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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Triest.

An sehenswerthen öffentlichen Bauwerken ist Triest im Grunde
genommen arm, doch besitzt es in seiner auf dominirender Höhe ge-
legenen Kathedrale von St. Giusto ein ehrwürdiges Denkmal der alt-
christlichen Architektur. Beachtung verdienen auch einzelne originell
und luxuriös angelegte Paläste reicher Kaufherren.

Die Hauptverkehrsstrasse von Triest ist der Corso, längs dessen
die vornehmsten Verkaufsgeschäfte etablirt sind. Der Corso verbindet
die Piazza grande, den Börsenplatz und den Holzplatz und bildet die
Abgrenzung zwischen der Alt- und Neustadt. Zwei Denkmale zieren
den Börsenplatz: eine schöne Neptunsgruppe und das 1660 errichtete
Monument Kaiser Leopold I.

In den Gartenanlagen vor der weitläufigen Südbahnstation ward
1888 ein geistvoll gedachtes Denkmal zur Erinnerung an die Ein-
verleibung Triests unter das Scepter des Hauses Oesterreich errichtet.

Künstlerisch am hervorragendsten ist jedoch das Erzbild des
unglücklichen Erzherzogs Ferdinand Maximilian, des Kaisers von
Mexico, der 1867 zu Queretaro den Opfertod starb. Dieses auf der
Piazza Giuseppina am Quai des alten Hafens stehende Monument ist
gegen das in der Ferne schimmernde Feenschloss Miramar gewendet.
Der fürstliche Glanz und die kunstsinnige Pracht, die das Innere dieses
Schlosses auszeichnen, wie nicht minder die romantische Anlage des
mancherlei Ueberraschungen bietenden herrlichen Parkes zeugen von
der Prunkliebe des geistvollen Prinzen. Miramar ist ebenso sehr einer
der lohnendsten Ausflugsorte der Triester, wie es auf die Fremden
eine mächtige Anziehungskraft ausübt.

Während der Wintersaison ist die hübsch gelegene Promenade
nächst der Spitze St. Andrea das beliebte Stelldichein der Stadt-
bevölkerung, wohingegen in der schönen Jahreszeit der Boschetto
(Wäldchen) mit seinen zur Höhe des Ferdinandeums führenden schatti-
gen Wegen bevorzugt wird.

Wer Studien über Volkstypen betreibt, wird in Triest, wie es
dem Charakter einer Stätte des Welthandels entspricht, sein Interesse
befriedigt finden. Einem jeden Besucher dieser Stadt dürfte das liebens-
würdige Wesen und der frohe Sinn der Bewohner in angenehmer Erin-
nerung verbleiben. Diesen Eindruck vermittelt das lebhafte Treiben der
rührigen, in den Typen, oft auch in der farbigen Kleidung den Süden
verrathenden Menge, die bis in späte Nachtstunden auf Strassen und
Plätzen wogt, und wer in klarer Sommernacht an den Marmortischen
des prächtigen Cafe Orientale vor dem Lloydpalaste geweilt und

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Triest.

An sehenswerthen öffentlichen Bauwerken ist Triest im Grunde
genommen arm, doch besitzt es in seiner auf dominirender Höhe ge-
legenen Kathedrale von St. Giusto ein ehrwürdiges Denkmal der alt-
christlichen Architektur. Beachtung verdienen auch einzelne originell
und luxuriös angelegte Paläste reicher Kaufherren.

Die Hauptverkehrsstrasse von Triest ist der Corso, längs dessen
die vornehmsten Verkaufsgeschäfte etablirt sind. Der Corso verbindet
die Piazza grande, den Börsenplatz und den Holzplatz und bildet die
Abgrenzung zwischen der Alt- und Neustadt. Zwei Denkmale zieren
den Börsenplatz: eine schöne Neptunsgruppe und das 1660 errichtete
Monument Kaiser Leopold I.

In den Gartenanlagen vor der weitläufigen Südbahnstation ward
1888 ein geistvoll gedachtes Denkmal zur Erinnerung an die Ein-
verleibung Triests unter das Scepter des Hauses Oesterreich errichtet.

Künstlerisch am hervorragendsten ist jedoch das Erzbild des
unglücklichen Erzherzogs Ferdinand Maximilian, des Kaisers von
Mexico, der 1867 zu Queretaro den Opfertod starb. Dieses auf der
Piazza Giuseppina am Quai des alten Hafens stehende Monument ist
gegen das in der Ferne schimmernde Feenschloss Miramar gewendet.
Der fürstliche Glanz und die kunstsinnige Pracht, die das Innere dieses
Schlosses auszeichnen, wie nicht minder die romantische Anlage des
mancherlei Ueberraschungen bietenden herrlichen Parkes zeugen von
der Prunkliebe des geistvollen Prinzen. Miramar ist ebenso sehr einer
der lohnendsten Ausflugsorte der Triester, wie es auf die Fremden
eine mächtige Anziehungskraft ausübt.

Während der Wintersaison ist die hübsch gelegene Promenade
nächst der Spitze St. Andrea das beliebte Stelldichein der Stadt-
bevölkerung, wohingegen in der schönen Jahreszeit der Boschetto
(Wäldchen) mit seinen zur Höhe des Ferdinandeums führenden schatti-
gen Wegen bevorzugt wird.

Wer Studien über Volkstypen betreibt, wird in Triest, wie es
dem Charakter einer Stätte des Welthandels entspricht, sein Interesse
befriedigt finden. Einem jeden Besucher dieser Stadt dürfte das liebens-
würdige Wesen und der frohe Sinn der Bewohner in angenehmer Erin-
nerung verbleiben. Diesen Eindruck vermittelt das lebhafte Treiben der
rührigen, in den Typen, oft auch in der farbigen Kleidung den Süden
verrathenden Menge, die bis in späte Nachtstunden auf Strassen und
Plätzen wogt, und wer in klarer Sommernacht an den Marmortischen
des prächtigen Café Orientale vor dem Lloydpalaste geweilt und

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[11/0031] Triest. An sehenswerthen öffentlichen Bauwerken ist Triest im Grunde genommen arm, doch besitzt es in seiner auf dominirender Höhe ge- legenen Kathedrale von St. Giusto ein ehrwürdiges Denkmal der alt- christlichen Architektur. Beachtung verdienen auch einzelne originell und luxuriös angelegte Paläste reicher Kaufherren. Die Hauptverkehrsstrasse von Triest ist der Corso, längs dessen die vornehmsten Verkaufsgeschäfte etablirt sind. Der Corso verbindet die Piazza grande, den Börsenplatz und den Holzplatz und bildet die Abgrenzung zwischen der Alt- und Neustadt. Zwei Denkmale zieren den Börsenplatz: eine schöne Neptunsgruppe und das 1660 errichtete Monument Kaiser Leopold I. In den Gartenanlagen vor der weitläufigen Südbahnstation ward 1888 ein geistvoll gedachtes Denkmal zur Erinnerung an die Ein- verleibung Triests unter das Scepter des Hauses Oesterreich errichtet. Künstlerisch am hervorragendsten ist jedoch das Erzbild des unglücklichen Erzherzogs Ferdinand Maximilian, des Kaisers von Mexico, der 1867 zu Queretaro den Opfertod starb. Dieses auf der Piazza Giuseppina am Quai des alten Hafens stehende Monument ist gegen das in der Ferne schimmernde Feenschloss Miramar gewendet. Der fürstliche Glanz und die kunstsinnige Pracht, die das Innere dieses Schlosses auszeichnen, wie nicht minder die romantische Anlage des mancherlei Ueberraschungen bietenden herrlichen Parkes zeugen von der Prunkliebe des geistvollen Prinzen. Miramar ist ebenso sehr einer der lohnendsten Ausflugsorte der Triester, wie es auf die Fremden eine mächtige Anziehungskraft ausübt. Während der Wintersaison ist die hübsch gelegene Promenade nächst der Spitze St. Andrea das beliebte Stelldichein der Stadt- bevölkerung, wohingegen in der schönen Jahreszeit der Boschetto (Wäldchen) mit seinen zur Höhe des Ferdinandeums führenden schatti- gen Wegen bevorzugt wird. Wer Studien über Volkstypen betreibt, wird in Triest, wie es dem Charakter einer Stätte des Welthandels entspricht, sein Interesse befriedigt finden. Einem jeden Besucher dieser Stadt dürfte das liebens- würdige Wesen und der frohe Sinn der Bewohner in angenehmer Erin- nerung verbleiben. Diesen Eindruck vermittelt das lebhafte Treiben der rührigen, in den Typen, oft auch in der farbigen Kleidung den Süden verrathenden Menge, die bis in späte Nachtstunden auf Strassen und Plätzen wogt, und wer in klarer Sommernacht an den Marmortischen des prächtigen Café Orientale vor dem Lloydpalaste geweilt und 2*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/31>, abgerufen am 19.04.2024.