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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
eines vierzehnhundertjährigen Bestandes den grössten Einfluss auf die
Schicksale der Küstenbewohner des adriatischen Meeres -- damals
Golfo Veneziano genannt -- ausgeübt hatte.

Triest, das Tergeste der alten Römer, kam erst im XVIII. Jahr-
hunderte zu einiger Bedeutung. Von der übermächtigen Republik
Venedig unablässig bedrängt, suchte und fand die Stadt allerdings
schon Hilfe und Schutz bei dem Herzoge Leopold von Oesterreich,
der 1382 Triest seinem Reiche zugesellt; durch diesen Act der Staats-
klugheit hatte das Haus Habsburg den Zugang zur See sich gesichert.
Indess blieb Triest bis Ende des XVII. Jahrhundertes ein bedeutungs-
loser Küstenplatz, dessen Hauptreichthum nur im Weinbaue bestand,
denn Venedig wusste die durch Tractate verbriefte freie Schiffahrt in
und durch die Adria mit allen Mitteln zu hintertreiben, bis Kaiser
Karl VI. in seinem denkwürdigen Patente vom 2. Juni 1717 die Adria
für den Schiffsverkehr frei erklärte und jede seinen Unterthanen zu-
gefügte Belästigung so zu ahnden erklärte, als ob sie einer seiner
Provinzen selbst widerfahren wäre.

Karl VI., welcher der Hebung des Seehandels die vollste Be-
achtung widmete, erklärte 1719 Triest und Fiume zu Freihäfen und
stattete diese mit vielen commerciellen und nautischen Einrichtungen
aus. Zugleich fand der unter so günstigen Verhältnissen aufblühende
Seehandel durch die Gründung einer Kriegsmarine Schutz und Auf-
munterung. Kaiserin Maria Theresia, die Pläne ihres Vaters sorgsamst
fördernd, erbaute zu Triest ausgedehnte Hafenanlagen und Molen, von
welch letzteren der ihren Namen führende und mit einem Leucht-
thurme an seiner Spitze versehene noch heute besteht und die soge-
nannte Sacchetta des Hafens gegen die offene See abschliesst.

Während der gewaltigen, den europäischen Continent verheeren-
den Kämpfe, welche die französische Revolution entfesselt hatte, fiel
Triest zu wiederholtenmalen in französischen Besitz, bis die Stadt,
1813 nach viertägiger erfolgreicher Belagerung des von den Franzosen
mit Bravour vertheidigten Castells wieder dem Banner der Habsburger
gewonnen ward. Unter der segensreichen Herrschaft dieses Kaiser-
hauses hatte Triest, seit 1849 zum reichsunmittelbaren Gebiete erhoben,
allmälig zum reichen, handelsmächtigen Emporium und zum Haupt-
hafen der Monarchie sich aufgeschwungen, und als 1857 die Eisen-
bahnverbindung mit dem Inlande hergestellt war, genügten die un-
vollkommenen Einrichtungen des damaligen allen äusseren Winden
ganz ausgesetzten Hafens -- eigentlich Rhede -- nicht mehr, um
den gesteigerten Schiffahrtsverkehr bewältigen zu können. Deshalb

Das Mittelmeerbecken.
eines vierzehnhundertjährigen Bestandes den grössten Einfluss auf die
Schicksale der Küstenbewohner des adriatischen Meeres — damals
Golfo Veneziano genannt — ausgeübt hatte.

Triest, das Tergeste der alten Römer, kam erst im XVIII. Jahr-
hunderte zu einiger Bedeutung. Von der übermächtigen Republik
Venedig unablässig bedrängt, suchte und fand die Stadt allerdings
schon Hilfe und Schutz bei dem Herzoge Leopold von Oesterreich,
der 1382 Triest seinem Reiche zugesellt; durch diesen Act der Staats-
klugheit hatte das Haus Habsburg den Zugang zur See sich gesichert.
Indess blieb Triest bis Ende des XVII. Jahrhundertes ein bedeutungs-
loser Küstenplatz, dessen Hauptreichthum nur im Weinbaue bestand,
denn Venedig wusste die durch Tractate verbriefte freie Schiffahrt in
und durch die Adria mit allen Mitteln zu hintertreiben, bis Kaiser
Karl VI. in seinem denkwürdigen Patente vom 2. Juni 1717 die Adria
für den Schiffsverkehr frei erklärte und jede seinen Unterthanen zu-
gefügte Belästigung so zu ahnden erklärte, als ob sie einer seiner
Provinzen selbst widerfahren wäre.

Karl VI., welcher der Hebung des Seehandels die vollste Be-
achtung widmete, erklärte 1719 Triest und Fiume zu Freihäfen und
stattete diese mit vielen commerciellen und nautischen Einrichtungen
aus. Zugleich fand der unter so günstigen Verhältnissen aufblühende
Seehandel durch die Gründung einer Kriegsmarine Schutz und Auf-
munterung. Kaiserin Maria Theresia, die Pläne ihres Vaters sorgsamst
fördernd, erbaute zu Triest ausgedehnte Hafenanlagen und Molen, von
welch letzteren der ihren Namen führende und mit einem Leucht-
thurme an seiner Spitze versehene noch heute besteht und die soge-
nannte Sacchetta des Hafens gegen die offene See abschliesst.

Während der gewaltigen, den europäischen Continent verheeren-
den Kämpfe, welche die französische Revolution entfesselt hatte, fiel
Triest zu wiederholtenmalen in französischen Besitz, bis die Stadt,
1813 nach viertägiger erfolgreicher Belagerung des von den Franzosen
mit Bravour vertheidigten Castells wieder dem Banner der Habsburger
gewonnen ward. Unter der segensreichen Herrschaft dieses Kaiser-
hauses hatte Triest, seit 1849 zum reichsunmittelbaren Gebiete erhoben,
allmälig zum reichen, handelsmächtigen Emporium und zum Haupt-
hafen der Monarchie sich aufgeschwungen, und als 1857 die Eisen-
bahnverbindung mit dem Inlande hergestellt war, genügten die un-
vollkommenen Einrichtungen des damaligen allen äusseren Winden
ganz ausgesetzten Hafens — eigentlich Rhede — nicht mehr, um
den gesteigerten Schiffahrtsverkehr bewältigen zu können. Deshalb

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[6/0026] Das Mittelmeerbecken. eines vierzehnhundertjährigen Bestandes den grössten Einfluss auf die Schicksale der Küstenbewohner des adriatischen Meeres — damals Golfo Veneziano genannt — ausgeübt hatte. Triest, das Tergeste der alten Römer, kam erst im XVIII. Jahr- hunderte zu einiger Bedeutung. Von der übermächtigen Republik Venedig unablässig bedrängt, suchte und fand die Stadt allerdings schon Hilfe und Schutz bei dem Herzoge Leopold von Oesterreich, der 1382 Triest seinem Reiche zugesellt; durch diesen Act der Staats- klugheit hatte das Haus Habsburg den Zugang zur See sich gesichert. Indess blieb Triest bis Ende des XVII. Jahrhundertes ein bedeutungs- loser Küstenplatz, dessen Hauptreichthum nur im Weinbaue bestand, denn Venedig wusste die durch Tractate verbriefte freie Schiffahrt in und durch die Adria mit allen Mitteln zu hintertreiben, bis Kaiser Karl VI. in seinem denkwürdigen Patente vom 2. Juni 1717 die Adria für den Schiffsverkehr frei erklärte und jede seinen Unterthanen zu- gefügte Belästigung so zu ahnden erklärte, als ob sie einer seiner Provinzen selbst widerfahren wäre. Karl VI., welcher der Hebung des Seehandels die vollste Be- achtung widmete, erklärte 1719 Triest und Fiume zu Freihäfen und stattete diese mit vielen commerciellen und nautischen Einrichtungen aus. Zugleich fand der unter so günstigen Verhältnissen aufblühende Seehandel durch die Gründung einer Kriegsmarine Schutz und Auf- munterung. Kaiserin Maria Theresia, die Pläne ihres Vaters sorgsamst fördernd, erbaute zu Triest ausgedehnte Hafenanlagen und Molen, von welch letzteren der ihren Namen führende und mit einem Leucht- thurme an seiner Spitze versehene noch heute besteht und die soge- nannte Sacchetta des Hafens gegen die offene See abschliesst. Während der gewaltigen, den europäischen Continent verheeren- den Kämpfe, welche die französische Revolution entfesselt hatte, fiel Triest zu wiederholtenmalen in französischen Besitz, bis die Stadt, 1813 nach viertägiger erfolgreicher Belagerung des von den Franzosen mit Bravour vertheidigten Castells wieder dem Banner der Habsburger gewonnen ward. Unter der segensreichen Herrschaft dieses Kaiser- hauses hatte Triest, seit 1849 zum reichsunmittelbaren Gebiete erhoben, allmälig zum reichen, handelsmächtigen Emporium und zum Haupt- hafen der Monarchie sich aufgeschwungen, und als 1857 die Eisen- bahnverbindung mit dem Inlande hergestellt war, genügten die un- vollkommenen Einrichtungen des damaligen allen äusseren Winden ganz ausgesetzten Hafens — eigentlich Rhede — nicht mehr, um den gesteigerten Schiffahrtsverkehr bewältigen zu können. Deshalb

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/26>, abgerufen am 29.03.2024.