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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.

In der That lässt sich kaum eine reizendere Lage denken, als
jene von Abbazia, dem immergrünen Nizza Oesterreichs, oder der
malerisch am Küstensaume zu Füssen des 1450 m hoch aufsteigenden
Gebirgsstockes Monte Maggiore gelegenen Nachbarstädtchen Volosca,
Ika, Lovrana
und Moschenizze, die sämmtlich gegen die stürmi-
schen und rauhen Nordwinde geschützt, den Segen eines äusserst
milden Klimas geniessen.

Im Osten von Fiume herrscht hingegen der Charakter einer
rauhen Steilküste vor.

Der Quarnero-Golf führte im Alterthume mehrere bezeichnende
Namen. Man nannte ihn unter anderen auch Sinus Canarius, aus
welcher Bezeichnung wohl der heutige Name entstammen dürfte, an
den die Vorstellung verheerender Seestürme sich knüpft. In der That
gelten dieser Golf und der in denselben einmündende Meerescanal
längs der croatischen Küste (Canale di Maltempo) im Volksmunde als
Geburtsstätten der gewaltigen Bora-Orkane, gegen deren Wuth die
wettergeübten Seeleute dieses Gebietes, die auch als Polarfahrer
unter Weyprecht sich bewährten, muthig anzukämpfen haben.
Dem Golfe von Fiume wird ein grosser Fischreichthum nachgerühmt;
leider ist aber auch der Menschenhai ein ständiger Gast dieser Ge-
wässer geworden. Dagegen bildet der äusserst schmackhafte rosa-
färbige Scampo (Nephrops Norregiensis), ein Seekrebs, der nur in
Quarnero und in den Scherren Norwegens vorkommt, eine kostbare
Eigenheit der hiesigen Seefauna.

Schon im Alterthume beschäftigte die Küstenbevölkerung sich
mit Schiffahrt und Schiffbau, zur Zeit der Uskoken allerdings auch
mit Piraterie. Die Seetüchtigkeit und die gefälligen Formen der libur-
nischen Fahrzeuge standen in bestem Rufe, und bekannt dürfte es
sein, dass Casar Augustus in dem Kriege gegen Marcus Antonius
solcher sich bediente. Noch vor zwei Jahrzehnten waren Fiume und
die östlich in einem herrlichen Becken gelegenen Städtchen Buccari
und Porto Re im Besitze einer aus alter Zeit stammenden blühenden
Rhederei und durch ihre prächtigen Segelschiffbauten in maritimen
Kreisen sehr angesehen, allein die Ausbreitung der Dampfschiffahrt
hat seither der Werftenindustrie dieser Gegend den Todesstoss
versetzt.

Indes erfuhr die Stadt Fiume unter der Begünstigung der unga-
rischen Regierung gleichwohl eine völlige Umwandlung und vortheil-
hafte Verjüngung. Aus dem unbedeutenden Küstenorte erstand baldigst
eine Seestadt, welche, indem sie das aufstrebende Reich Ungarn in

Das Mittelmeerbecken.

In der That lässt sich kaum eine reizendere Lage denken, als
jene von Abbazia, dem immergrünen Nizza Oesterreichs, oder der
malerisch am Küstensaume zu Füssen des 1450 m hoch aufsteigenden
Gebirgsstockes Monte Maggiore gelegenen Nachbarstädtchen Volosca,
Ika, Lovrana
und Moschenizze, die sämmtlich gegen die stürmi-
schen und rauhen Nordwinde geschützt, den Segen eines äusserst
milden Klimas geniessen.

Im Osten von Fiume herrscht hingegen der Charakter einer
rauhen Steilküste vor.

Der Quarnero-Golf führte im Alterthume mehrere bezeichnende
Namen. Man nannte ihn unter anderen auch Sinus Canarius, aus
welcher Bezeichnung wohl der heutige Name entstammen dürfte, an
den die Vorstellung verheerender Seestürme sich knüpft. In der That
gelten dieser Golf und der in denselben einmündende Meerescanal
längs der croatischen Küste (Canale di Maltempo) im Volksmunde als
Geburtsstätten der gewaltigen Bora-Orkane, gegen deren Wuth die
wettergeübten Seeleute dieses Gebietes, die auch als Polarfahrer
unter Weyprecht sich bewährten, muthig anzukämpfen haben.
Dem Golfe von Fiume wird ein grosser Fischreichthum nachgerühmt;
leider ist aber auch der Menschenhai ein ständiger Gast dieser Ge-
wässer geworden. Dagegen bildet der äusserst schmackhafte rosa-
färbige Scampo (Nephrops Norregiensis), ein Seekrebs, der nur in
Quarnero und in den Scherren Norwegens vorkommt, eine kostbare
Eigenheit der hiesigen Seefauna.

Schon im Alterthume beschäftigte die Küstenbevölkerung sich
mit Schiffahrt und Schiffbau, zur Zeit der Uskoken allerdings auch
mit Piraterie. Die Seetüchtigkeit und die gefälligen Formen der libur-
nischen Fahrzeuge standen in bestem Rufe, und bekannt dürfte es
sein, dass Cȧsar Augustus in dem Kriege gegen Marcus Antonius
solcher sich bediente. Noch vor zwei Jahrzehnten waren Fiume und
die östlich in einem herrlichen Becken gelegenen Städtchen Buccari
und Porto Ré im Besitze einer aus alter Zeit stammenden blühenden
Rhederei und durch ihre prächtigen Segelschiffbauten in maritimen
Kreisen sehr angesehen, allein die Ausbreitung der Dampfschiffahrt
hat seither der Werftenindustrie dieser Gegend den Todesstoss
versetzt.

Indes erfuhr die Stadt Fiume unter der Begünstigung der unga-
rischen Regierung gleichwohl eine völlige Umwandlung und vortheil-
hafte Verjüngung. Aus dem unbedeutenden Küstenorte erstand baldigst
eine Seestadt, welche, indem sie das aufstrebende Reich Ungarn in

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[22/0042] Das Mittelmeerbecken. In der That lässt sich kaum eine reizendere Lage denken, als jene von Abbazia, dem immergrünen Nizza Oesterreichs, oder der malerisch am Küstensaume zu Füssen des 1450 m hoch aufsteigenden Gebirgsstockes Monte Maggiore gelegenen Nachbarstädtchen Volosca, Ika, Lovrana und Moschenizze, die sämmtlich gegen die stürmi- schen und rauhen Nordwinde geschützt, den Segen eines äusserst milden Klimas geniessen. Im Osten von Fiume herrscht hingegen der Charakter einer rauhen Steilküste vor. Der Quarnero-Golf führte im Alterthume mehrere bezeichnende Namen. Man nannte ihn unter anderen auch Sinus Canarius, aus welcher Bezeichnung wohl der heutige Name entstammen dürfte, an den die Vorstellung verheerender Seestürme sich knüpft. In der That gelten dieser Golf und der in denselben einmündende Meerescanal längs der croatischen Küste (Canale di Maltempo) im Volksmunde als Geburtsstätten der gewaltigen Bora-Orkane, gegen deren Wuth die wettergeübten Seeleute dieses Gebietes, die auch als Polarfahrer unter Weyprecht sich bewährten, muthig anzukämpfen haben. Dem Golfe von Fiume wird ein grosser Fischreichthum nachgerühmt; leider ist aber auch der Menschenhai ein ständiger Gast dieser Ge- wässer geworden. Dagegen bildet der äusserst schmackhafte rosa- färbige Scampo (Nephrops Norregiensis), ein Seekrebs, der nur in Quarnero und in den Scherren Norwegens vorkommt, eine kostbare Eigenheit der hiesigen Seefauna. Schon im Alterthume beschäftigte die Küstenbevölkerung sich mit Schiffahrt und Schiffbau, zur Zeit der Uskoken allerdings auch mit Piraterie. Die Seetüchtigkeit und die gefälligen Formen der libur- nischen Fahrzeuge standen in bestem Rufe, und bekannt dürfte es sein, dass Cȧsar Augustus in dem Kriege gegen Marcus Antonius solcher sich bediente. Noch vor zwei Jahrzehnten waren Fiume und die östlich in einem herrlichen Becken gelegenen Städtchen Buccari und Porto Ré im Besitze einer aus alter Zeit stammenden blühenden Rhederei und durch ihre prächtigen Segelschiffbauten in maritimen Kreisen sehr angesehen, allein die Ausbreitung der Dampfschiffahrt hat seither der Werftenindustrie dieser Gegend den Todesstoss versetzt. Indes erfuhr die Stadt Fiume unter der Begünstigung der unga- rischen Regierung gleichwohl eine völlige Umwandlung und vortheil- hafte Verjüngung. Aus dem unbedeutenden Küstenorte erstand baldigst eine Seestadt, welche, indem sie das aufstrebende Reich Ungarn in

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/42>, abgerufen am 16.04.2024.