, wurde durch die rapide Steigerung der Eisenbahnver-
bindungen von Boston ein anderes Element des Aufschwunges ge-
schaffen, das der Entwicklung der Stadt eine neue Richtung gegeben
hat. Die vielen radialen Bahnen, die auf 50 km hinaus jede Ortschaft
der Umgebung mit dem Centrum verbinden, ermöglichten, abseits der
commerciellen Vortheile, dass die Geschäftswelt das eigene Heim weit
weg vom Schauplatze der Berufsthätigkeit sich einrichten konnte. So
entstanden Vorstädte und Villeggiaturen, die an Ausdehnung und
Schönheit völlig unvergleichlich genannt werden können. Diese Anla-
gen, welche die Vorzüge einer Stadt mit der Annehmlichkeit des
Landlebens reizend verbinden, stehen mit Boston in commercieller
und gesellschaftlicher Hinsicht in engsten Beziehungen, ja gehören
im Grunde genommen zur Stadt.

Auch hier bereitet sich dieselbe Entwicklung vor, welche seiner-
zeit zur Verschmelzung der früher erwähnten fünf vorstädtischen
Municipalitäten mit Boston geführt hat, weshalb anzunehmen ist,
dass in nicht ferner Zeit noch andere umliegende Ortschaften von
der Grosscommune absorbirt werden dürften. Der grossartige Auf-
schwung der Stadt und ihrer Umgebung hat selbstverständlich den
Werth des Eigenthums im östlichen Theile des Staates Massachusetts
ausserordentlich gehoben.

Bevor wir eine Wanderung durch die Stadt antreten, seien dem
Hafen von Boston und dessen Zufahrten einige Worte gewidmet.

Die grosse, im Süden durch das weit in See vorspringende Cap
Cod gebildete Massachusetts-Bay besitzt an der westlichen Küsten-
erstreckung die Einbuchtungen des Broad-Sound im Norden und der
Boston-Bay im Süden. Zwischen beiden windet sich durch ein Ge-
wirre von Fährlichkeiten aller Art die Einfahrt nach Boston. Bis
auf 15 km hinaus reichen die Untiefen und Riffe.

Die Hauptzufahrtsstrasse ist der in den Broad-Sound-Canal ein-
mündende South-Channel. Das durch Leuchtfeuer und Bojen aus-
reichend markirte Fahrwasser führt auf die Präsident-Rhede (Presi-

Die atlantische Küste von Amerika.
unbegrenzter Spielraum gegeben. Hier entstand die haarsträubende
Operation der house-mover, die mit unglaublicher Kühnheit und Sicher-
heit ganze Gebäude auf Stahlrollen in Bewegung setzten und ver-
schoben.

In dieser Weise wurden auch ganze Stadt-Districte mit allen ihren
Steinbauwerken um mehrere Fuss gehoben und einzelne Strassen durch
Verrückung der Häuserzeilen breiter gemacht.

Während auf diese Weise die Stadt an Ausdehnung und Com-
fort gewann, wurde durch die rapide Steigerung der Eisenbahnver-
bindungen von Boston ein anderes Element des Aufschwunges ge-
schaffen, das der Entwicklung der Stadt eine neue Richtung gegeben
hat. Die vielen radialen Bahnen, die auf 50 km hinaus jede Ortschaft
der Umgebung mit dem Centrum verbinden, ermöglichten, abseits der
commerciellen Vortheile, dass die Geschäftswelt das eigene Heim weit
weg vom Schauplatze der Berufsthätigkeit sich einrichten konnte. So
entstanden Vorstädte und Villeggiaturen, die an Ausdehnung und
Schönheit völlig unvergleichlich genannt werden können. Diese Anla-
gen, welche die Vorzüge einer Stadt mit der Annehmlichkeit des
Landlebens reizend verbinden, stehen mit Boston in commercieller
und gesellschaftlicher Hinsicht in engsten Beziehungen, ja gehören
im Grunde genommen zur Stadt.

Auch hier bereitet sich dieselbe Entwicklung vor, welche seiner-
zeit zur Verschmelzung der früher erwähnten fünf vorstädtischen
Municipalitäten mit Boston geführt hat, weshalb anzunehmen ist,
dass in nicht ferner Zeit noch andere umliegende Ortschaften von
der Grosscommune absorbirt werden dürften. Der grossartige Auf-
schwung der Stadt und ihrer Umgebung hat selbstverständlich den
Werth des Eigenthums im östlichen Theile des Staates Massachusetts
ausserordentlich gehoben.

Bevor wir eine Wanderung durch die Stadt antreten, seien dem
Hafen von Boston und dessen Zufahrten einige Worte gewidmet.

Die grosse, im Süden durch das weit in See vorspringende Cap
Cod gebildete Massachusetts-Bay besitzt an der westlichen Küsten-
erstreckung die Einbuchtungen des Broad-Sound im Norden und der
Boston-Bay im Süden. Zwischen beiden windet sich durch ein Ge-
wirre von Fährlichkeiten aller Art die Einfahrt nach Boston. Bis
auf 15 km hinaus reichen die Untiefen und Riffe.

Die Hauptzufahrtsstrasse ist der in den Broad-Sound-Canal ein-
mündende South-Channel. Das durch Leuchtfeuer und Bojen aus-
reichend markirte Fahrwasser führt auf die Präsident-Rhede (Presi-

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[32/0048] Die atlantische Küste von Amerika. unbegrenzter Spielraum gegeben. Hier entstand die haarsträubende Operation der house-mover, die mit unglaublicher Kühnheit und Sicher- heit ganze Gebäude auf Stahlrollen in Bewegung setzten und ver- schoben. In dieser Weise wurden auch ganze Stadt-Districte mit allen ihren Steinbauwerken um mehrere Fuss gehoben und einzelne Strassen durch Verrückung der Häuserzeilen breiter gemacht. Während auf diese Weise die Stadt an Ausdehnung und Com- fort gewann, wurde durch die rapide Steigerung der Eisenbahnver- bindungen von Boston ein anderes Element des Aufschwunges ge- schaffen, das der Entwicklung der Stadt eine neue Richtung gegeben hat. Die vielen radialen Bahnen, die auf 50 km hinaus jede Ortschaft der Umgebung mit dem Centrum verbinden, ermöglichten, abseits der commerciellen Vortheile, dass die Geschäftswelt das eigene Heim weit weg vom Schauplatze der Berufsthätigkeit sich einrichten konnte. So entstanden Vorstädte und Villeggiaturen, die an Ausdehnung und Schönheit völlig unvergleichlich genannt werden können. Diese Anla- gen, welche die Vorzüge einer Stadt mit der Annehmlichkeit des Landlebens reizend verbinden, stehen mit Boston in commercieller und gesellschaftlicher Hinsicht in engsten Beziehungen, ja gehören im Grunde genommen zur Stadt. Auch hier bereitet sich dieselbe Entwicklung vor, welche seiner- zeit zur Verschmelzung der früher erwähnten fünf vorstädtischen Municipalitäten mit Boston geführt hat, weshalb anzunehmen ist, dass in nicht ferner Zeit noch andere umliegende Ortschaften von der Grosscommune absorbirt werden dürften. Der grossartige Auf- schwung der Stadt und ihrer Umgebung hat selbstverständlich den Werth des Eigenthums im östlichen Theile des Staates Massachusetts ausserordentlich gehoben. Bevor wir eine Wanderung durch die Stadt antreten, seien dem Hafen von Boston und dessen Zufahrten einige Worte gewidmet. Die grosse, im Süden durch das weit in See vorspringende Cap Cod gebildete Massachusetts-Bay besitzt an der westlichen Küsten- erstreckung die Einbuchtungen des Broad-Sound im Norden und der Boston-Bay im Süden. Zwischen beiden windet sich durch ein Ge- wirre von Fährlichkeiten aller Art die Einfahrt nach Boston. Bis auf 15 km hinaus reichen die Untiefen und Riffe. Die Hauptzufahrtsstrasse ist der in den Broad-Sound-Canal ein- mündende South-Channel. Das durch Leuchtfeuer und Bojen aus- reichend markirte Fahrwasser führt auf die Präsident-Rhede (Presi-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/48>, abgerufen am 29.03.2024.